Thurmansbang/München. Seit der Jahrtausendwende ist Martin Behringer im Polit-Geschäft aktiv. Seitdem hat er schon so manchen kommunalpolitischen Kampf ausgefochten. Zu viele? Lässt seine Energie nach? „Nein“, sagt das Neu-Landtagsmitglied der Freien Wähler mit Nachdruck. „Ich bin nach wie vor gerne Politiker. Ich streite einfache gerne – aber nur mit Argumenten.“ Früher konnte er seiner Passion nur als Bürgermeister der Gemeinde Thurmansbang nachgehen, seit Ende Oktober wird sich nun in der Landeshauptstadt verbal duelliert.
Und nachdem der 52-Jährige im ersten Teil des Hog’n-Interviews allen voran seine 22 Jahre als Rathaus-Chef Revue passieren ließ, geht’s im zweiten Teil um die „großen“ Themen: über sein „Nicht-Verhältnis“ zu Vertretern der AfD, über die Rolle seines Vorgesetzten Hubert Aiwanger bei den Bauerndemos, über das Aus des Verwaltungsgerichtes für die Stadt Freyung und über den Atom-Ausbau bei den tschechischen Nachbarn…
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Stadler, Atzinger: „Für mich sind das keine Politiker“
Herr Behringer: Was halten Sie von den bundesweiten Demos gegen Rechts, die mit Waldkirchen vor Kurzem auch den Landkreis erreicht haben?
Eine Demonstration ist ein Grundrecht in einer Demokratie. Und ich finde es gut, wenn die Menschen das wahrnehmen. Geht man auf die Straße für etwas, was wichtig ist – wie die Demokratie -, bin ich gerne mit dabei. Das oberste Gebot ist natürlich, dass alles friedlich bleibt.
Stellt man etwa die AfD nicht auch etwas „ins Schaufenster“, wenn man gegen sie demonstriert?
Nein, das glaube ich nicht.
Was halten Sie von Stadler, Atzinger & Co.?
Die sind nicht nur rechts, sondern sehr weit rechts! Für mich sind das keine Politiker. Ein Beispiel dazu: Im Bildungsausschuss haben wir die Petition einer Mutter eines hochbegabten Schülers behandelt, der an seiner Schule gemobbt wird und die deshalb Privatunterricht beantragte. Im Zuschauerraum war eine Schulklasse anwesend, darunter ein Mädchen mit Kopftuch.
„Man kennt sich, aber man mag sich nicht“
Dann hat Herr Atzinger – und da muss man ab und an richtig tief durchatmen – eine Aussage getätigt, der zufolge man sich aufgrund der hohen Migrationszahlen nicht wundern brauche, wenn Schüler gemobbt werden. Zudem fühle man sich nicht mehr wohl, wenn so viele Islamisten und Moslems in den Klassen sitzen… (atmet tief durch) Das ist sowas von unmöglich, sowas von daneben. Ohne Charakter. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben.
Aber man grüßt sich, wenn man sich sieht?
Atzinger & Co. nicht, nein. Das muss ich nicht haben. (überlegt) Man kennt sich, aber man mag sich nicht. Bei der Grünen Woche in Berlin ist Ralf Stadler auf mich zugekommen und meinte, in Sachen Tourismus müsse man zusammenarbeiten. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich weder mit einem Stadler noch mit der AfD zusammenarbeite. (kurze Pause – dann mit Nachdruck) Ich will mit solchen Leuten nichts zu tun haben.
Was denken Sie: Erledigt sich die AfD aufgrund ihres Ein-Themen-Programmes in absehbarer Zeit von selbst?
Nein, das glaube ich nicht. Unsere derzeitige große Politik drängt die Wähler sogar noch verstärkt in deren Arme. Bei den Bundestagswahlen 2021 war es hip, die AfD zu wählen. Ohne Hintergrund, ohne zu wissen, wen man da wählt. Bei der KJR-Podiumsdiskussion in Freyung hat Oskar Atzinger einen Jugendlichen angegangen, nachdem dieser ihn als Nazi bezeichnet hatte.
Aiwanger „auf Augenhöhe“
Wahnsinn! Solche Typen sind nicht wählbar. Leider wissen das viele nicht, weil sie sich nicht näher mit ihm beschäftigen. Entschuldigung, aber nochmals gesagt: Mit solchen Leuten kann ich gar nicht. Das Menschenverachtende – das mag ich gar nicht.
Zurück zu Ihrer Partei: Bei der Bauerndemo in Freyung ist Hubert Aiwanger von der Menge begrüßt worden wie ein Rockstar. Ist das zu viel?
