Freyung-Grafenau. „Unglaublich, unfassbar“, kommentiert etwa stellvertretende Landrätin Hilde Greiner. „Das ist hart an der Grenze zur Anzeige und juristischen Prüfung“, befindet ein anderer. „Gut das wir sonst keine Probleme haben“, schreibt ein weiterer. Der Facebook-Post von FRG-Kreisrat und MdL Toni Schuberl (Die Grünen) sorgt derzeit für rege Diskussionen. Er hatte am Dienstagabend ein Foto auf seinem Privatprofil (für jedermann einsehbar) veröffentlicht, auf dem die Rückansicht eines schwarzen Geländewagens zu erkennen ist. Über den beiden Auspuffrohren prangt jeweils ein Aufkleber mit dem Schriftzug „Alles für Greta“. Das Kennzeichen wurde bis auf die letzten beiden Zahlen unkenntlich gemacht. Diese lauten: „88“.
Toni Schuberls Facebook-Kommentar dazu:
„Mit diesem Auto kam gestern ein AfD-Kreisrat aus Freyung-Grafenau in die Kreistagssitzung.
Wie muss ich das verstehen, wenn dieser ein Nummernschild mit der Ziffer 88 hat? Es mag unbedarfte, unpolitische Menschen geben, die versehentlich diese Zahl gewählt haben. Bei Vertretern einer rechtsextremen Partei gehe ich davon aus, dass es kein Zufall war, sondern als Symbol für „Heil Hitler“ gedacht ist.
Und wie muss ich dann interpretieren, was damit gemeint ist, wenn er die giftigen Abgase seines Auspuffs für „Greta“ vorgesehen hat? Will er sie vergasen, oder was?“
„Auf die Zahl hab ich keinen Einfluss“
Der Besitzer des Wagens (Marke: KIA „Sportage“) ist Uwe Henkel, eines von vier AfD-Mitgliedern im 2020 neu gewählten Freyung-Grafenauer Kreistagsgremium. Uwe Henkel ist zudem als Beisitzer im Vorstand des AfD-Kreisverbands Passau aktiv, wohnt in Großwiesen in der Gemeinde Röhrnbach und ist beruflich bei der Firma Knaus-Tabbert in Jandelsbrunn tätig.
„Das ist mein Auto“, bestätigt Henkel auf Hog’n-Nachfrage – und ergänzt sogleich: „Ich habe mir die 88 nicht ausgesucht. Die ist mir vom Landratsamt zugeteilt worden.“ Er habe die Nummer bereits seit dem Jahr 2005/2006, ganz genau könne er das nicht mehr sagen. „LH“, die beiden Buchstaben vor der „88“, wurden laut Henkels Aussage seitens der Behörde wunschgemäß den Initialen seiner Tochter entsprechend berücksichtigt. „Aber auf die Zahl hab ich keinen Einfluss“, betont er nochmals. „Und wenn der Herr Schuberl so schizophren ist, in jede Zahl irgendeine Bedeutung hinein zu schustern, dann wären wohl die Hamburger alles Nazis“, fügt Henkel an.
Er habe mit rechtem Gedankengut überhaupt nichts zu tun – „wie die gesamte AfD“, insistiert der Neu-Kreisrat weiter. „Wir sind keine Nazis – und Nationalsozialisten schon dreimal nicht. Davon distanzieren wir uns total.“ Auf sein aktuelles (ebenfalls öffentlich einsehbares) Facebook-Profilbild angesprochen, das ihn u.a. gemeinsam mit Andreas Kalbitz, dem aufgrund seiner rechtsextremen Vergangenheit als Mitglied der inzwischen verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) Ex-Landesvorsitzenden der AfD-Brandenburg, zeigt, erklärt Uwe Henkel: „Das ist ein Foto vom Bundesparteitag in Braunschweig mit Andreas Kalbitz und Nicole Höchst.“
Kalbitz sei zwar momentan von der Partei ausgeschlossen, doch juristisch ist der Ausschluss Henkel zufolge noch nicht abschließend geklärt. „Ich bin kein Jurist – aber mit rechtem Gedankengut hab ich überhaupt nichts am Hut.“ Kalbitz habe er noch nie als rechtsradikal eingestuft – „im Gegenteil“. Was dieser in seiner Jugend gemacht hat, wisse er nicht – damit müssten sich die Gerichte auseinander setzen.
