Freyung/München. Das Verwaltungsgericht bleibt in Regensburg, der von der Staatsregierung bereits zugesagte Neu-Standort Freyung ist passé. Eine Nachricht, die für Unmut sorgt in Niederbayern – insbesondere die Politiker aus dem Landkreis Freyung-Grafenau reagieren enttäuscht. Die Freien Wähler im Koalitionsausschuss hatten am Montagabend die Planungen eines neuen Verwaltungsgerichts für Niederbayern gestoppt, wie Freyungs Bürgermeister und Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich auf der Facebook-Seite der Kreisstadt mitteilt.
Von einem „schwarzen Tag für Niederbayern“, von einem „verheerenden Signal“ spricht der Rathaus-Chef, dessen momentaner Gefühlsstatus bei Facebook mit „stinksauer“ angegeben ist. Mit dem Stopp werde die geplante Ansiedlung in der Kreisstadt, die von Ministerpräsident Söder und dem zuständigen Fachminister Herrmann zugesagt worden war, vorerst nicht umgesetzt. „Damit beweist die kleinere Landtagsfraktion, dass ihnen lokale Interessen einzelner Abgeordneter wichtiger sind als eine glaubwürdige Strukturpolitik“, kommentiert Heinrich die Entscheidung.
Heinrich insbesondere von Eibl enttäuscht
Die Landshuter Landtagsabgeordnete Jutta Widmann (FW) hätte bereits vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass sich die Landtagsfraktion der Freien Wähler gegen Freyung ausgesprochen habe. Sie selber werde weiterhin für ein neues Verwaltungsgericht in der Stadt Landshut werben. Olaf Heinrich dazu: „In Landshut ein Verwaltungsgericht zu errichten, während dort die Bevölkerung über tausend Einwohner pro Jahr wächst, die Infrastruktur schon heute überlastet ist und strukturpolitische Effekte in der Boomregion untergehen, wäre widersinnig. Dagegen würde der Landkreis Freyung-Grafenau, der im strukturschwachen Raum liegt und weiterhin Förderbedarf hat, durch das Verwaltungsgericht gestärkt. Dass die Freien Wähler dies geschlossen verhindern und offensichtlich der örtliche Abgeordnete Manfred Eibl nicht in der Lage war dies zu verhindern, ist sehr enttäuschend.“ Bürgermeister Heinrich wolle weiterhin für ein niederbayerisches Verwaltungsgericht in Freyung werben und meint: „Dann kommt es eben nach der nächsten Landtagswahl.“
Muthmann: „Regierung verkauft Region für dumm“
„Was kann man einer Staatsregierung noch glauben, die einfach so ein Versprechen bricht, das sie vor einem Jahr vollmundig gegeben hat“, kommentiert Landtagsabgeordneter Alexander Muthmann (FDP). Ministerpräsident Markus Söder hatte am Dienstag bekanntgegeben, dass sich die Koalition aus CSU und Freien Wählern nicht auf einen Standort einigen konnte. Damit bleibe das VG in Regensburg auch in Zukunft für Niederbayern zuständig – und der Regierungsbezirk als einziger in Bayern weiterhin ohne eine solche Einrichtung. „Wir können nicht hinnehmen, dass das VG Freyung komplett gestrichen wird, denn wir brauchen diesen wichtigen regionalpolitischen Impuls. Sollte es tatsächlich bei der negativen Entscheidung bleiben, verlangen wir vollwertigen Ersatz“, betont Muthmann: „Diese Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern verkauft die Region für dumm!“
Flisek: „Das Schwarze-Peter-Spiel bringt uns nicht weiter“
SPD-Landtagsabgeordneter Christian Flisek spricht von einer „enttäuschenden Nachricht für Niederbayern – auch als Passauer hätten wir uns über ein eigenes Verwaltungsgericht in Freyung gefreut“. Es ist aus seiner Sicht nicht akzeptabel, dass die ursprüngliche Zusage für den Standort Freyung nun aufgrund von Streitigkeiten zwischen CSU und Freien Wählern zurückgenommen wird. „Das Schwarze-Peter-Spiel von CSU und FW bringt uns nicht weiter“, sagt Flisek. Beide würden als Regierungsparteien Verantwortung für diese Entscheidung tragen. „Anstatt das Projekt völlig zu begraben, hätte ich von Ministerpräsident Söder und vom niederbayerischen Vizeministerpräsident Aiwanger erwartet, dass gemeinsam ernsthaft nach einem neuen Standort gesucht wird.“ Für Flisek stehe fest, dass auch in Niederbayern ein eigenes Verwaltungsgericht gebraucht wird. „Ich werde mich als Abgeordneter weiter hierfür einsetzen.“
Eibl: Freie Wähler hätten sich für Grafenau entschieden
Indes lieferte sich FW-Landtagsabgeordneter Manfred Eibl ein Kommentar-Duell auf dessen Facebook-Seite mit der „CSU Freyung-Grafenau“, deren Vorsitzender Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich ist. (Ob dieser tatsächlich für die Kommentare verantwortlich zeichnet, ist nicht feststellbar.)