Der Grund, warum er so gut angekommen ist: Die Freien Wähler haben in der Vergangenheit noch nie ein Landwirtschaftsministerium besetzt. Wir konnten in diesem Bereich also noch nie etwas falsch machen… (schmunzelt). Hinzu kommt, dass er im Gegensatz zu den anderen Ministern auf die Menschen zugeht. Er bewegt sich auf Augenhöhe mit der Basis. Das kommt an!
Wäre Hubert Aiwanger der bessere bayerische Landwirtschaftsminister?
Auf Bundesebene sicherlich. Auch auf Landesebene kann ich ihn mir in diesem Amt vorstellen.
„Vielleicht konzentriert sich die CSU mal auf sich selber“
Sind Sie auch der Meinung, dass Hubert Aiwanger sich zuletzt zu wenig um sein eigentliches Ressort, die Wirtschaftspolitik, gekümmert hat – und stattdessen allzu häufig bei den Bauernprotesten vertreten war und Themen wie Jagd und Wald in seinen Fokus gerückt hat?
Die CSU kann es einfach, derartige Sachen zu verbreiten… Meine Meinung dazu: Vielleicht konzentrieren sich die Christsozialen mal auf sich selber, ihre eigenen Minister und Themen. Ich glaube, da gibt’s genug Arbeit – wenn ich da nur an die Landwirtschaft und die Krankenhäuser denke. Haben sie das auf die Reihe gebracht, können sie uns gerne kritisieren.
Welche Rolle spielt Hubert Aiwanger beim Aufschwung der Freien Wähler? Wären sie ohne „Hubsi“ noch eine Partei unter der Zehn-Prozent-Marke?
Ja, kann ich mir vorstellen. Der Erfolg der Freien Wähler ist eng mit dem Namen Hubert Aiwanger verbunden.
„Der letzte Tropfen“
Was halten Sie generell von den Bauernprotesten?
Der Agrardiesel und die KfZ-Steuer waren der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Viele weitere – wie die Transportunternehmer oder die Handwerker, die sich ebenfalls ungerecht behandelt fühlen – haben sich dann den Bauern angeschlossen. So wie die Regierung zuletzt agiert hat, war es nur die logische Folge, dass es zu Protesten kommt. Ich verstehe es!
Wann wurde Ihnen klar, dass die eigentlich Botschaft hinter den Protesten „Die Ampel muss weg“ lautet?
Eigentlich schon in Deggendorf. Spontan wurde ich dazu eingeladen. Ich bin jetzt nicht so der typische Demonstrant und habe es deshalb locker genommen. Und dann ist Rita Hagl-Kehl gekommen – wie ein Pfizipfei. Sie hat mich gleich gefragt, was ich da mache – worauf ich geantwortet habe: Bei uns in Bayern sagt man zunächst einmal Grüß Gott. Sie war deutlich geladen. Nach langem Hin und Her ist sie dann doch rausgegangen zu den Demonstranten. Der Rest ist bestens bekannt…
Rita Hagl-Kehl in Deggendorf: „So ein Verhalten noch nie erlebt“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete hatte die Demobühne relativ schnell wieder verlassen.
Was mich sehr überrascht hat. Die Leute waren jetzt nicht aggressiv und haben auch nicht extrem gebuht. Dass mal jemand gepfiffen hat, ist klar und gehört dazu. Ich an ihrer Stelle hätte nicht die Bühne verlassen, ich hätte den Dialog gesucht. Davon zu laufen ist wohl das Schlechteste, was man als Politiker tun kann. So ein Verhalten wie von Rita Hagl-Kehl habe ich noch nie erlebt.
Themenwechsel, Stichwort: Verwaltungsgericht Freyung: Wie bedauerlich finden Sie die Tatsache, dass das VG nun nicht nach Freyung kommen wird?
Erst einmal: Die Entscheidung ist ja mehr oder weniger bereits in der vergangenen Legislaturperiode gefallen. Deshalb wusste ich zunächst den Sachstand nicht. Das Thema war ja eingeschlafen. Ich musste mich erst informieren. Meine Anfrage beim Innenministerium blieb ohne Antwort. Und plötzlich die Anfrage vom Kollegen Schuberl dazu im Innenausschuss, die zur Folge hat, dass der Innenminister einen kompletten Schnitt macht. Ich verstehe das nicht. Neue Fraktionen, neue Leute, keine Antwort. Mit uns hat niemand gesprochen.
„Unter der Gürtellinie“
Die Aussage von Dr. Olaf Heinrich, dass man nun sehe, dass Eibl und Behringer nichts zu sagen hätten, ist absolut daneben und unter der Gürtellinie. Sowas macht man nicht! Das ist eine charakterliche Sache. Zudem: Wenn Herr Heinrich so großen Einfluss hat, wie er immer sagt, hätte er es ja selber in den Koalitionsvertrag einspeisen können bzw. müssen. Die CSU hat sich aber darum nicht gekümmert! Wenn man etwas versäumt, kann man nicht anderen dafür die Schuld geben. Und dann kauft die Stadt Freyung noch ein Grundstück und jammert. Warum sichern sie sich nicht vorher ab?
