Freyung-Grafenau/München. „Freie Wähler wollen Staatliche Lotterieverwaltung von München nach Niederbayern verlagern“ – so die Überschrift einer Pressemitteilung, die am vergangenen Wochenende an die Medien ausgesandt worden war (da Hog’n berichtete). Florian Streibl, FW-Fraktionsvorsitzender im Landtag, reagiert somit auf den seit Tagen schwelenden Streit zwischen CSU und den Freien Wählern um die Entscheidung, das Verwaltungsgericht nun nicht in Freyung zu errichten. Nach dem Scheitern der VG-Verlagerung von Regensburg nach Freyung-Grafenau – Streibl macht dafür den Widerstand der CSU verantwortlich -, unterbreiten die Freien Wähler nun ihrem Koalitionspartner den Vorschlag, die Lotterieverwaltung in den Bayerwald zu verlegen.
Die Christsozialen, allen voran Bezirkstagspräsident und Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich sowie Landtagsabgeordneter Max Gibis, hatten den Freien Wählern eine Blockadehaltung bei der Behördenverlagerung vorgeworfen, die Freyung als neuen Standort für ein niederbayerisches Verwaltungsgericht verhindert habe. Auch der hiesige FW-MdL Manfred Eibl sah sich seitens der CSU teils heftiger Kritik ausgesetzt.
Eibl: „Die wichtigste Hürde hierbei ist die CSU“
Der ostbayerische Wirtschaftssandort würde Florian Streibl zufolge mit der rund 350 Mitarbeiter betreffenden Verlagerung der Lotterieverwaltung von München in den Landkreis Freyung-Grafenau massiv aufgewertet werden. Dabei könnten aufgrund der Größe der Behörde gleich mehrere regionale Standorte profitieren, indem die Verwaltung aufgeteilt werde: Streibl nennt neben Freyung und Grafenau auch Waldkirchen, ebenso bringt er die Stadt Hauzenberg im Nachbarlandkreis Passau ins Spiel. Für die Refinanzierung der Betriebskosten sehe er gute Chancen, da der Freistaat die bisherige Liegenschaft in der Landeshauptstadt anderweitig profitabel vermieten könne. „Alles in allem wäre dies ein gewinnbringender Vorschlag für beide Städte und den Landkreis als Ganzes.“
Streibls Parteikollege Manfred Eibl, der eigener Aussage zufolge in den neuen Vorstoß „eng mit eingebunden“ war, zeigt sich davon begeistert: „Mit diesem Vorschlag der FW-Landtagsfraktion können wir ohne Übertreibung sagen, dass nach all den Auseinandersetzungen – auch teils verbal vor allem gegen meine Person – ein guter Anfang mit möglichem großen Mehrwert für unseren Landkreis und seine Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden kann“, teilt der Perlesreuter auf Hog’n-Nachfrage mit.
Eibl zufolge ist seitens Streibl bereits mehrfach innerhalb der Fraktion darauf hingewiesen worden, dass mit einer Verlagerung der Lotterieverwaltung weit mehr als 300 Arbeitsplätze in Freyung-Grafenau entstehen könnten. Mit einem „schlechten Gewissen“ aufgrund des gescheiterten Vorhabens in Sachen Verwaltungsgericht habe dies alles nicht zu tun, so Eibl. Man habe sich dabei stets für Freyung-Grafenau ausgesprochen. „Entscheidungen, wo in einem Landkreis eine Ansiedlung umgesetzt wird, sollten nicht nach politischer Zugehörigkeit eines Bürgermeisters erfolgen. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist und bleibt unser gesetztes Ziel“, betont Eibl.
„Es liegt nun an der CSU, diesen Vorschlag positiv zu begleiten“, so der Bayerwald-MdL weiter. Bereits in dieser Woche würden dazu in München erste Gespräche geführt. „Die wichtigste Hürde hierbei ist die CSU. Ich hoffe hierzu auf eine offene und transparente Diskussion.“ Man wolle sich Schritt für Schritt vorarbeiten.
Indes hat Finanzminister Albert Füracker auf den Vorstoß Streibls mit Verwunderung reagiert, wie die Lokalzeitung berichtet. Die Verlagerung der Lotterieverwaltung sei jüngst im Koalitionsausschuss besprochen worden – mit dem Resultat: Die Behörde sei erst vor wenigen Jahren an seinen aktuellen Standort in München umgezogen. Ein neuerlicher Umzug sei daher Füracker zufolge aktuell nicht sinnvoll, da die Verlagerungskosten aufgrund der aufwändigen Technik im Hintergrund unverhältnismäßig hoch ausfallen würden. Der Finanzminister spricht von einer „bewusst gegensätzliche Kommunikation der Freien Wähler“, die sich fragen lassen müssten, warum sie die vom Ministerpräsidenten angekündigte große Behördenverlagerung seit Längerem blockierten.
Gibis: Eine Luftblase der Freien Wähler?
„Ich begrüße jeden wirklich durchdachten und seriösen Vorschlag für eine Verlagerung von staatlichen Stellen in die Region“, kommentiert Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich den Vorstoß der Freien Wähler und ergänzt: „Dabei ist mir gleich, von wem der Vorschlag kommt.“ Inwieweit dieser nun jene Kriterien erfülle, könne er nicht überprüfen. „Für mich ist aber klar: dass der Vorschlag nun von den FW kommt, belegt lediglich, dass die massive Kritik an der unverantwortlichen Blockadehaltung der Freien Wähler beim Verwaltungsgericht Wirkung zeigt.“
Auch Heinrichs Parteikollege Max Gibis befürworte jede Behördenverlagerung in den Bayerischen Wald, wie dieser auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. Er werde auch diesen Vorschlag bestmöglich unterstützen und keinesfalls blockieren – „wie die Freien Wähler das niederbayerische Verwaltungsgericht“, kann sich der Mauther Ex-Bürgermeister einen neuerlichen Seitenhieb in Richtung Koalitionspartner nicht verkneifen. Momentan könne Gibis nicht beurteilen, wie seriös dieser Vorschlag sei – „oder ob es nicht eine Luftblase der Freien Wähler ist, um von ihrem Versagen in Sachen Verwaltungsgericht abzulenken“. Die Machbarkeit müsse daher das zuständige Finanzministerium nun prüfen. „Sollte es machbar sein und auch mehrere Standorte möglich sein, bitte ich aber darum, den Landkreis Regen nicht zu vergessen.“
Landrat Gruber: „Lotteriespiel auf Kosten des Landkreises“
„Objektiv betrachtet ist der Landkreis Freyung-Grafenau immer wieder zum Zuge gekommen, im Übrigen unabhängig von Parteizugehörigkeit der jeweiligen Bürgermeister“, erklärt Landrat Sebastian Gruber auf Hog’n-Nachfrage. „Ich spreche bewusst von Jahrzehnten, weil man derartige Entscheidungen und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum betrachten muss.“
Verlagerungen, so Gruber weiter, müssten immer einen Mehrwert hinsichtlich Arbeitsplätze, Nachhaltigkeit, Regionalentwicklung, Vernetzung und Wertschöpfung haben – und noch dazu für den Freistaat bezahlbar sein. „Aber: Öffentliche Schnellschüsse haben noch nie zu erfolgreichen Verlagerungen geführt. Unabgestimmtes Vorgehen und Uneinigkeit in der Region genauso wenig.“ Die Freien Wähler hätten kritisiert, dass die Schaffung eines niederbayerischen Verwaltungsgerichts in FRG ohne Einbindung und Rücksprache mit ihnen als Koalitionspartner erfolgt sei. „Aus Sicht der Freien Wähler als Juniorpartner in der Regierungskoalition kann ich das – sofern es so gewesen ist – nachvollziehen“, so Gruber.
Wenn man sich jedoch darüber beklage, dass man zu diesem Thema und dem Standort vorher nicht gesprochen habe und nicht eingebunden gewesen sei, verstehe der Landrat das aktuelle Vorgehen der Freien Wähler noch viel weniger. „Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, MdL Florian Streibl, schreibt hierzu: Wir Freien Wähler werden dazu mit der CSU das Gespräch suchen. Heißt, man hat in München im Vorfeld nicht gesprochen, vor Ort im Übrigen – zumindest mit mir als Landrat – ebenfalls nicht.“
Der aktuelle Vorschlag mag Gruber zufolge grundsätzlich überlegens- und unterstützenswert sein. „Er ist aber erstens innerhalb der Regierungskoalition nicht abgestimmt, beantwortet zweitens nicht die Frage nach einem Verwaltungsgericht in Niederbayern und ist drittens – um im Bild des Vorschlags zu bleiben – ein Lotteriespiel auf Kosten und auf dem Rücken des Landkreises Freyung-Grafenau.“ Behördenverlagerungen seien kein öffentliches Glücksspiel, bei dem man in der Region zunächst Hoffnungen wecke – und am Schluss nichts umgesetzt werde, betont Gruber.