„Im gestrigen Koalitionsausschuss hat sich die Fraktionsspitze der Freien Wähler für die Stadt Grafenau als Standort für das Verwaltungsgericht Niederbayern ausgesprochen“, teilt Eibl via Facebook mit. Dafür ausschlaggebend sei eine Bewerbung Grafenaus mit einem innerstädtischen Gebäude gewesen, das für die Ansiedlung des VGs ideal gepasst habe. „Kurzzeitig“, so Eibl weiter, „konnte sich die CSU mit diesen Kompromiss anfreunden. Erst wie sie erfahren haben, dass dort kein CSU-Bürgermeister sitzt, hat Ministerpräsident Söder gesagt: Lieber kein VG in Niederbayern – wenn Grafenau.“ Man könne somit Eibl zufolge die Situation durchaus auch so betrachten, dass die CSU die Ansiedlung eines Verwaltungsgerichts für den Landkreis FRG in der Stadt Grafenau blockiere. „Persönlich finde ich sehr bedauerlich, dass keine Einigung erfolgte. Dahingehend fordere ich einen dementsprechenden Ausgleich für unseren Landkreis“, so der Perlesreuter Abgeordnete.
Eibl betont, dass sich die Freien Wähler von Beginn an für den Landkreis FRG als Ganzes ausgesprochen hätten – „und nicht im Vorfeld Städte ausgeschlossen haben“. Woraufhin der FB-Account-Betreiber der CSU Freyung-Grafenau erwidert, dass der in dieser Sache zuständige Minister Herrmann sich klar für Freyung ausgesprochen habe. „Die Ausreden werden immer peinlicher“, schießt die CSU gegen den Freie-Wähler-MdL. „Das einzig peinliche ist, dass die CSU in FRG versucht, den alten Zwist zwischen Freyung und Grafenau auf dem Rücken der FW auszutragen. Jetzt hat leider der ganze Landkreis verloren“, interveniert User Matthias Lichtenauer, dessen Aussage Manfred Eibl mit einem „Gefällt mir“ zustimmt.
Aus Sicht der CSU Freyung-Grafenau habe Eibl die Entscheidung von Innenminister Herrmann torpediert. Es gebe nirgends in Bayern ein Verwaltungsgericht, ohne dass sich am selben Standort ein Amtsgericht befinde. Dies sei aus Gründen der Effizienz logisch. Grafenau ins Spiel zu bringen kann man der CSU zufolge daher nur als „destruktive Nebelkerze“ bezeichnen. Zudem könne man mit Bezug auf die Aussagen der Landshuter FW-Abgeordneten Widmann problemlos belegen, dass die FW lieber das Gericht komplett verhinderten, anstatt es in der Kreisstadt zuzulassen. User Matthias Lichtenauer kontert dazu: „Wenn man die Wahl hat zwischen Freyung und Landshut, sich schließlich aber für Grafenau entscheidet, dann ist das meiner Meinung nach keine destruktive Nebelkerze, sondern ein Kompromiss mit gesundem Menschenverstand. Aber wenn’s nur um Parteipolitik und die Kreisstadt geht, nicht aber um die Region bzw. die Sache, dann muss ein m.E. nach konstruktiver Vorschlag natürlich als destruktives Ablenkungsmanöver disqualifiziert werden. Schade um die vertane Chance.“ Auch diese Meinung teilt Mdl Manfred Eibl.