Ist es wirklich so schade, dass Freyung das Verwaltungsgericht nicht bekommt?
Bis auf eine Putzstelle hätte es keine Arbeitsplätze gebracht. Die Richter hätten sich auch nicht alle in Freyung angesiedelt. So viel dazu. Ich möchte aber, dass Niederbayern ein Verwaltungsgericht bekommt. Immerhin sind wir der einzige Regierungsbezirk, der bislang keines hat. Wo es hinkommt, ist mir egal. Ich möchte es gerne im Landkreis Freyung-Grafenau haben, das sage ich ganz offen. Aber ob Grafenau oder Freyung, ist egal. Und das Thema ist auch noch nicht erledigt.
„Bayern und Deutschland müssen endlich Energiewende schaffen“
Hubert Aiwanger hat also nicht Wortbruch begangen, wie ihm CSU-MdL Stefan Ebner im Hog’n-Interview vorgeworfen hat?
Vielleicht hätte sich Herr Ebner darauf konzentrieren sollen, dieses Thema selber in den Koalitionsvertrag einzubringen – anstatt so etwas zu behaupten.
Freyungs Bürgermeister Heinrich hat das Agieren Aiwangers und der Freien Wähler in Sachen VG Freyung als „politische Geisterfahrt auf Kosten des Landkreises“ bezeichnet. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, da war – wie bereits erwähnt – er selbst auf Geisterfahrt unterwegs.
Stichwort: Temelin-Ausbau bzw. geplanter Neubau von Atomreaktoren in Tschechien. Wie kritisch sehen Sie die Planungen jenseits der Grenze?
„Was muss noch passieren?“
Dieses Thema ist pressant – doch es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aber: Bayern und Deutschland müssen nun endlich diese Energiewende schaffen. Heißt: Wir brauchen vernünftige Energiegewinnung und Speicher. Haben wir das, wird der Ausbau für die Tschechen uninteressant. Haben sie keinen Absatz für ihren Strom, produzieren sie ihn erst gar nicht. Sie wissen nämlich sehr genau, was sie verkaufen können in Richtung Deutschland. Was mir hier besonders stinkt: Tschernobyl und Fukushima sind längst wieder vergessen. Ich frage mich deshalb: Was muss noch alles passieren? Und: Wohin mit dem Atommüll?
Man hört raus, die Energiewende ist für Sie alternativlos?
Klar. Diese Entscheidung ist getroffen. Bis wir wieder Atomkraftwerke mit all den Genehmigungen und Klagen gebaut hätten, leben wir nicht mehr. Was die Energiewende betrifft, gibt es etwas, was mich extrem stört: Damit diese gelingt, brauchen wir Energiespeicher – so etwas wie das Pumpspeicherkraftwerk Riedl. Gegen solche Speicher schießen die Grünen in Dauerfeuer. Aber wie soll sonst die Energiewende gelingen? Irgendeinen Tot müssen wir sterben. Wollen wir die Energiewende, brauchen wir Speicher. So ist das nun mal.
Atommüllendlager im Woid: „Vor 2060 wird nichts passieren“
Stichwort: Atommüll. Dieser wird von den Tschechen höchstwahrscheinlich in Grenznähe deponiert werden. Zusätzlich wird in ein paar Jahren auch die Frage in Deutschland wieder aufflammen, wo der hiesige Atommüll gelagert werden soll. Der Bayerische Wald war und ist dabei ja auch immer wieder mal genannt worden. Was gilt es zu tun, um diesen Worst-Case für die Waidler zu verhindern?
Auf tschechischem Grund können wir nicht verhindern, wo was gelagert wird.
Ob dann – überspitzt dargestellt – Atommüll in Železná Ruda oder im Saldenburger Granit gelagert wird, ist egal…
Genau. Bauen die Tschechen in grenznähe ein Endlager, werden uns auf Dauer die Argumente ausgehen. Nur: Unser Granit ist zerklüftet und wird das immer bleiben. Das ist drüben nicht anders. Und deshalb ist unsere Region – egal ob Tschechien oder Deutschland – schlicht und einfach nicht geeignet. Das Verfahren auf unserer Seite läuft noch. Vor 2060 wird da nichts passieren. Und das ist dramatisch, erschreckend.
Die Zwischenlager sind mehr oder weniger Endlager?
Ja, stimmt. Darf man nicht so laut sagen, ist aber so.
Hoffen wir dennoch das Beste. Danke für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Das Gespräch führte: Helmut Weigerstorfer
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