Thurmansbang/München. Thurmansbang und Martin Behringer – über Jahre hinweg galt dies als unzertrennliche Liaison. Mehr als zwei Jahrzehnte stand der 52-Jährige als Bürgermeister in den Diensten der Dreiburgenland-Gemeinde – und bildete das Gesicht der FRG-Kommune. Dieses große wie lange Kapitel ist jedoch seit Oktober geschlossen. Denn mit den Wahlen im Herbst 2023 zog der gelernte Bäcker und Konditor für die Freien Wähler in den Bayerischen Landtag ein. Ein großer Schritt für Behringer, wie er im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n zugibt. Aber für ihn auch ein lange vorbereiteter und deshalb auch herbeigesehnter Schritt.
„Ich habe es anfangs genossen, nicht mehr vorne stehen und den Takt angeben zu müssen“, sagt das Neu-Landtagsmitglied. „Als Bürgermeister hat man größeren Druck und mehr Verantwortung.“ Wie Martin Behringer darüber hinaus auf seine Zeit als Thurmansbanger Gemeinde-Oberhaupt zurückblickt und wie er die Rolle der Freien Wähler sieht, ist im Folgenden nachzulesen. Klare Worte findet er dabei für Fritz Kamm, der sich für seine Nachfolge als Rathauschef beworben hatte…
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Wo fühlt sich Martin Behringer besser aufgehoben: Im Thurmansbanger Rathaus oder im Maximilianeum zu München?
Mittlerweile fühle ich mich auch in München schon ganz wohl.
Sie haben sich also schon eingelebt in neuer Umgebung und neuem Lebensabschnitt?
Ja. Man glaubt oft gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht und wie schnell man wieder mittendrin ist. Es war für mich relativ schnell normal, dass ich an einem Montagabend den Koffer packe und nach München fahre.
„22 Jahre lassen sich nicht so einfach wegwischen“
Es gibt also einen fixen Wochenplan?
Grundsätzlich: Ja. Wobei es regemäßig zu Abweichungen kommt. Der Unterausschuss Stammstrecke etwa, dem ich angehöre, hat kürzlich einmal an einem Montagnachmittag getagt. Mei, dann muss ich halt früher nach München fahren. Auch kein Problem. Genauso kann es immer passieren, dass die Sitzungen am Donnerstag bis weit in den Abend hinein dauern und dass am Freitag einmal ein Termin stattfindet. Im Normalfall ist es so, dass ich Montagabend nach München fahre – und Donnerstagabend wieder zurück.
Wie oft ertappen Sie sich noch bei Gedanken, die eigentlich das Amt des Bürgermeisters betreffen – und nicht den Landtagsabgeordneten?
Oft (lacht). 22 Jahre lassen sich nicht so einfach wegwischen. Bei bestimmten Angelegenheiten denke ich mir schon noch: Mei, das müsste jetzt gemacht werden. Ich kann mich aber auch zurückhalten – und muss da jetzt nicht überall gleich was dazu sagen. Ich bin nicht mehr Bürgermeister. Das ist nicht mehr mein Bereich. Und ich mische mich nicht mehr ein.
Wie ist es anders herum: Wie oft werden Sie in Thurmansbang noch als Bürgermeister angesprochen?
Ja, ja… das ist noch oft so – was nach so langer Zeit als Bürgermeister aber normal ist. Es ist ja schön, wenn einen die Leute noch kennen.
„Umstellung war sehr groß“
Wie groß war die Umstellung vom Gemeindeoberhaupt zum Landtagsabgeordneten?
Zu Beginn sehr groß, so ehrlich bin ich. Das Gute dabei: Es ging dann doch alles sehr schnell. An dem einen Tag habe ich noch das Bürgermeister-Büro in Thurmansbang geräumt, am anderen war ich bereits in München.
Das klingt ja so, als hätte Sie der Einzug in den Landtag überrascht – und das obwohl ein starkes Ergebnis der Freien Wähler absehbar war.
Ja, freilich war es irgendwie erwartbar. Irgendwie aber auch nicht. Es ging ja um die Erststimmen – und da ging’s schon recht knapp her.
Wann war für Sie klar, dass es reichen wird?
Am späten Wahlabend, als ich gesehen habe, dass ich über 18.000 Stimmen erhalten habe. Dennoch konnte ich nicht offensiv verkünden, dass ich es geschafft habe. Ich musste noch die Zweitstimmen abwarten. Außerdem gibt es immer gewisse Unwägbarkeiten. Ich habe also gewartet, bis ein offizielles Endergebnis vorgelegen hat. Erst dann habe ich mich richtig gefreut.
