Mitterfirmiansreut/ FRG. Dass etlichen Mitgliedern dieser Gesellschaft der Unterschied zwischen (langfristigem) Klimawandel und (aktueller) Wetterlage noch nicht klar geworden ist, beweist der tägliche Blick in die Kommentarspalten der sog. Sozialen Medien. Eine Aussage wie „Scheiß Erderwärmung, heute morgen minus 15 Grad“ ist da nur eines von vielen Beispielen. Doch die Veränderung des Klimas, die Erhitzung der Erde, ist bereits im vollen Gange. Die Klimazonen und somit auch die Schneefallgrenzen verschieben sich. „Das Risiko, dass Investitionen sich nicht amortisieren, wird für den Investor entsprechend immer größer“, warnte jüngst ein namhafter Klimaforscher in Bezug auf den Ausbau von Skizentren in Mittelgebirgslagen wie dem Bayerischen Wald.
Während Max Gibis (CSU), Manfred Eibl (CWG-FW) Alexander Muthmann (FDP), Gerhard Poschinger (JWU), Martin Behringer (CWG-FW) und Renate Ruhland (ödp), ihres Zeichens Fraktionsvorsitzende bzw. -sprecherinnen im FRG-Kreistag, sich klar für die Erneuerung des Skizentrums Mitterdorf positionieren, stimmten in der Sitzung am 13. Dezember 2021 nur die Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen dagegen. Die AfD-Fraktion votierte zu diesem Zeitpunkt zwar geschlossen für das Projekt, hat aber mittlerweile ihre Meinung – zumindest teilweise – dazu geändert, wie Fraktionsvorsitzender Stefan Freudenstein auf Hog’n-Nachfrage bestätigt.
Der Grund für den Meinungswandel: Die Informationslage sei im Dezember noch eine andere gewesen als Ende März 2022, als der Kreistag „endgültig“ das Vorhaben zur Abstimmung brachte, wie Freudenstein erklärt. „Ich habe am 13. Dezember für die Antragsstellung auf Förderung gestimmt – und am 28. März gegen das Projekt, so wie es in dieser überdimensionierten Form dann letztlich dargestellt worden ist. Das war für mich dann nicht mehr zustimmungswürdig.“ Daher hätten sich er und sein Fraktionskollege Uwe Henkel in der März-Sitzung gegen das Vorhaben entschieden, während Norbert Höhenberger und Markus Putz weiter dafür waren bzw. sind. Fraktionszwang habe es keinen gegeben.
Warum die Vorsitzenden Toni Schuberl bzw. Stefan Freudenstein nicht von dem Millionen-Projekt an der bayerisch-tschechischen Grenze überzeugt sind, weshalb sie der Meinung sind, dass die geplante Sommernutzung an der Urlauber-Zielgruppe vorbeigeht – und weshalb beide von einer Drucksituation sprechen, als es vor mehr als einem Jahr zur Abstimmung im Kreistag kam, darüber haben wir uns mit den beiden Regionalpolitikern unterhalten.
______________________
„Ja, eine Drucksituation bestand“
Warum haben Sie, Herr Schuberl, und ihre Fraktionsmitglieder sich in der Kreistagssitzung am 13. Dezember 2021 gegen die Erneuerung und den Ausbau des Skizentrums Mitterdorf entschieden? Herr Freudenstein: Nach ihrem Meinungswandel – mit welchen Argumenten erachten Sie den Ausbau als nicht sinnvoll?
Schuberl: Als grüne Kreistagsfraktion konnten wir keinem Projekt zustimmen, das offensichtlich die Auswirkungen der Klimaerhitzung nicht ausreichend berücksichtigt. Der Eingriff in die Natur und die Summe von 20 Millionen Euro sind zu groß, als dass man ins Blaue hinein planen könne. Zudem schien uns das Konzept der Sommernutzung nicht ausreichend durchdacht und an den bisherigen Zielgruppen vorbeigeplant zu sein.
Freudenstein: Die Kopplung des Projekts an neue Seilbahnen, um an Fördergelder zu gelangen, ist der falsche Weg. Man hätte jede einzelne Investition nach ihrem Sinn beurteilen und nach genauer Betrachtung unter Umständen auch auf die 5,76 Millionen Euro Fördergelder verzichten müssen, die nun an zwei neuen Seilbahnen, Sechser-Sesselbahn (Kostenpunkt 8,4 Millionen Euro) und Vierer-Sesselbahn (3,8 Millionen Euro), als Bedingung geknüpft sind.
