Freyung-Grafenau/Passau. Was für ein Wahlabend, in der Freude, Frust und Enttäuschung einmal mehr ganz eng beisammen lagen (hier die Ergebnis-Übersicht). Während in den Bayerwald-Stimmkreisen 205 und 207 die CSU-Direktkandidaten Stefan Ebner und Josef Heisl erwartungsgemäß die Oberhand behielten und in den Landtag einziehen werden, wird bei den Vertretern der Freien Wähler um Martin Behringer und Roswitha Toso noch um dieses Ziel gebangt. Für die AfD-Politiker Oskar Atzinger und Ralf Stadler könnte es am Ende ebenfalls reichen, während Toni Schuberl und Jutta Koller von den Grünen wohl nicht im Parlament vertreten sein werden. Definitiv nicht (mehr) in München dabei sind Alexander Muthmann und Andreas Trapp (FDP), genauso wie Christian Flisek und Josef Süß (SPD). Doch es bleibt spannend…
… denn bis zum Montagabend, wenn dann auch alle Zweitstimmen in ganz Bayern ausgezählt sind, steht erst tatsächlich fest, wer letztlich noch einen Platz in Bayerns höchstem politischen Gremium ergattern wird. Da Hog’n hat sich am Sonntagabend und Montagvormittag bereits mit einigen (erreichbaren) Direktkandidaten aus den Bayerwald-Stimmkreisen darüber unterhalten, wie sie auf das Gesamtergebnis der bayerischen Landtagswahl 2023, das Ergebnis ihrer Partei sowie ihr persönliches Wahlergebnis blicken:
Statements der Direktkandidaten aus dem Stimmkreis 205
Josef Heisl (32,8 Prozent der Erststimmen): „Grundsätzlich kann man mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein, insbesondere wenn man sich den Ausgang der Zweitstimmen anblickt. Dies alles zeugt von einer deutlichen Zustimmung für den Kandidaten Josef Heisl. Ausschlaggebend dafür war meine stete Präsenz – nicht nur die letzten Monate vor der Wahl, sondern die vergangenen Jahre über als Bezirksrat in allen Gemeinden und auch in der Stadt Passau. Im Wahlkampf hab ich auch sehr viel im Bereich der Sozialen Medien gemacht. Ich hatte mehr als eine Million Zugriffe auf meine Videos. Das Gesamtpaket war entscheidend.
Mit dem Abschneiden der CSU in Bayern kann man einigermaßen zufrieden sein. Freilich hätte man sich ein besseres Ergebnis gewünscht. Doch angesichts der Gesamtlage und der Tatsache, dass auch die AfD bei uns sehr stark war, muss man das Ergebnis so hinnehmen und die nächsten Jahre gute Arbeit leisten.
Ab November geht’s dann nach München, wir haben jetzt die erste Niederbayern-Runde, Dienstag folgt die erste Fraktionssitzung mit Wahl des Fraktionsvorsitzenden. Am 30. Oktober findet dann die erste Landtagssitzung mit der Wahl des Ministerpräsidenten statt. In dieser Zeit muss ich u.a. meine Wohnsituation organisieren – ich werde eine Wohnung in München nehmen -, genauso das Stimmkreis-Büro. Es warten große Aufgaben.“
Roswitha Toso (19,6 Prozent der Erstimmen): „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, aber die Zweitstimmen müssen ja noch ausgezählt werden. Man hat gesehen, wie stark die Freien Wähler in der Fläche sind. Gott sei Dank, dass es die Freien Wähler in Bayern gibt, weil sonst hätte die AfD wohl noch besser abgeschnitten. Wir haben sieben Sitze in Niederbayern geholt. Jetzt bleibt’s spannend, ob auch ich einen davon bekommen werde.“
Andreas Trapp (1,9 Prozent der Erststimmen): „Die FDP hat ihre Ziele nicht erreicht. Das hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet. Trotzdem hätte ich mir, gerade aufgrund der ermutigenden Zahlen der U18-Wahl, mehr erhofft. Gefreut habe ich mich über die vielen Zweitstimmen aus Freyung-Grafenau und die Erststimmen in Passau (Stadt).“