„Herr Henkel hat bei mir angerufen…“
In Sachen Greta-Sticker verweist Henkel zunächst auf einen weiteren Aufkleber am Heck seines Fahrzeugs, auf dem zu lesen ist: „Hier wird Diesel noch mit Liebe verbrannt.“ Damit wolle er seine Verbundenheit zur Diesel-Technologie zum Ausdruck bringen. Als bekennender Diesel-Fahrer möchte er der demonstrierenden Greta Thunberg weiterhin einen Grund dafür liefern, der Schule fern zu bleiben. „Also hau ich CO2 raus – sonst hätte die Frau doch gar keinen Grund mehr Schule zu schwänzen. Das ist Sarkasmus!“ Seiner Meinung nach führe, wenn es um die Effizienz gehe, am Diesel kein Weg vorbei. Es gebe dazu im Moment noch keine Alternative. Zudem würden am Diesel-Motor noch zu viele Arbeitsplätze in Deutschland hängen.
„Herr Schuberl wenn sie mich in ihrem Nazi- wahn schon definieren wollen, informieren sie sich bitte, diese Nummer wurde mir durch das Landratsamt zugeteilt“, hat sich Henkel inzwischen selbst in der Kommentarspalte unter dem Post des Grünen-Abgeordneten zu Wort gemeldet – u.a. mit einem Gefällt-mir-Daumen von seinem Parteikollegen und AfD-Landtagsabgeordneten Ralf Stadler versehen.
Toni Schuberl erklärt dazu wiederum öffentlich per Nachtrag vom 29. April:
„Herr Henkel hat bei mir angerufen und mir gegenüber erklärt, dass es sich zwar um ein Wunschkennzeichen gehandelt habe, das mit der Zahl jedoch ein Zufall war. Seinen Wunsch, den Post zu löschen, habe ich abgelehnt, da ich meine persönliche Interpretation weiterhin aufrechterhalte. Es erscheint mir als ein zu seltener Zufall, dass jemand, der auf seiner Seite Andreas Kalbitz und den Faschisten Björn Höcke unterstützt, ganz versehentlich bei einem Wunschkennzeichen diese Nummer nimmt. (…)“
Nachfrage bei der Kfz-Zulassungsstelle
Auf der „Wunschkennzeichen-Webseite“ für den Landkreis Freyung-Grafenau ist folgender Hinweis zu lesen: „Für Ihr Kennzeichen können Sie grundsätzlich die Buchstaben und Ziffern in jeder beliebigen Kombination zusammenstellen, ausgenommen sind jedoch die unzulässigen Buchstaben-Kombinationen HJ, KZ, NS, SA, SS.“ Kombinationen wie FRG-XY-88 werden generell freigegeben, wie man auf Hog’n-Nachfrage bei der Kfz-Zulassungsstelle am Landratsamt Freyung-Grafenau mitteilt. Lediglich Kombinationen wie FRG-HH-88 oder FRG-AH-88 etc. seien grundsätzlich gesperrt.
Sollte man sich beim Wunschkennzeichen lediglich für die Auswahl der Buchstaben-Kombination (z.B. Initialen „LH“) nach dem sog. Unterscheidungskennzeichen für den Verwaltungsbezirk der Zulassungsbehörde (in diesem Fall: FRG) entscheiden, werden einem automatisch dreistellige Ziffernkombinationen in numerisch aufsteigender Reihenfolge zugewiesen.
Möchte man eine einstellige oder zweistellige Ziffernkombination am Ende des Kennzeichens haben, könne man in der betreffenden Online-Maske ein bzw. zwei Fragezeichen eingeben, danach werden einem die aktuell verfügbaren einstelligen bzw. zweistelligen Ziffernkombinationen vom System in aufsteigender Reihenfolge vorgeschlagen. Diejenige vom System vorgeschlagene Kombination, die einem am ehesten zusagt, könne im Anschluss angeklickt, ausgewählt und somit reserviert werden. Das heißt also: Die Kennzeichen-Kombination wird im Fall ein- bzw. zweistelliger Ziffern nicht automatisch zugewiesen, sondern man kann laut Kfz-Zulassungsstelle selbst aus einem systemisch vorgeschlagenem Pool sein Wunschkennzeichen auswählen.
Wie sich die Lage in Sachen Wunschkennzeichen vor rund 15 Jahren, als es noch keine digitale Form der Kennzeichen-Reservierung gab, dargestellt hat, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.
Stephan Hörhammer
Wer solche aussagekräftige Aufkleber für sein Auto wählt, soll ausgerechnet beim Nummernschild ganz „zufällig“ zu einer solchen Nummernkombination gekommen sein??!
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dumm sein und dumm stellen?