Donaubauer und Pollak hoffen auf „parteiübergreifende Sacharbeit“
Der generellen Verlagerung von Behörden nach Niederbayern und speziell in den südlichen Bayerischen Wald stimmen Hauzenbergs Rathaus-Chefin Gudrun Donaubauer und Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak „natürlich uneingeschränkt“ zu, wie sie in einer gemeinsam Stellungnahme gegenüber dem Hog’n mitteilen. „Selbstverständlich freuen wir uns sehr, dass nun auch Waldkirchen und Hauzenberg in die Überlegungen einbezogen worden sind.“
Die beiden Städte bilden ein gemeinsames, landkreisübergreifendes Mittelzentrum mit mehr als 22.000 Einwohnern, das sich bestens für die Ansiedlung von Behörden anbietet, rührt das Duo die Werbetrommel. „Wir hoffen und bauen darauf, dass sich die Koalition und in der Folge der Landtag auf eine Behördenverlagerung in unsere Region einigen kann. Wir setzen viel Hoffnung in die parteiübergreifende Sacharbeit zum Wohle unserer Heimat.“
Schuberl: „Das ist sehr unprofessionell“
„Eine Behördenverlagerung, die attraktive Arbeitsplätze in den Bayerischen Wald verlagert, wäre natürlich zu begrüßen, insbesondere in dieser Größenordnung“, kommentiert Grünen-Landtagsabgeordneter Toni Schuberl. Er wolle jedoch zunächst abwarten, ob das Angebot ernst gemeint sei. „Wir müssen eine Zerfleischung der beiden Koalitionspartner und der drei Städte Freyung, Grafenau und Waldkirchen in aller Öffentlichkeit mit ansehen. Das ist sehr unprofessionell“, spricht der Zentinger Klartext.
„Zudem machen die Freien Wähler bewusst denselben Fehler wie die CSU, indem sie solch einen Vorschlag öffentlich machen, ohne den Koalitionspartner vorher eingebunden zu haben. Damit gefährden sie das Projekt gleich von Anfang an.“ Schuberl appelliere daher an alle Seiten, persönliche Befindlichkeiten endlich zurückzustellen und konstruktiv nach Lösungen für den ländlichen Raum zu suchen.
Muthmann: „Region braucht keinen Überbietungswettbewerb“
„Die Reaktion von Finanzminister Albert Füracker auf den Vorschlag der Freien Wähler, einen Teil der Staatlichen Lotterieverwaltung von München nach Freyung zu verlagern, zeigt, dass die Koalitionsregierung auch diesen Vorstoß nicht abgesprochen hat“, nimmt Landtagsabgeordneter Alexander Muthmann (FDP) dazu Stellung. Das aus seiner Sicht unsägliche Verfahren, das bei der gescheiterten Ansiedlung eines Verwaltungsgerichtes in Freyung praktiziert wurde, setze sich somit fort. Statt eine tragfähige Lösung zu finden und einen gleichwertigen Ersatz für die entgangene Behörde zu schaffen, stehe wiederum die parteipolitische Profilierung im Vordergrund.
„Die Region braucht keinen Überbietungswettbewerb um immer neue Ideen, sondern eine verlässliche Zusage, die zwischen den Koalitionspartnern CSU und Freie Wähler abgestimmt ist, gemeinsam getragen und von der Staatsregierung verkündet wird, denn sie muss den Vorschlag dann auch umsetzen“, fordert Muthmann. Nur mit verlässlichem und kraftvollem Handeln könne ein gleichwertiger Ersatz für das entgangene Verwaltungsgericht geschaffen werden. „Und nur so kann in der Region auch wieder Vertrauen entstehen.“
Flisek: „Billiges Ablenkungsmanöver in erbärmlichem Schauspiel“
„Der Streit zwischen den Regierungsfraktionen nimmt immer absurdere Züge an“, befindet SPD-Landtagsabgeordneter Christian Flisek. Der seiner Meinung nach unabgestimmte Vorschlag von Florian Streibl, die Lotterieverwaltung nach Niederbayern zu verlegen, sei ein „billiges Ablenkungsmanöver“, das diesem „erbärmlichen Schauspiel“ die Krone aufsetze. „Niederbayern braucht keine Lotterieverwaltung, sondern ein eigenes Verwaltungsgericht, da wir der einzige Regierungsbezirk ohne eigenen Gerichtsstandort sind“, macht der studierte Jurist deutlich. „CSU und FW müssen diese peinliche Polit-Posse sofort beenden. Die Menschen in Niederbayern wollen nicht länger für dumm verkauft werden und erwarten, dass endlich eine tragbare Lösung für die Region gefunden wird.“
Umfrage: Stephan Hörhammer