Hätte der Kreistag dem Projekt nicht rechtzeitig zugestimmt, wären die Fördergelder seitens des Freistaats verfallen: Welche Rolle spielte dabei also der drohende Ablauf der Förderfrist zum Jahresende? Befand man sich in einer Art Drucksituation?
Schuberl: Ja, eine Drucksituation bestand. Für die zeitliche Enge waren wir nicht verantwortlich. Wir lassen uns von außen nicht unter Druck setzen, wenn es notwendig ist, eine so grundsätzliche Frage sachlich zu behandeln.
Freudenstein: Der Faktor Zeit spielte eine wesentliche Rolle. Der Förderantrag musste bis Ende 2021 gestellt werden, um die Frist einzuhalten. Ohne die Fördergelder wäre das Projekt ohnehin finanziell utopisch. Eigentlich hätte man die finanzielle Utopie bereits erkennen müssen, als die Gesamtkosten von zwölf auf 20 Millionen Euro angehoben wurden. Man hatte den Eindruck, dass etwas durchgepeitscht werden soll.
„Viel zu wenig für die geplanten Investitionen in dieser Dimension“
Wie dem Hog’n gegenüber vor Kurzem ein namhafter Klimaforscher bestätigte, wird es auf einer Meereshöhe von etwa 1.000 Metern binnen der nächsten 30 Jahre eine Temperaturzunahme von 1,3 Grad Celsius geben (im Vergleich zu den vergangenen 30 Jahren). Dies entspricht einer Verschiebung der Schneesicherheitsgrenze um etwas mehr als 200 Metern. Das heißt also, man könne davon ausgehen, dass binnen der nächsten 30 Jahre die Situation, die aktuell am Fuße des Skigebiets vorherrscht, dann rund 100 Höhenmeter unterhalb des Almberg-Gipfels dominieren wird. Wie stehen Sie zu diesen Vorhersagen?
Schuberl: Es ist vom bayerischen Umweltministerium klargestellt worden, dass eine Erhöhung der weltweiten Durchschnittstemperatur um zwei Grad am Ende des Jahrhunderts zu einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur in Bayern von vier Grad führen werde. Für diesen Fall – den wir weltweit deutlich zu überschreiten scheinen – gäbe es noch nicht einmal mehr heimische Baumarten, die forstwirtschaftlich genutzt werden könnten. Dementsprechend scheint mir die Vorhersage für die nächsten 30 Jahre als nachvollziehbar. Von Schneesicherheit brauchen wir da erst gar nicht mehr zu sprechen.
Freudenstein: Der bisherige Winter, fehlender Naturschnee, spricht für die These der zunehmenden Schneeunsicherheit. Das sind schlechte Aussichten für das Skigebiet Mitterdorf. Lange konnte man von 90 Betriebstagen zwischen Mitte Dezember bis Ende März ausgehen. Es ist fraglich, ob man diese Saison überhaupt 50 Betriebstage erreicht – Tendenz fallend. Viel zu wenig für die geplanten Investitionen in dieser Dimension.
Kritiker des Projekts sprechen von genereller Geldverschwendung, falscher Subventions- bzw. Förderpolitik, einer falschen Verteilung der Finanzmittel, einer fehlenden Abstützung durch wissenschaftsbasierte Fakten, einer ausgebliebenen Hinzuziehung von Tourismusexperten, einen drohenden Personalmangel, generell zu hohen Kosten sowie undurchdachten und nicht umweltverträglichen Umsetzungsvorschlägen. Gehen Sie mit diesen Argumenten konform?
Schuberl: Grundsätzlich könnte man über eine Sanierung des bestehenden Skigebiets mit Augenmaß sprechen. Solange es noch irgendwie geht, ist es natürlich sinnvoller, wenn Skifahrer im Bayerischen Wald bleiben, statt in die Alpen zu fahren. Hier wird aber deutlich überzogen. Für ein Viertel der Investitionssumme – abzgl. Förderung – müsste die Gemeinde Philippsreut im Fall einer Insolvenz geradestehen. Diese Gemeinde hat weniger als 700 Einwohner – mit sinkender Tendenz.