Jutta Koller (7,4 Prozent der Erststimmen): „Mein großer Dank an all die Menschen, die mir ihre Stimme gegeben haben. Ich bin auf Listenplatz fünf angetreten, den ich dank der vielen Stimmen der Wählerinnen und Wähler, die mich und somit uns Grüne gewählt haben, halten konnte. Das freut mich sehr und gibt viel Energie, um mich weiterhin für unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort einzusetzen. Das ist eine starke Stimme für Klimaschutz, für ein gutes Miteinander und für unsere Demokratie. Großen Dank an all die Menschen, die uns Kandidierende in den letzten Monaten unterstützt und begleitet haben und dieses Ergebnis mit ermöglicht haben. Wir sind im Landtag weiterhin mit zwei Mandaten aus Niederbayern vertreten. Das ist eine starke Stimme für unsere Region.“
Christian Flisek (7,9 Prozent der Erststimmen): „Das Ergebnis für die SPD in Bayern und besonders in Niederbayern ist katastrophal. Ich habe den Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag leider verpasst. Meine Tätigkeit als Abgeordneter im Stimmkreis Passau-Ost endet damit am 30. Oktober dieses Jahres. Sehr gerne hätte ich mich weiter in München für unsere Passauer Heimatregion stark gemacht. Ich bin überzeugt, es braucht die Sozialdemokratie in Bayern und es wird uns wieder gelingen, die Menschen für unsere Ideen zu gewinnen. Bis dahin heißt es: Mund abputzen und weitermachen!“
Statements der Direktkandidaten aus dem Stimmkreis 207
Stefan Ebner (34,2 Prozent der Erststimmen): „Allen Wählerinnen und Wählern im Stimmkreis danke ich sehr, dass sie mir das große Vertrauen geschenkt haben. Ich darf jetzt als Direktabgeordneter unsere Heimatregion vertreten. Mit meinem Erststimmenergebnis von 34,2 Prozent im Stimmkreis bin ich sehr zufrieden – auch im Vergleich zu den Zweitstimmen. In absoluten Stimmen ist das Erststimmenergebnis fast gleich zu 2018.
In diesen Tagen analysieren wir natürlich auch das Ergebnis im Detail. Klar ist: Die Freien Wähler haben durch die Flugblatt-Affäre von Aiwanger bei dieser Wahl einen deutlichen Schub bekommen. Und solange das Migrationsthema nicht endlich gelöst und die illegale Migration gestoppt wird, wird der gestiegene Zuspruch zur AfD anhalten.
Jetzt geht die Arbeit im Landtag dann richtig los. Heute ist bereits die erste Fraktionssitzung der CSU mit den neuen Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Wir sind 29 neue Abgeordnete in der CSU-Fraktion – so eine breite Erneuerung hat es noch nie gegeben. Und es sind sehr viele gute neue Mitglieder in der Fraktion. Ich freue mich, jetzt als Direktabgeordneter vollen Einsatz zu geben für den Bayerischen Wald!“
Martin Behringer (23,0 Prozent der Erststimmen): „Ich bin sehr froh über dieses Wahlergebnis und auch stolz, dass ich so viele Stimmen bekommen habe. Es waren bei den Erststimmen rund zehn Prozent mehr als bei der letzten Landtagswahl. Ich hoffe, dass ich Platz zwei erreichen werde. Es wäre generell gut, wenn im Wahlkreis nicht die AfD auf Platz zwei stünde, sondern die Freien Wähler. Ich hoffe, dass ich zusammen mit den Zweitstimmen in den Landtag einziehen kann und unseren Land- bzw. Wahlkreis in München vertreten darf. Es freut mich sehr, dass ich viele Gemeinden in der Region gewinnen konnte – der Landkreis FRG ist nahezu ausschließlich orange. Das ist eine Bestätigung dafür, dass ich einen guten Wahlkampf gemacht habe.“
Alexander Muthmann (6,9 Prozent der Erststimmen): „Der Wahlausgang ist aus Sicht der FDP enttäuschend, wenngleich nicht überraschend. Mein persönliches Ergebnis ist ganz respektabel und ich kann damit auch ganz gut leben. Wir sind – wie auch Grüne und SPD – vom Bundestrend getroffen und von der Bundespolitik ein Stück weit bestraft worden. Die Idee, auch landespolitische Themen zu diskutieren, ist leider gar nicht aufgegangen. Die Bundespolitik war zu dominant.