„Es braucht keinen großen Abstand, sodass Positives überwiegt“
Sind 20 Jahre schlicht und einfach zu lang, um Bürgermeister einer Gemeinde zu sein? Nutzt man sich da ab?
Ich hätte noch einige Ideen gehabt. Aber es war im Gemeinderat auch wahnsinnig schwierig. Das ist ja bekannt: Wenn ein Gemeinderat andere Ansichten hat beziehungsweise aus parteitaktischen Gründen gewisse Sachen blockiert, ist vielleicht ein Wechsel ganz gut.
Wie blicken Sie insgesamt zurück auf Ihre Zeit als Bürgermeister?
Eine schöne Zeit! Und da braucht es auch keinen großen Abstand, sodass das Positive überwiegt.
Vor allem Fritz Kamm, letztlich in der Stichwahl unterlegen, hat Sie im Rahmen des Wahlkampfes teilweise heftig attackiert. Er hatte „Amtsmüdigkeit“ bei Ihnen ausgemacht. „Behringer hat ein schwieriges Erbe hinterlassen“, sagte er angesichts dessen, dass es offensichtlich im Wasser-/Abwasser-Bereich großen Nachholbedarf gibt. Stimmt das alles so?
„Mehr als fragwürdig“
Fritz Kamm hat mehrere Sachen erzählt, die einfach nicht stimmen. Man muss dazu sagen: Er hat 2014 gegen mich kandidiert. Damals ist er – so hart wie’s klingen mag – untergegangen. Er wollte dann, obwohl er keinerlei Ahnung hatte, Opposition spielen. Möchte man sich profilieren, sollte man aber vielleicht auch mal bei einer Sitzung anwesend sein. Bei mehr als der Hälfte der Sitzungen war er jedoch nicht dabei – und das zum Teil auch unentschuldigt. Zudem hat er seine Ausschuss-Funktion nicht wahrgenommen. 2020 hat er es erneut in den Gemeinderat geschafft, doch es ging weiter wie zuvor. Dass er dann als Bürgermeister kandidiert, sich hinstellt und sagt: Behringer hat alles falsch gemacht, ist mehr als fragwürdig…
Klare Aussage. Stimmt denn seine inhaltliche Kritik?
Ein Wasserrechtsverfahren läuft immer 20 Jahre. Und nach 20 Jahren ist es einfach so, dass eine Kläranlage erneuert werden muss. Dass unsere Kläranlagen in Thurmansbang und Solla gleichzeitig fällig werden, ist schlichtweg so der Fall. Rettenbach und Thannberg wurden in den vergangenen Jahren erneuert. Zu sagen, ich hätte in diesem Bereich nichts gemacht, ist also ein großer Blödsinn – und zeugt davon, dass er keine Ahnung hat.
„Man ist nie perfekt. Jeder macht Fehler“
Wie tief sitzt dieser Stachel? Tun solche Aussagen weh?
Nein, das tut nicht weh. Fritz Kamm ist keiner, der sich für die Gemeinde engagiert, sondern einer, der einfach nur gegen alles ist. Sowas stört mich!
Welche Note bekommt Martin Behringer für seine Bürgermeister-Zeit?
Das dürfen andere beurteilen (schmunzelt). Man ist nie perfekt, das weiß ich. Jeder macht Fehler. Im Großen und Ganzen ist es aber gut gelaufen.
Neuer Bürgermeister der Gemeinde Thurmansbang ist nun Stefan Wagner von der CSU. Ist er der richtige Mann?
Die Leute haben ihn gewählt.
„Seinen Weg finden“
War er ihr Favorit?
Nein, wir Freien Wähler hatten ja mit Johann Penzenstadler einen eigenen Kandidaten.
Wen haben Sie dann bei der Stichwahl Wagner vs. Kamm gewählt?
Kein Kommentar (schmunzelt).
Wie groß sind die Fußstapfen, die Martin Behringer als Bürgermeister hinterlassen hat?
Mein Vorgänger war über 40 Jahre im Amt. Bei mir hieß es 2002 deshalb auch, dass die Fußstapfen zu groß sind. Es geht aber relativ schnell, dass man sich einarbeitet – und dann nimmt alles seinen normalen Lauf. Jeder muss seinen Stil und seinen Weg finden.
Und wie groß ist der Schatten, den Manfred Eibl, mehr oder weniger ihr MdL-Vorgänger, hinterlassen hat?
Ich sehe da überhaupt keinen Schatten. Manfred Eibl hat gute Arbeit geleistet. Gerade im wirtschaftlichen Bereich hat er sich für die Region in München sehr eingesetzt. Es ist einiges vorangegangen – dank ihm.