Freudenstein: Es gibt genügend gute Gründe gegen das Projekt. In dieser Form, abhängig vom Erwerb neuer Seilbahnen, verbunden mit immensen Kosten, ist es nicht mehr zeitgemäß zu investieren.
„So plant man nicht“
Wenn, wie seitens der Klimaforschung prognostiziert, die Winter künftig immer seltener und schneeärmer werden, wird einer Sommernutzung des Areals mehr und mehr Bedeutung zukommen. Reicht das bis dato geplante Sommer-Konzept ihrer Meinung nach aus, um die zu erwartenden Wintereinbußen zu kompensieren?
Schuberl: Die Sommernutzung erscheint uns an der Zielgruppe der Familienurlauber vorbeizugehen. Hier musste für die Förderung der Seilbahn eine Sommernutzung aus dem Hut gezaubert werden, die zwingend eine Seilbahn braucht. Es wurde also nicht überlegt, welche Sommernutzung wäre ideal für den Standort, sondern welche Sommernutzung in die Fördervorgaben für die Sanierung der Winternutzung passt. So plant man nicht.
Freudenstein: Die Canopy-Tour (Kostenschätzung: 500.000 Euro), ein Vorhaben zur Sommernutzung, wurde bereits verworfen. Als Kreisrat erfuhr man davon nur ganz nebenbei. Damit bricht ein wichtiges Bauteil der Sommernutzung weg, das die Attraktivität als Ausflugsziel im Sommer erhöhen und damit Gäste anziehen sollte. Dass das Gesamtprojekt folglich 500.000 Euro billiger wird, davon hört man natürlich nichts
Abschließende Frage: Wenn Sie heute noch einmal über Ausbau und Erneuerung des Skizentrums Mitterdorf abstimmen müssten – würden Sie sich noch einmal so entscheiden?
Schuberl: Ja, wir dürfen auch weiterhin keinem solchen großen Projekt zustimmen, ohne uns vorher ausreichend über die Auswirkungen der Klimaerhitzung an diesem Standort Gedanken gemacht zu haben. Dafür braucht es Zeit.
Freudenstein: Ich würde wieder gegen die überzogenen Investitionen in ein unzeitgemäßes Skigebiet stimmen. Der Anachronismus zwischen Investitionen und Nutzen ist eindeutig. Still stehende Lifte sind kein Argument für die Anschaffung neuer Lifte. Die Aktionen, die mit Waldvernichtung einhergehen, sind kritisch zu sehen. Gerade der besonders schützenswerte Wald-Bestand sollte unangetastet bleiben.
„Eine Watschn für diejenigen Kreisräte, die…“
Gibt es sonstige Anmerkungen Ihrerseits?
Schuberl: Wir Grünen wollen eine landkreisweite Planung und Finanzierung des Tourismus. Es kann nicht sein, dass jede Gemeinde für sich spekuliert, ohne dass man die gemeinsamen Stärken ausbaut und Synergieeffekte besser nutzt. Wir haben deshalb einen Antrag auf Errichtung eines Zweckverbands Tourismus FRG eingereicht. Dort sollen Zweckverbände wie das Wintersportzentrum Mitterdorf und die Tourismuseinrichtungen Grafenau, aber auch das Karoli-Bad in Waldkirchen eingegliedert werden. Von jeder dieser Einrichtungen profitiert nicht nur eine Gemeinde, sondern der gesamte Kreis.
Freudenstein: Die Transparenz kommt bei diesem einmaligen Millionen-Projekt eindeutig zu kurz. Stockende Grundstücksverhandlungen, die als Gerücht kursieren, begleiten wie ein Damokles-Schwert das Vorhaben. Die Verlagerung der Planungen des Projekts in den Zweckverband ist ein weiterer Beleg für die Intransparenz. Als Kreisrat wird man vor dem nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Zweckverbands vom Landrat des Saales verwiesen. Der öffentliche Teil der Sitzung dauert manchmal nur eine halbe Stunde und enthält keine wesentlichen Informationen. Das ist eine Watschn für diejenigen Kreisräte, die sich ernsthaft mit der Thematik befassen und Informationen erhalten wollen.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer