Mitterfirmiansreut/FRG. „Erstaunlich, wie weit verbreitet die Realitätsverweigerung weiterhin ist – 20 Millionen Euro in ein sterbendes Geschäft investieren! Lützerath grüßt – zeitgemäß und zukunftsgerichtet geht anders. Wo bleibt der große Aufschrei der breiten Masse gegen solche Steuerverschwendung?“ Eindeutig unzweideutige Worte, die ein Facebook-Kommentator zum jüngsten Hog’n-Artikel über die Ausbau- und Erneuerungspläne des Skizentrums Mitterdorf gefunden hat. Darin legte Klimaforscher Prof. Dr. Harald Kunstmann unter anderem dar: „Bei 1.000 Höhenmetern erwarten wir bis 2050 eine Zunahme von 1,3 Grad Celsius im Vergleich zu den vergangenen 30 Jahren.“
Wir haben angesichts jener Prognosen bei den Fraktionsvorsitzenden bzw. -sprechern im Kreistag des Landkreises Freyung-Grafenau, die am 13. Dezember 2021 für das touristisch-millionenschwere Winter-Projekt (mit Sommernutzung) ihr politisches Placet gegeben haben, noch einmal nachgehakt und wollten wissen, wie sie zu den bekannten klimawissenschaftlichen Vorhersagen stehen, was sie den Kritikern des Vorhabens entgegnen – und ob sie ihre Entscheidung heute noch einmal genauso treffen würden. Wir beginnen mit Max Gibis (CSU), Manfred Eibl (CWG-FW) und Alexander Muthmann (FDP).
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„Ohne Beschneiung: Leere Hotels und Restaurants“
Warum haben Sie bzw. ihre Fraktionsmitglieder sich in der Kreistagssitzung am 13. Dezember 2021 für die Erneuerung und den Ausbau des Skizentrums Mitterdorf entschieden? Oder anders gefragt: Mit welchen Argumenten erachten Sie den Ausbau als sinnvoll?
Gibis: Wichtig war und ist uns, dass wir mit dem Zentrum in Mitterdorf ein einmaliges Familienskigebiet, als gutes Angebot sowohl für unsere Bürgerinnen und Bürger als auch für unsere Gäste haben, das durch ständige Investitionen in den letzten Jahrzehnten Schritt für Schritt optimiert und modernisiert wurde. Dieses sehr beliebte Angebot wollen wir auch in den nächsten Jahren anbieten. Die weitere Optimierung und Angebotserweiterung – hin auch zu einer Sommernutzung – ist deshalb eine tolle Weiterentwicklung. Ich gehe davon aus, dass wir die Wertschöpfung damit nochmals steigern können und für unsere Bürgerinnen und Bürger und für unsere Gäste ein ganzjähriges Freizeitangebot machen können.
Eibl: Über den Ausbau des Skizentrums Mitterdorf haben wir umfassend diskutiert und uns nach Abwägung aller Anliegen auf eine Umsetzung des Projekts verständigt. Wir wollen im Landkreis FRG einen nachhaltigen Ganzjahres-Tourismus entwickeln. Darauf zielen auch die Investitionsförderungen der Staatsregierung für Seilbahn-Anlagen. Diese würden allerdings trotz der Fördergelder oftmals nicht modernisiert, sondern geschlossen werden, wenn die Einnahmen aus dem Skitourismus ganz ausblieben. Ohne Beschneiung hätten auch wir im Landkreis FRG in der Wintersaison leere Hotels und Restaurants, unsere Skifahrer würden ihr Geld nach Österreich tragen.
Muthmann: Mitterdorf ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Attraktivität des Tourismusstandorts Freyung-Grafenau und der kompletten Bayerwald-Region geht. Zudem dürfen wir den Punkt Naherholung für die Einheimischen nicht vernachlässigen. Dies zu erhalten und weiterzuentwickeln ist ein richtiger Impuls. Mit der künftigen Kombination aus Sommer- und Winterbetrieb in einem schlüssigen Gesamtkonzept wird den sich ändernden klimatischen Rahmenbedingungen Rechnung getragen. Deswegen ist die Modernisierung nach wie vor ein wichtiger Schritt.