Landtagswahl 2018 „war für mich noch zu früh“
Sind Sie nur zur Wahl angetreten, weil Eibl nicht mehr wollte?
Bevor wir 2018 Manfred davon überzeugt haben, dass er antritt, wurde ich bereits gefragt. Damals war es für mich aber noch zu früh. Bereits damals hat Eibl gesagt, dass er nur eine Periode macht. Die Bundestagswahl 2021 war für mich eine Art Probelauf. Es war klar, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen. Aber ich wollte wissen, ob ich als Gesicht vor Ort gewählt werde. Ich wurde es. Und deshalb war für mich in der Folge klar, dass ich 2023 in den Landtag gewählt werden will.
Warum überhaupt der Schritt in Richtung München?
Ich wollte den nächsten Schritt gehen.
Dann wäre ja der Landratsposten auch interessant gewesen, oder?
Nein, danke! (schmunzelt) Wir haben einen guten Landrat. Man muss seine Chancen einschätzen können und wissen, was man kann – und was nicht. Die riesige Verwaltung im Hintergrund – als Landrat braucht man eine gewisse verwaltungstechnische Ausbildung oder Erfahrung. Die habe ich nicht.
Sind Sie gewählt worden, weil Sie Martin Behringer sind – oder sind Sie ein Nutznießer des guten FW-Ergebnisses?
Beides. Es gab viele, die die Freien Wähler gewählt haben. Es hat aber auch viele gegeben, die bewusst Martin Behringer gewählt haben.
„Werde mich nicht auf eine Stufe mit AfD stellen“
Unmittelbar nach der Wahl berichtete der Focus darüber, dass in Thurmansbang fast 70 Prozent „Aiwanger oder AfD“ wählen würden, weil sie sich „verarscht“ fühlen. Ist dem so?
Mein erster Gedanke, als ich den Bericht gelesen habe: Spinnen’s jetzt komplett? Ich habe dem Focus geschrieben und nie eine Antwort bekommen. Es ist mir unbegreiflich, wie die auf Aiwanger und die Freien Wähler kommen, ohne den Bürgermeister zu thematisieren, der dieser Partei angehört und in den Landtag wollte. Mir wurde auch nicht ersichtlich, warum sich da jetzt irgendwer verarscht fühlen sollte. Ich werde mich auch bestimmt nicht mit der AfD auf eine Stufe stellen – und vergleichen schon gar nicht.
Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass der Focus wegen genannter 70 Prozent Thurmansbang in die rechte Ecke stellt…
Thurmansbang ist auf gar keinen Fall rechts.
Sind die Freien Wähler rechts?
Nein (mit Nachdruck).
„Wir sind Mitte“
Sind die Freien Wähler populistisch?
Nein (mit Nachdruck).
Ist Hubert Aiwanger rechts oder populistisch?
Sehe ich nicht so.
Wo würden Sie in politischer Hinsicht die Freien Wähler im Vergleich zu CSU und AfD einordnen?
Wir sind die Mitte, wie immer schon. Ab und zu ein bisschen konservativ, so ehrlich muss man sein. Wir sind die bürgerliche Mitte – und das bleiben wir auch. Wir lassen uns weder nach links noch nach rechts rücken. Sollte das der Fall sein, würde ich’s nicht mitmachen. Ähnlich übrigens wie 99,9 Prozent der Freien Wähler.
„Probleme werden von unten nach oben transportiert“
Sind die Freien Wähler eine CSU-Kopie?
Nein. Strauß hat gesagt, dass rechts neben der CSU kein Platz ist. Das soll nicht heißen, dass sie rechtsaußen sind. Die CSU ist auch ein Teil der bürgerlichen Mitte. Und diese ist in der derzeitigen Situation äußerst, äußerst wichtig.
Sind die Freien Wähler die bessere, volksnähere CSU?
Wir sind die Freien Wähler, die von der Basis kommen und immer wieder von der Basis saugen. Bei uns werden die Probleme tatsächlich von unten nach oben transportiert. Und nicht wie bei der CSU von oben nach unten.
Interview: Helmut Weigerstorfer
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Im zweiten Teil des großen Hog’n-Interviews spricht Martin Behringer über sein „Nicht-Verhältnis“ zu Vertretern der AfD, über die Rolle seines Chefs Hubert Aiwanger bei den Bauerndemos, über das Aus des Verwaltungsgerichtes für die Stadt Freyung und über den Atom-Ausbau unserer tschechischen Nachbarn…