Mitterfirmiansreut/ FRG. „Bei jeder großen Investition gibt es ein Für und Wider, Befürworter und Gegner. Aber wenn schon Fördergelder in unsere Region fließen, sollte man zugreifen, bevor diese woanders verwendet werden.“ Gewohnt hemdsärmelig und zugleich schonungslos ehrlich bringt Hans Kapfer, Fraktionsvorsitzender der Bayernpartei im Kreistag von Freyung-Grafenau, die Sache auf den Punkt. Und spricht das aus, was sich wohl der Großteil des Gremiums bei der Abstimmung am 13. Dezember 2021 dachte. Wenn’s schon mal Moneten in Millionenhöhe gibt, dann gilt es das auszuschöpfen – ganz egal, ob’s perspektivisch Sinn macht oder nicht. Hauptsache die Kohle bleibt im Land!
Worum geht’s? Wieder einmal (und immer noch) um den beschlossenen Ausbau des Skizentrums Mitterdorf. Ein Vorhaben, das in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels, der sich weiter (nach oben) verschiebenden Schneefallgrenze und des schier hemmungslosen Einsatzes künstlicher Beschneiungsanlagen beinah widersinnig, ja fast schon absurd erscheint. Eine Art Schildbürgerstreich. Man könnte meinen, dass die politischen Verantwortungsträger ganz bewusst die Augen vor den allseits bekannten, wissenschaftlich längst belegten sowie bereits allerorts gegenwärtigen klimatischen Veränderungen verschließen – und das alles nur des schnöden Mammons wegen…
Viel Winternutzung – und a bissl Sommernutzung
Doch halt: Jetzt hätten wir doch glatt die sog. Sommernutzung vergessen, weswegen das Gesamtprojekt dann ja doch wieder irgendwie Sinn macht. Ein bisschen zumindest. Und ohne die es den satten Zuschuss von rund sechs Millionen Euro aus dem Seilbahn-Förderprogramm des Freistaats gar nicht gegeben hätte. Denn das Vorlegen eines Nutzungskonzepts für die Sommermonate im Skizentrum Mitterdorf war oberste Bedingung, damit der Geldhahn überhaupt erst geöffnet werden und der Schotter fließen kann.
Der genauere Blick auf die Sommernutzung fällt jedoch sogleich ernüchternd aus: Nachdem die „Canopy-Tour“ aufgrund des Widerstands der Bayerischen Staatsforsten zum Schutze besonders wertvoller Waldflächen berechtigterweise wieder aus dem Programm genommen werden musste (da Hog’n berichtete), blieb nicht mehr viel „Sommerliches“ für die Nutzung zur wärmeren Jahreszeit übrig: lediglich eine sog. Flyline sowie ein paar Themenwege für die Wanderer.
Kostenfaktor? Wohl um ein Vielfaches weniger als allein für die beiden neuen Sessellifte veranschlagt wurde (ca. 13 Millionen Euro von 20 Millionen insgesamt). Man musste offenbar schnell ein paar Ideen für die Sommernutzung kreieren, damit man noch rechtzeitig und vor Ablauf der Eingabefrist die Fördergelder beantragen konnte. Oder wie es Kreisrat Toni Schuberl formulierte: „Es wurde nicht überlegt, welche Sommernutzung ideal wäre für den Standort, sondern welche Sommernutzung in die Fördervorgaben für die Sanierung der Winternutzung passt.“ Unabhängig davon ist Schuberl zufolge kein Einheimischer je nach seinen Ideen gefragt worden.
Dass es wohl immer wieder Nachbesserungsbedarf in Sachen Sommerkonzept geben wird, daraus machen die meisten der politischen Verantwortungsträger des Landkreises Freyung-Grafenau, sprich: die Fraktionsvorsitzenden und -sprecher im FRG-Kreistag, die da Hog’n zuletzt zum Thema befragt hatte, bereits heute keinen Hehl.
Befürworter, Kritiker – und offene Fragen
Fakt ist: Die meisten Kreisräte bejahen das Projekt. Nur wenige sind skeptisch bzw. dagegen. Und einige fordern, das Vorhaben nochmals im Detail (aber nicht grundsätzlich) zu diskutieren. Die Befürworter sprechen von „rentablen Investitionen“ (Gibis), einer „Steigerung der Attraktivität des Landkrieses“ (Poschinger), vom „nachhaltigen Ganzjahres-Tourismus“ (Eibl) und von einem „schlüssigen Gesamtkonzept“ (Muthmann). Sie halten eine definitive Aussage zur Schneesicherheitsgrenze für gewagt (Poschinger), wollen nicht daran glauben (nicht wahrhaben?), was namhafte Klima-Experten prognostizieren (…). Die Kritiker sind der Meinung, dass die Auswirkungen der Klimaerhitzung nicht ausreichend berücksichtigt werden, der Eingriff in die Natur zu gravierend, die Investitionssumme von 20 Millionen Euro zu hoch und das Gesamtprojekt ohnehin nicht mehr zeitgemäß ist (Schuberl, Freudenstein).
Fakt ist auch, dass gewisse Fragen immer noch unbeantwortet sind. Etwa die, „welche durchschnittliche Erwärmung des Klimas im Bereich des Landkreise der Zweckverband Wintersportzentrum Mitterfirmiansreut-Philippsreut seinen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu Grunde legt. Oder was die konkrete Begründung für die Eilbedürftigkeit der Entscheidung im Kreistag im Dezember 2021 gewesen ist. Fragen, die der Fraktionsvorsitzende der Grünen zwar gestellt hat, auf die es von Seiten des Zwecksverbandsvorsitzenden (Landrat Sebastian Gruber) jedoch bis heute keine Antworten gibt.
Höchstwahrscheinlich deshalb, weil die Verantwortungsträger sie nicht beantworten kann. Weil vermutlich keinerlei Analysen, Studien oder Berechnungen hinsichtlich Klimaentwicklung oder Wirtschaftlichkeit, hinsichtlich Sommernutzung oder Zielgruppen im Vorfeld der Entscheidung vorgenommen worden sind. Weil es schlichtweg (in erster Linie) nur um eins ging: Nämlich darum, die in Aussicht gestellten Fördergelder (möglichst schnell und noch rechtzeitig) „abzugreifen“ – koste es, was es wolle, auf Gedeih und Verderb. Oder, wie man im Woid – passenderweise – so schön sagt: „Und wenn da Schnee verbrennt…“
Kommentar: Stephan Hörhammer