Dass die FDP so schlecht abgeschnitten hat, bereitet mir insgesamt etwas Sorge, weil ich überzeugt davon bin, dass die vielen Probleme, die wir gesellschaftlich vor uns haben – Klima, Flüchtlinge, der völlig überbordende Staat etc. – nicht allein zu lösen sind, wenn man sich zurücklehnt und sagt: Politik, mach mal! Sondern es kommt in Zukunft wieder mehr auf jeden einzelnen an. Sowohl auf die Leistungsbereitschaft eines jeden Einzelnen, als auch auf einen schlankeren Staat, um die wirklichen Probleme zu lösen.
Es geht um Eigenverantwortung – und es muss uns besorgen, dass vor allem die Populisten gewonnen haben, die viel versprechen, jedoch ohne dabei Lösungen aufzuzeigen. Das gilt vor allem für die AfD, die einen erfolgreichen Neid- und Angstwahlkampf geführt hat, ohne Perspektiven zu nennen. Das gilt ein Stück weit auch für die Freie Wähler und Hubert Aiwanger, der ja auch dem Volk sehr nach dem Munde redet – und damit auch Erfolg hatte. Dass die Flugblatt-Affäre die Freien Wähler noch einmal um vier Prozent gepusht hat, ohne dass hierbei substanziell irgendein Politikangebot verändert oder verbessert wäre, macht deutlich, dass nicht Sachpolitik die Dinge entscheidet, sondern dass Stimmungen maßgeblich sind. Dies hat eine Signalwirkung, die man diskutieren muss – nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin.
Wie geht’s nun mit mir weiter? Meine hauptamtliche politische Karriere hat jetzt ein Ende. Ich bin ab Ende Oktober nicht mehr Abgeordneter, sondern eher Privatier – und kann das in meinem Alter, mit 67, durchaus auch machen. Dass ich mir die ein oder andere Aufgabe noch suche, steht an. Diese Suche hat bereits begonnen, ist aber noch nicht beendet. Ich kann mir durchaus auch ein gelungenes Leben ohne politisches Mandat vorstellen. Ich habe gut 20 Jahre hauptamtlich Politik gemacht – mit allen spannenden Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Es waren viele schöne Dinge dabei. Ich habe schon einmal eine Wahl verloren als Landrat, wie wir wissen. Das war freilich weniger schön. Aber auch das lehrt Demut – und dass es immer wieder neue Wege geben kann. Ich bin nicht am Boden zerstört – schon alleine deswegen nicht, weil man sich darauf einstellen konnte. Kommunalpolitisch werde ich die aktuelle Periode als Stadt- und Kreisrat noch vollenden.“
Toni Schuberl (4,5 Prozent der Erststimmen): „Das Abschneiden der Grünen in Bayern würde ich mit einem Blauen Auge betiteln. Bei dem Wahlkampf gegen uns, bei dem CSU bis AfD alle gemeinsam eine Linie verfolgt haben gegen die Grünen, hätte es schlimmer ausgehen können. Mein persönliches Ergebnis in Freyung-Grafenau ist desaströs. Ursächlich dafür ist die Lage im Stimmkreis, der für uns Grüne wohl der schwierigste überhaupt ist. Andererseits ist es wohl auch an mir persönlich gelegen: Aus meiner Sicht habe ich zwar eine sehr gute Landtagsarbeit gemacht, habe viel Zeit investiert und war aus meiner Sicht auch sehr erfolgreich. Aber der Kontakt zu den Bürgern vor Ort hat gefehlt – ich bin ganz bewusst auf keine Volksfeste gegangen, keine Starkbieranstiche, Vereinsjubiläen und Firmenfeiern, weil ich die Zeit benötigt habe für meine Arbeit und meine Familie. Dann fehlt natürlich der Kontakt zu den Bürgern und es kommt bei ihnen nicht an, was man macht. Das war die Quittung.
Besonders schockiert bin ich über die Ergebnisse der AfD. Ich kann nicht verstehen, wie Menschen eine rechtsextreme und rassistische Partei wählen können. Das ist kein Spiel, sondern wird konkrete Auswirkungen haben. Bei uns haben bereits jetzt Menschen mit Migrationshintergrund, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Obdachlose und Progressive zunehmend Angst, angegriffen zu werden. Uns Grünen wurde an Wahlständen mehrfach von AfD-Anhängern ins Gesicht gesagt, dass wir „getötet“, „erschossen“, „gehängt“ oder „ausgerottet“ gehören. In Passau wurde uns auf dem Ludwigsplatz öffentlich zugerufen, wir sollten „vergast“ werden. Diese Stimmen werden mit diesem Rückenwind der AfD nun lauter werden. Und aus Worten wurden bereits Taten, so ist ein Stein auf unsere Spitzenkandidaten geworfen worden. Ich hoffe sehr, dass die demokratischen Fraktionen nun endlich gemeinsam gegen Rassisten und Gewalttäter vorgehen und dafür sorgen, dass sich in Zukunft keine Gruppe in unserer Bevölkerung mehr fürchten muss.
Bis Ende Oktober bin ich definitiv noch Abgeordneter. Unser Hauptwahlziel in Niederbayern, zwei Mandate in München zu behalten, haben wir aufgrund eines Ausgleichsmandats erreicht. Es wird nun spannend werden: Der Grünen-Kandidat Johannes Hunger hat in Landshut ein sehr gutes Ergebnis in einem starken Stimmkreis eingefahren. Ich hingegen habe das schwächste Ergebnis in einem schwachen Stimmkreis geholt. Es wird darum gehen, dass ich mit den Zweitstimmen in Niederbayern so viele Stimmen hole, dass ich auf Platz zwei bleibe – oder ich rutsche auf Platz drei.“
Josef Süß (3,8 Prozent der Erststimmen): „Nun, ich bin entsetzt, wie der Freistaat Bayern in Gänze gewählt hat. Ich bin schockiert, wie wenig die sozialpolitischen Themen Anklang in der Gesellschaft gefunden haben. Ich bin sprachlos, wie eine bürgerlich-mitte-rechts Mehrheit mit Populismus und Weiter-so auf so viel Zuspruch kommt.
Für mich und meine Stimmen in Regen/FRG kann ich jedoch sagen: Danke an die, die an mich und die SPD geglaubt haben und weiterhin glauben! Natürlich wäre mir ein zweistelliges Ergebnis lieber. Natürlich hätte ich gern mehr Stimmen gehabt. Nichtsdestotrotz bin und bleibe ich ein Kommunalpolitiker, der sich vor Ort in der Kommune und in der Region für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzt.“
Oskar Atzinger (22,8 Prozent der Erststimmen): „Über meinen Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag freue ich mich natürlich sehr. Durchaus mit Stolz erfüllt mich, dass ich im Stimmkreis Regen/Freyung-Grafenau prozentual das zweitbeste Ergebnis für die AfD aller 91 bayerischen Stimmkreise erzielen konnte. Ich hoffe, dass ich im Bildungsausschuss meine begonnene Arbeit fortsetzen kann.“
Stephan Hörhammer