Schuberl: „Dann kommt so ein Krampf raus“
„Dieses Durcheinander ist das Ergebnis einer sehr unprofessionellen Vorgehensweise Söders“, kommentiert Grünen-Landtagsabgeordneter Toni Schuberl. „Er auf einer CSU-Parteiveranstaltung Beschlüsse gefasst, ohne all jene vorher gesprochen zu haben, die es angeht. Er hat nicht einmal mit dem Koalitionspartner gesprochen. Er hat nicht mit dem Landtag gesprochen, der das ja beschließt. Er hat nicht mit den Richtern gesprochen, die eben keine nachgeordnete Behörde sind, sondern die unabhängige dritte Gewalt. Er hat nicht mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen.“
Wenn man so bedeutende Themen einfach aus der Hüfte schieße, um eine gute Schlagzeile zu bekommen, „dann kommt so ein Krampf raus“, kritisiert Schuberl weiter. Das Verwaltungsgericht eignete sich seiner Meinung nach nicht gut für eine Verlagerung nach Freyung. „Aber wir dürfen in Freyung- Grafenau jetzt nicht leer ausgehen. Wir brauchen dringend mehr Arbeitsplätze für Akademiker.“ Die 40 versprochenen Arbeitsplätze, die das Verwaltungsgericht gebracht hätte, müssen Schuberl zufolge jetzt auf eine andere Weise nach FRG verlagert werden. „Da erwarte ich, dass die örtlichen Abgeordneten mit einer Stimme sprechen und dass auch der Landkreis mit einer Stimme spricht und sich nicht wieder die drei Städte Grafenau, Freyung und Waldkirchen untereinander bekämpfen.“
Max Gibis: „Scheinargumentationen mit dem Standort Grafenau“
„Dass die Freien Wähler ihre Blockadehaltung nicht aufgegeben haben, hat nun leider dazu geführt, dass es für Niederbayern nun gar kein Verwaltungsgericht geben und auch unser Landkreis leer ausgehen wird“, kommentiert CSU-Landtagsabgeordneter Max Gibis. „Es ist nun leider genau so gekommen, wie ich es vor wenigen Wochen schon befürchtet habe.“
Und Gibis weiter: „Die ganzen Scheinargumentationen mit dem Standort Grafenau, die jetzt von den Freien Wählern ins Feld geführt werden, sollen nur von deren Versagen ablenken.“ Ministerpräsident Söder habe im Januar 2019 angekündigt, dass Niederbayern ein eigenes Verwaltungsgericht mit dem Standort Freyung bekommen soll. „Jetzt stellt sich die Frage, was wäre passiert, wenn die Freien Wähler da nicht dagegen interveniert hätten? Richtig: Das VG in Freyung wäre bereits im Aufbau und würde wahrscheinlich nächstes Jahr oder übernächstes Jahr die Arbeit aufnehmen!“
da Hog’n
(Titelbild: www.vgh.bayern.de)
Nachtrag seitens MdL Manfred Eibl (am 5. Mai) auf Hog’n-Nachfrage:
Grundsätzlich darf ich wiederholt ausführen, dass eine Ansiedlung eines neu zu errichtenden VG Niederbayern im Landkreis Freyung-Grafenau meinerseits voll und umfänglich in allen Gremien unterstützt wurde. Dies wurde auch mit dem Antrag der JWU (Junge Wähler Union Freyung-Grafenau, CSU-nahe Gruppierung) in der letzten Kreistagssitzung so umfänglich zum Ausdruck gebracht, wo es auch um eine Ansiedlung im Landkreis FRG ging.
Die aktuellen Ergebnisse, wie sie derzeit vorliegen, können so nicht stehenbleiben. Jedoch muss auch ehrlicherweise darauf hingewiesen werden, dass seitens der CSU im Nachgang einer Klausurtagung – ohne Einbindung und Rücksprache mit dem Koalitionspartner – die beschlossenen Behördenverlagerungen (unter anderem ein eigenes VG Niederbayern im Landkreis FRG) verkündet wurde. Jedoch ist es bei der Neugründung eines Verwaltungsgerichts notwendig, dass auch ein Koalitionspartner zustimmt.
Am Montagabend fand ein Spitzengespräch der Koalition statt. Dabei wurde seitens der Fraktionsspitze der Freien Wähler darauf verwiesen, dass auch eine Bewerbung der Stadt Grafenau (Landkreis FRG) mit einem innerstädtischen Gebäude als möglicher Standort vorliegt.
„Der Zeitpunkt, nach vorne zu blicken“
Dies wurde jedoch seitens der CSU und des Ministerpräsidenten kategorisch abgelehnt. Daraus erschließt sich die Frage: Geht es der CSU tatsächlich um einen Mehrwert für den Landkreis – oder sind nach wie vor nur Parteiinteressen entscheidend?
Jedoch ist nun der Zeitpunkt nach vorne zu blicken. Es müssen nun alle Anstrengungen gebündelt werden, um einen adäquaten Ersatz für unseren Landkreis zu finden. Und dies in einem gemeinsamen, offenen und ehrlichen Prozess der Koalitionäre. Wir Frei Wähler wahren und sind dazu stets bereit.“
da Hog’n
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