Freitag, 20. März: Die nahe gelegene und als wichtige bayerisch-tschechische Verkehrsader bezeichnete B12 – fast leer. Der Berufsverkehr, der sich jeden Werktag früh morgens und nach Feierabend durchs Dorf schlängelt –  nahezu nicht vorhanden. Die Coronakrise sorgt dafür, dass die Welt stillsteht – auch im Bayerischen Wald. Auch im kleinen, ohnehin eher ruhigen Örtchen Herzogsreut. Nur für einige wenige Menschen nimmt der Arbeitsalltag seinen gewohnten Lauf. Dazu zählen natürlich die vielen Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Altenheimen, deren Hilfe ich bisher (Gott sei Dank) noch nicht in Anspruch nehmen musste. Dazu zählen aber auch Berufsgruppen wie Postboten, Zeitungsausträger, Müllwagenfahrer und Paketdienst-Mitarbeiter. „Systemrelevante Berufe“, wie man dazu in diesen Zeiten sagt.

„Etwas mulmig ist mir schon“ – trotz täglich steigender Infektionsgefahr stellt Wolfgang Madek in Herzogsreut wie gewohnt die Post zu.

Die Biotonne wurde heute Morgen abgeholt – „wie immer“, denkt man. Auch die Tageszeitung steckt wie gewohnt in der Zeitungsrolle. Gerade in diesen Tagen wird einem bewusst, dass derartige Selbstverständlichkeiten alles andere als selbstverständlich sind. Am späten Vormittag kommt der Postbote und wirft Briefe und Pakete in die Briefkästen der Nachbarschaft. Wolfgang Madek, in Herzogsreut der Mann in Gelb-Dunkelblau, ist einer derjenigen, der in diesen Tagen weiterarbeiten muss.

Der Postbote gibt sich pragmatisch: „Mei, es hilft ja nix“

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Ganz unumwunden gibt er zu: „Etwas mulmig ist mir schon. Ich habe ja viel Kundenkontakt.“ Wie ihm mitgeteilt wurde, werde die Post bis auf Weiteres wie gewohnt zugestellt – trotz täglich steigender Infektionsgefahr. „In der Zentrale stehen Desinfektionsmittel zur Verfügung. Außerdem müssen Pakete nicht mehr schriftlich quittiert werden, um direkten Kontakt zu vermeiden“, berichtet Madek von den auferlegten Sicherheitsmaßnahmen. Mit einem „Mei, es hilft ja nix“ ist er dann auch schon wieder weg – in seiner typisch eifrigen, aber stets freundlichen Art und Weise. Die Arbeit ruft.

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Brot, Brezn, Salzstangerl: Das Bewusstsein, dass eigentlich Selbstverständliches eben nicht selbstverständlich ist, steigt in diesen Coronakrisentagen.

Während Madek der Situation mit pragmatischer Akzeptanz begegnet, ist bei der Fahrerin, die bei uns im Dorf Tiefkühlwaren ausliefert, ein gewisses Unwohlsein deutlich spürbar. Häuser, die unter Corona-Verdacht stehen (auch in Herzogsreut sind es inzwischen so einige), meidet sie – über Nachbarn, Verwandte und Bekannte bringt sie ihre derzeit noch begehrteren Waren dennoch an den Mann bzw. an die Frau. Ähnlich ergeht es dem Bäcker, der mit seinem kleinen Transporter jede Woche Brot und Brezn im Dorf ausliefert, sowie dem jüngst von der Gemeinde eingerichteten Lieferdienst-Fahrer: Sie können sich einerseits vor Kundschaft nicht retten, andererseits besteht für sie eine deutlich höhere Infektionsgefahr…

„Schenkt diesen Menschen ein Lächeln“

All diese Menschen sind – fernab der akutmedizinischen Versorgungsträger, die großteils den Umgang mit Krankheiten aller Art gewohnt sind – derzeit die stillen, beinahe unsichtbaren Helden, die unserem Alltag einen Hauch von Normalität verleihen. Von den „großkopferten“ (Bundes-)Politikern kann man zu jener Zeit halten, was man will. Doch in Anbetracht von „systemrelevanten Berufsausübern“ wie Wolfgang Madek & Co. kann ich mich nur Gesundheitsminister Jens Spahn anschließen: Schenkt diesen Menschen ein Lächeln, gerade in diesen Tagen…

Helmut Weigerstorfer

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Im Rahmen des Hog’n-Corona-Tagebuches beschreiben die Hog’n-Redakteure Sabine Simon, Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer abwechselnd die Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf ihr Privatleben, auf ihr Umfeld und die generelle Situation im Bayerischen Wald.

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