„Trend wird auch in den kommenden Jahren so weitergehen“
Hätte der Kreistag dem Projekt nicht rechtzeitig zugestimmt, wären die Fördergelder seitens des Freistaats verfallen: Welche Rolle spielte dabei also der drohende Ablauf der Förderfrist zum Jahresende? Befand man sich in einer Art Drucksituation?
Gibis: Da sich die Verantwortlichen und die Gremien lange Zeit vor der Beschlussfassung mit diesem Thema befasst haben, bestand wegen der Frist kein Zeitdruck mehr.
Eibl: Es gab keinen Grund, die Entscheidung aufzuschieben. Der Ablauf der Förderfrist hat da keine Rolle gespielt.
Muthmann: Grundsätzlich müssen und sollten bei Investitionen in dieser Größenordnung immer die Fördermöglichkeiten auf allen Ebenen ausgelotet werden, weil dies ein Landkreis allein nicht bzw. kaum stemmen könnte. Es geht zudem um ein Projekt, von dem eine ganze Region profitiert. Deswegen war und ist das Thema „Öffentliche Fördergelder“ eine sinnvolle und wichtige Debatte, die geführt werden muss. Eine Drucksituation bestand hier bei dieser Entscheidung nicht.
Wie dem Hog’n gegenüber vor Kurzem ein namhafter Klimaforscher bestätigte, wird es auf einer Meereshöhe von etwa 1.000 Metern binnen der nächsten 30 Jahre eine Temperaturzunahme von 1,3 Grad Celsius geben (im Vergleich zu den vergangenen 30 Jahren). Dies entspricht einer Verschiebung der Schneesicherheitsgrenze um etwas mehr als 200 Metern. Das heißt also, man könne davon ausgehen, dass binnen der nächsten 30 Jahre die Situation, die aktuell am Fuße des Skigebiets vorherrscht, dann rund 100 Höhenmeter unterhalb des Almberg-Gipfels dominieren wird. Wie stehen Sie zu diesen Vorhersagen?
Gibis: Deshalb auch der Schritt hin zur Sommernutzung. Auch vor 20 Jahren wurde gesagt, dass in 20 Jahren das Skifahren bei uns nicht mehr möglich sein wird. Ich kann mich bei jeder größeren Investition in das Skizentrum an diese Diskussionen erinnern – und an immer vorgelegte Studien. Wenn wir damals deswegen auch keine Investitionen mehr getätigt hätten, gäbe es seit Jahren schon kein Skifahren mehr in Mitterdorf. Wenn wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren ein Wintersportzentrum anbieten können, dann haben sich diese Investitionen schon rentiert. Und bis dahin haben wir hoffentlich auch die Sommernutzung soweit etabliert, dass wir einen Ganzjahresbetrieb anbieten können.
Eibl: Es gilt natürlich, dem globalen Klimawandel Rechnung zu tragen. Da er – aufgrund der Fehler der Vergangenheit – wohl trotz aller Bemühungen nicht aufzuhalten ist, treten wir für einen nachhaltigen Ganzjahres-Tourismus ein. Diesen gilt es mit Fachkunde und neuen Ideen zu entwickeln, um – gegebenenfalls auch ohne Schneesicherheit – ein attraktives Urlaubsziel zu bleiben.
Muthmann: Auch im Kreistag sind uns allen die Auswirkungen des Klimawandels bewusst. Der extrem schneearme Winter heuer führt uns dies lediglich noch einmal verstärkt vor Augen. Dieser Trend wird auch in den kommenden Jahren so weitergehen. Auch wenn es wieder schneereiche Winter geben wird, wird insgesamt der Anteil der Sommernutzung weiter zunehmen. Deswegen müssen wir gerade diese Angebote anpassen und sukzessive weiter verstärken.
„Unqualifizierte, ideologische Stimmungsmache“
Kritiker des Projekts sprechen von genereller Geldverschwendung, falscher Subventions- bzw. Förderpolitik, einer falschen Verteilung der Finanzmittel, einer fehlenden Abstützung durch wissenschaftsbasierte Fakten, einer ausgebliebenen Hinzuziehung von Tourismusexperten, von drohendem Personalmangel, generell zu hohen Kosten sowie undurchdachten und nicht umweltverträglichen Umsetzungsvorschlägen. Als Befürworter des Projekts: Was entgegnen Sie jenen kritischen Stimmen?
Gibis: Das ist unqualifizierte, ideologische Stimmungsmache und zeigt, dass sich diese sog. Kritiker nicht im Detail mit dem Thema beschäftigt haben.
Eibl: Die Richtlinien zur Seilbahnförderung sind auf nachhaltigen Ganzjahrestourismus ausgelegt. Naturschutz und Umweltverträglichkeit haben bei den Genehmigungsverfahren großes Gewicht. Auf dieser Basis spricht nichts gegen eine nachhaltige und zukunftsfähige Weiterentwicklung unserer touristischen Freizeit-Infrastruktur.
Muthmann: Wir halten das Konzept mit Ganzjahres-Angeboten für wintersporttechnisch schlechtere Phasen auch für den Zeitraum der nächsten 20 Jahre für richtig. Zudem werden auch wieder Winter kommen, in denen Skifahren mehr und länger möglich ist als aktuell.
Wenn, wie seitens der Klimaforschung prognostiziert, die Winter künftig immer seltener und schneeärmer werden, wird einer Sommernutzung des Areals mehr und mehr Bedeutung zukommen. Reicht das bis dato geplante Sommer-Konzept ihrer Meinung nach aus, um die zu erwartenden Wintereinbußen zu kompensieren?
Gibis: Der Einstieg in die Sommernutzung ist grundsätzlich zu begrüßen. Ob diese Sommernutzung auf Dauer ausreichend ist, kann ich derzeit nicht beantworten. Da werden wir die Entwicklungen in den nächsten Jahren beobachten müssen. Die Zeit bleibt ja nicht stehen.
Eibl: Ja, wenn wir das Konzept lebendig weiter entwickeln.
Muthmann: Ja, weil das aktuell vorliegende Konzept eine gute Symbiose aus verträglicher Sommer- und Winternutzung ist, an dem im Lauf der kommenden Jahre vielleicht immer wieder mal nachgebessert werden muss.
„Damals am Widerstand der CSU-Fraktion gescheitert“
Abschließende Frage: Wenn Sie heute, gut ein Jahr später, noch einmal über Ausbau und Erneuerung des Skizentrums Mitterdorf abstimmen müssten – würden Sie sich noch einmal so entscheiden, wie an jenem 13. Dezember 2021?
Gibis: Da die Investitionen gut überlegt sind, würde ich auch heute dem genauso wieder zustimmen.
Eibl: Ja, an den Entscheidungsgrundlagen hat sich nichts fundamental geändert.
Muthmann: Ja, weil es sich hier um ein wichtiges Projekt mit einem hohen Stellen- und Nutzwert für die Region handelt. Und es ein wichtiger Faktor für die touristische Wertschöpfung ist mit allem, was da an Betrieben und Arbeitsplätzen dranhängt. Es wäre jedoch ein guter Zeitpunkt, zusätzlich einen neuen Anlauf zu nehmen für eine zentral im Landkreis gelegene Schlechtwettereinrichtung mit attraktiven Indoor-Angeboten: Für Touristen und Einheimische, um eine gute, attraktive Alternative zu schaffen für die Freiluft-Möglichkeiten und für milde Winter. Diese Debatte hatte ich zu meiner Zeit als Landrat von Freyung-Grafenau schon im Jahr 2007 angestoßen. Sie ist jedoch damals am Widerstand der CSU-Fraktion im Kreistag gescheitert.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer