Thurmansbang. Als Lokalpolitiker gehört er mittlerweile zu den Alteingesessenen, seit mehr als 20 Jahren leitet Martin Behringer als erster Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Thurmansbang. Er kann als Rathaus-Chef gestalten, lenken und Anordnungen treffen. Im Maximilianeum in der Max-Planck-Straße, wo Bayerns höchstes Parlament seinen Sitz hat, wäre er hingegen einer von vielen. Ein Umstand, der ihn dennoch nicht von seinem Ziel abhält.
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, gibt Martin Behringer als Lieblingszitat an, das ursprünglich von Martin Luther stammt und wohl dessen Optimismus zum Ausdruck bringen soll. Der 50-Jährige hat sich dazu entschlossen, als Direktkandidat der Freien Wähler im Stimmkreis 207 am 8. Oktober die große Polit-Arena in München zu betreten – sofern er genügend Stimmen seitens der Wählerschaft erhält. Der gelernte Bäcker und Konditor, der in seiner Freizeit gerne wandert und mit dem Rad fährt, geriert sich dabei ganz und gar als hemdsärmeliger Pragmatiker, der von den Technokraten nichts wissen will, wie er im folgenden Hog’n-Interview verlautbart.
„Tut dem Landtag gut: unbürokratisch und effektiv“
Herr Behringer: Von der kommunalpolitischen Ebene hinauf in den Landtag, so lautet ihr Ziel. Warum möchten Sie die lokale Polit-Bühne verlassen? Warum streben Sie nach Höherem?
Weil ich der Meinung bin, dass es genug Technokraten gibt. Wir brauchen in unseren Parlamenten endlich wieder mehr Praktiker, die es gewohnt sind, schnelle und pragmatische Lösungen zu finden – und diese auch umzusetzen. Diese Handlungsperspektive tut dem Landtag mit Sicherheit gut: unbürokratisch und effektiv! Mit dieser Haltung möchte ich die bürgerliche Mitte mit den Freien Wählern Bayern in München vertreten.
Was möchten Sie im Falle des Einzugs ins Parlament gerne als Landtagsabgeordneter für die Menschen im Bayerischen Wald erreichen/ umsetzen?
Sollte ich gewählt werden, wird es meine oberste Priorität sein, mich für die Anliegen und Bedürfnisse der Menschen im Bayerischen Wald einzusetzen. Die Kommunen bilden das Fundament unserer Gesellschaft und spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung lebenswerter Umgebungen für die Bürgerinnen und Bürger. Als Bürgermeister, der seit 21 Jahren im Amt ist, verstehe ich die täglichen Herausforderungen, mit denen die Gemeinden konfrontiert sind, und biete daher den Gemeinden und Landkreisen meine uneingeschränkte Unterstützung an.
Die Finanzausstattung der Kommunen ist ein zentraler Faktor für ihre Handlungsfähigkeit. Insbesondere in Gebieten wie dem Bayerischen Wald ist es von besonderer Bedeutung, sicherzustellen, dass die Gemeinden ausreichende Ressourcen haben, um nicht nur ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Der Kommunale Finanzausgleich in Bayern ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch es bedarf stetiger Überprüfung und Anpassungen, um sicherzustellen, dass er den aktuellen Bedürfnissen gerecht wird.
Die Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit ist ebenfalls von großer Bedeutung. Gemeinden sollten die Möglichkeit haben, Ressourcen zu teilen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten, um Effizienzsteigerungen zu erzielen und Kosten zu senken. Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Zusammenarbeit finanziell unterstützt und ausgebaut wird, um den Kommunen zu helfen, ihre laufenden Aufgaben besser zu bewältigen und ihre finanzielle Belastung zu verringern.
Bei Entscheidungen im Landtag, die den Bayerischen Wald betreffen, werde ich mich dafür einsetzen, dass die Region angemessen berücksichtigt wird. Das kann sowohl bei Strukturhilfen wie der Verlagerung von Behörden als auch bei der Verteilung von Fördermitteln der Fall sein. Der Bayerische Wald verdient es, von diesen Maßnahmen zu profitieren und seine positive und zukunftsfähige Entwicklung voranzutreiben.
Insgesamt werde ich mich dafür einsetzen, dass die Gemeinden im Bayerischen Wald die Unterstützung und die Ressourcen erhalten, die sie benötigen, um eine hohe Lebensqualität für ihre Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
„Bedeutet nicht, in einer Opferrolle zu verharren“
Ihr Slogan lautet: „Im Landtag fürs Land“. Demnach sehen Sie die ländlichen Regionen gegenüber den städtischen benachteiligt. Warum ist das so? Und: Begibt man sich so nicht auch in eine gewisse Opferrolle?
Mein Slogan „Im Landtag fürs Land“ zeigt mein Bestreben, die Interessen und Anliegen der ländlichen Regionen genauso stark zu vertreten wie es die städtischen Gebiete tun. Es ist nicht so, dass ich die ländlichen Regionen als benachteiligt ansehe, sondern vielmehr, dass ich sicherstellen möchte, dass unsere Stimmen und Bedürfnisse in politischen Entscheidungsprozessen angemessen berücksichtigt werden.
Die Formulierung „Im Landtag fürs Land“ drückt keine Opferrolle aus, sondern vielmehr den Willen, eine ausgewogene Entwicklung zu fördern. Es geht darum, sicherzustellen, dass alle Regionen eines Landes gleichermaßen von politischen Entscheidungen profitieren können. Das Streben nach Gleichbehandlung und Chancengleichheit bedeutet nicht, in einer Opferrolle zu verharren, sondern es geht um die Schaffung eines gerechteren und inklusiveren Umfelds.
Meine Bemühungen sind eng mit den Zielen des Landesentwicklungsplans (LEP) verbunden, der eine gleichwertige Lebensqualität und Arbeitsmöglichkeiten in allen Teilen des Landes anstrebt. Manchmal ist es notwendig, an diese Ziele zu erinnern und sicherzustellen, dass sie aktiv verfolgt werden. Letztendlich geht es darum, das volle Potenzial jeder Region auszuschöpfen und sicherzustellen, dass keiner zurückgelassen wird. Dies ist ein wichtiger Schritt, um eine inklusive und nachhaltige Entwicklung aufrechtzuerhalten.
Haben Sie sich bei ihrem scheidenden Vorgänger Manfred Eibl bereits darüber informiert, wie es im „Haifischbecken“ bayerischer Landtag zugeht? Was rät er ihnen?
Ich habe mich bisher noch nicht mit Manfred Eibl darüber ausgetauscht. Es ist sicherlich eine spannende und herausfordernde Umgebung, in der viele politische Interessen aufeinandertreffen. Wir haben vereinbart, dass wir uns über die Besonderheiten und Nuancen der politischen Arbeit austauschen werden, sollte ich den Einzug in den Landtag schaffen. Sollte es so sein, ist es mir aber wichtig, von seinen Erfahrungen und Einblicken zu profitieren, damit ich mich erfolgreich in dieser Umgebung bewegen kann.
Aiwanger: „Er hat zu oft den Finger in die Wunde gelegt“
Was möchten Sie anders machen als ihr potenzieller Vorgänger?
Ich verfolge meine eigenen Ansätze und bringe meine eigenen Ideen und Visionen für unsere Heimat ein – stets in der Hoffnung, dass unsere Region und ihre Bürgerinnen und Bürger davon profitieren können. In den letzten fünf Jahren hat Manfred Eibl ausgezeichnete Arbeit für unsere Region geleistet – und ich schätze seine Verdienste außerordentlich. Dennoch habe ich meine eigenen Ziele und Schwerpunkte. Ich werde hart dafür arbeiten, die positiven Entwicklungen fortzusetzen und gleichzeitig neue Ideen und Perspektiven einbringen.
Hubert Aiwanger, ihr Chef, stand zuletzt immer wieder mal in den (meist negativen) Schlagzeilen. Wäre er ein besserer Ministerpräsident als Markus Söder?
Ich bin der Meinung, dass Hubert Aiwanger bislang eine hervorragende Arbeit als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister geleistet hat. Ob er letztendlich der bessere Ministerpräsident als Markus Söder wäre, ist eine Frage, die von den Wählern beantwortet werden muss. In einer Demokratie liegt es an den Bürgern, durch ihre Stimmen zu entscheiden, wer am besten geeignet ist, unser Bundesland zu führen.
Wie betrachten Sie die „Flugblatt-Affäre“ um Hubert Aiwanger?
Ich muss erst anmerken, dass man – wenn man genug gräbt – bei jedem irgendeine Jugendsünde aus dem Hut zaubern kann. Zum anderen finde ich es sehr befremdlich, dass man mit solchen Vorwürfen, die 35 Jahre zurückliegen, sechs Wochen vor einer Wahl kommt. Und zum zweiten hat sich Hubert Aiwanger niemals, auch nicht in all den persönlichen Gesprächen mit mir, antisemitisch geäußert und sich nach meiner Ansicht auch eindeutig von dem Inhalt dieses unsäglichen Flugblattes distanziert. Wahrscheinlich hat er zu oft den Finger in die Wunde gelegt, was vielen natürlich nicht gepasst hat.
Natürlich gibt es verschiedene Meinungen zu diesem Thema, aber die meisten sehen es als Schmutzkampagne, die man jetzt kurz vor der Wahl ausgegraben hat. Viele sagen: ‚Gibt’s keine anderen Probleme, um die man sich kümmern muss?‘ Was natürlich auch viele sagen: ‚Man will nur von den eigenen Versäumnissen und Fehlen ablenken.‘ Es wird Zeit, dass wir uns wieder um wichtigere Themen und Probleme kümmern – und nicht im Müll vor 35 Jahren wühlen.
„Anliegen von unten nach oben tragen“
Wie sehen Sie das Erstarken der AfD und den konstant großen Rückhalt dieser Partei in der Bevölkerung des Bayerischen Waldes? Und: Was muss passieren, dass die Waidler mehr Freie Wähler wählen?
