Hermannstadt/Herzogsreut. Zeiten ändern sich – Gott sei Dank aus seiner Sicht. Denn in Deutschland fühlte er sich zunächst alles andere als wohl. Der Bayerische Wald stellte für ihn eine vollkommen fremde Welt dar. Er sprach die Sprache nicht, er hatte keine Freunde. Das Heimweh war schrecklich, erdrückend. Zwölf Jahre später ist es genau anders herum. In Herzogsreut (Gmd. Hinterschmiding) hat Patrick Georgescu den Ort gefunden, den er immer gesucht hat. Eine Heimat für sich und seine Familie. Ein Dorf, in dem er gekannt, gegrüßt, akzeptiert und geschätzt wird.
Liebe geht durch den Magen. Dieses Sprichwort ist allseits bekannt und wohl durch unzählige Beispiele belegt. Im Falle des 30-Jährigen muss es aber etwas abgewandelt werden. Bei ihm heißt es: Integration geht durch den Magen. Denn neben dem ein oder anderen Schnapserl und noch mehr Hoiwe Bier hat vor allem seine gastronomische Ader dafür gesorgt, dass er im Grenzort am Haidel mittendrin ist, statt nur dabei. Seit Herbst 2022 betreibt Patrick Georgescu gemeinsam mit seiner Frau Sylwia „Haizhaisan Pizza“. Einmal wöchentlich versorgt er dabei hungrige Mäuler mit italienischen Leckereien.
So viel zum Thema: „Zuwanderer wollen eh nix arbeiten“
„Ja, das stimmt schon“, bestätigt der gebürtige Rumäne, der eine Polin geheiratet hat. „Seitdem ich Pizzabäcker bin, bin ich richtig angekommen.“ Es wurde mit Wohlwollen betrachtet, dass in dem kleinen Örtchen jemanden gibt, der Essen verkauft. Der willkommene Kontrapunkt zum Wirtshaussterben, das auch Herzogsreut längst erreicht hat. Patrick Georgescu ist nicht nur Koch, sondern auch eine Art Dorfwirt – und in dieser Funktion Kummerkasten, Seelsorger und schlichtweg Freund. Mit seinem nebenberuflichen Engagement entkräftet er zudem das latente Vorurteil, Zuwanderer würden nicht arbeiten wollen.
„Gehe ich durchs Dorf, werde ich erkannt und gegrüßt. Sogar der ein oder andere Schmatz ergibt sich. Das ist unglaublich schön und bedeutet mir sehr viel“, freut er sich. Die schwierigen Zeiten, als der 30-Jährige 2012 gemeinsam mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen ist, scheinen nicht vergessen, aber verarbeitet. Sie sind auch ein Grund, warum er nun einfach nur genießt, angekommen zu sein. „Es war schon schwierig damals, ein ganzes Leben zurück zu lassen“, erinnert er sich. Doch für ihn, seinen Papa Constantin und seine Mama Doina stand fest, dass sie das rückständige Rumänien verlassen müssen, um eine bessere Zukunft zu haben.
Umzug nach Herzogsreut – und dann erst einmal Lockdown
Über Kontakte – sein Vater pflegte Geschäftsbeziehungen in die Region – landete die dreiköpfige Familie zunächst in Freyung, genauer gesagt im Ortsteil Geyersberg. Und es gestaltete sich dort vor allem langweilig für den jungen Burschen, der gerade 18 Jahre alt geworden ist. „Arbeiten durfte ich noch nicht, solange ich keinen Integrationskurs gemacht habe. Aber in diesen Kursen wiederum waren die Plätze rar.“ Es dauerte also. Patrick Georgescu legte sich jedoch nicht auf die faule Haut, sondern erkundete die neue Heimat auf eigene Faust. Er lernte die Sprache – erst Bairisch, dann Deutsch – im Alltag. Er jobbte als Aushilfskraft – u.a. in einem Discounter. „Ich wusste immer, dass ich raus muss, unter Leute, um anzukommen und somit respektiert und akzeptiert zu werden.“
Die Mühen haben sich gelohnt. Er lernte seine Frau Sylwia kennen, gründete mit ihr eine Familie und über Aigenstadl und Mauth ging es Ende 2019 schließlich nach Herzogsreut. Nur wenige Wochen später kam Corona, verbunden mit Ausgangsbeschränkungen. Es gibt einfachere Zeiten, um sich der neuen Umgebung bekannt zu machen. Logisch, dass die erste gesellschaftliche Zusammenkunft nach dem ersten Lockdown – das Maibaumaufstellen, das Pandemie-bedingt im September stattgefunden hat – für die Georgescus ein Pflichttermin war. „Ohne jemanden zu kennen, sind wir da hingegangen. Wir wussten, dass wir auf die Dorfbewohner zugehen müssen.“ Am späten, feucht-fröhlichen Abend wusste dann jeder im Dorf, dass die zugezogenen Fremden gar nicht so „zwieda“ sind, wie das ein oder andere Vorurteil besagt.
Eher ein typischer Deutscher als ein typischer Rumäne
Patrick Georgescu kommt sein großes Sprachtalent bei der Integration zugute. Neben Rumänisch spricht er auch fließend Englisch und Polnisch – sowie nun auch Bairisch, was er innerhalb kürzester Zeit gelernt hat. „Nur das Hochdeutsche hat mir Probleme bereitet“, erzählt er spaßeshalber in breitem Dialekt und schmunzelt. Letztlich hat er das B1-Niveau mit voller Punktzahl geschafft. Der 30-Jährige hat sich aber auch fernab der Sprache angepasst – unbewusst. Trifft er frühere Freunde aus Hermannstadt (Sibiu), stellen diese regelmäßig fest, dass er die „typische emotional-rumänische Art“ abgelegt habe. „Sie sagen dann, ich sei ein richtiger Deutscher: eher ruhig, immer pünktlich und diszipliniert.“
Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Aus dem Rumänen wurde ein Waidler. Aus dem Woid-Skeptiker ein Woid-Liebhaber. Trotz aller Verbundenheit zur Region um den Haidel und der Übernahme der für viele Dörfer so charakteristischen Wagenburg-Mentalität, ist Patrick Georgescu stets ein Weltenbürger geblieben, der den Blick über den Tellerrand hinaus wagt.
Gerade als Vertriebsmitarbeiter bei der Max Fuchs AG in Freyung mit Spezialgebiet Osteuropa hat er immerzu das Große und Ganze im Blick. Der junge Mann, seit 2020 mit deutscher Staatsbürgerschaft, ist aber vor allem eins: ein Musterbeispiel für Integration, die keine Einbahnstraße ist, nicht auf dem Reißbrett geplant werden kann, dann aber umso schneller klappt – und vor allem durch den Magen geht…
Helmut Weigerstorfer