Das Erstarken der AfD ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Einer der Hauptgründe dafür ist wahrscheinlich das Gefühl vieler Menschen, sich abgehängt und nicht mehr ausreichend vertreten zu fühlen. Die Gründe sind vielfältig, wie z. B. wirtschaftliche Unsicherheit, kulturelle Veränderungen oder ein genereller Vertrauensverlust in etablierte Parteien. Ein weiterer Punkt sind die Skandale und Schlammschlachten wie die sog. Flugblattaffäre. Genau solche Vorfälle erschüttern das Vertrauen der Bürger in die Politik.
In Bezug auf die Freien Wähler und die Frage, wie sie mehr Unterstützung von den Wählern gewinnen können, möchte ich die Bedeutung von Politikern betonen, die aus der Basis kommen und die Interessen und Anliegen der Bürger im Parlament vertreten. Die Stärke der Freien Wähler liegt in ihrer kommunalpolitischen Erfahrung und ihrer Nähe zur Basis.
Dieser direkte Draht zu den Bürgern ermöglicht es uns besser zu verstehen, was vor Ort benötigt wird, um entsprechende politische Maßnahmen zu ergreifen. Wichtig ist, dass die Wähler die Stärken der Freien Wähler und ihr Potenzial als Alternative zu etablierten Parteien erkennen. Um mehr Wähler zu gewinnen, müssen wir Freie Wähler uns weiterhin an der Basis engagieren, die Anliegen der Bürger ernst nehmen und klare, umsetzbare politische Programme und Lösungsansätze aufzeigen und entwickeln sowie die Anliegen und Herausforderungen der Menschen von unten nach oben zu tragen.
„Es ist an der Zeit, die Kluft zu überbrücken“
Nicht wenige sagen, dass die „große Politik“, also auch die in München, ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Wie sehen Sie das? Und: Was werden Sie als möglicher Landtagsabgeordneter dagegen unternehmen?
Es ist tatsächlich ein weitverbreitetes Gefühl, dass die „große Politik“ an Glaubwürdigkeit verliert. Dies betrifft nicht nur die Politik in München, sondern auch auf nationaler und internationaler Ebene. Viele Menschen haben das Gefühl, dass Entscheidungen und Handlungen von Politikern und Politikerinnen nicht transparent sind – und dass sie von den Bedürfnissen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger entkoppelt sind.
Als möglicher Landtagsabgeordneter sehe ich es als meine Verantwortung, dieses Glaubwürdigkeitsproblem anzugehen. Mein Ansatz dazu wäre, verstärkt auf den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu setzen. Es ist wichtig, dass Politikerinnen und Politiker regelmäßig mit den Menschen in ihrem Wahlkreis und darüber hinaus sprechen, ihre Fragen und Anliegen anhören und erklären, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Nur durch offene Kommunikation und Transparenz können wir das Vertrauen der Menschen in die Politik hoffentlich wiederherstellen. Des Weiteren ist es entscheidend, politische Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten. Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit haben, besser zu verstehen, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Dies kann beispielsweise durch die Bereitstellung von verständlichen Informationen und öffentliche Diskussionen erreicht werden.
Es ist an der Zeit, die Kluft zwischen der „großen Politik“ und den Menschen zu überbrücken und gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen unserer Gesellschaft zu finden.
„Werde nicht zögern, unangenehme Themen anzusprechen“
Stichwort „Freie Wähler“: Was macht die Freien Wähler eigentlich zu freien Wählern? Worin genau besteht das freiheitliche Element bei den Freien Wählern?
Die Freien Wähler zeichnen sich vor allem durch ihr freiheitliches Element aus, indem sie sich auf die Interessen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger konzentrieren und Politik ohne starre ideologische Bindungen betreiben. Wir Freie Wähler setzen uns dafür ein, dass die Anliegen und Herausforderungen der Menschen aus der Bevölkerung an erster Stelle stehen.
Als Freie Wähler verfolgen wir den Ansatz, die Ideen und Bedürfnisse der Menschen von unten nach oben zu tragen. Das bedeutet, dass wir auf eine starke Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger setzen und unsere Politik auf deren Feedback und Vorschlägen aufbauen. Ebenso unterliegen wir keinen starren ideologischen Bindungen. Wir sind offen für pragmatische Lösungen und lassen uns weder von politischen Strömungen auf der linken noch auf der rechten Seite beeinflussen. Dies ermöglicht es uns, flexibel auf die aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse der Gesellschaft zu reagieren.
Was wird die typische Behringer’sche Handschrift im Münchner Landtag künftig ausmachen? Welchen Politikstil wollen Sie sich auf die Fahnen schreiben?
Ich werde mich für unsere Heimat mit Engagement und Entschlossenheit einsetzen. Dabei werde ich nicht zögern, unangenehme Themen anzusprechen, selbst wenn sie gegen die Parteilinie stehen sollten, so wie ich es bis jetzt auch gemacht habe.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer