Mittwoch, 15. April: Spielt mir mein Bewusstsein einen Streich – oder entspricht meine subjektive Wahrnehmung der Realität? Am 21. März – also vor etwas mehr als drei Wochen – ist die Ausgangsbeschränkung in Bayern in Kraft getreten. Damals war ich nicht nur wegen des frostigen Wetters davon überzeugt, dass der Corona-bedingte Hausarrest von den Waidlern ohne Wenn und Aber eingehalten wird. Nach dem vergangenen Osterwochenende hat sich meine Meinung jedoch abrupt geändert, denn: Einkaufsfahrten werden zu Familienausflügen, Spaziergänge zu Wandertreffen größerer Gruppen, der Mindestabstand wird zum gut gemeinten Vorsatz, an den sich nicht viele halten. Ich stelle mir die Frage: Wird die Ausgangsbeschränkung mit zunehmender Dauer immer mehr zur Farce?
Ein Blick in die überregionalen Medien scheint meinen Eindruck zu bestätigen. Die Boulevard-Zeitung mit den vier großen Buchstaben beobachtete zuletzt mit einem Bewegungsradar, das mittels anonymisierter Handydaten erstellt worden ist, den Aktionsradius der Deutschen. Das Ergebnis: Nach strenger Einhaltung zu Beginn der Corona-Sonderregelungen wurden die Bundesbürger zuletzt immer aktiver. Auch der Spiegel hat eine ähnliche Auswertung vorgenommen – mit dem Resümee: „Deutsche sind immer mehr unterwegs.“ Darüber hinaus häufen sich die Polizeimitteilungen, die über Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz berichten – zumindest laut meiner Wahrnehmung.
Ein polizeilicher Blick auf die Bayerwald-Landkreise
Wie es sich für einen sauber arbeitenden Journalisten jedoch gehört, hole ich weitere Meinungen und Beweismaterial zu diesem Thema ein, ehe ich zu einem Schluss komme. Und wer könnte über die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen besser urteilen als die Polizei, die entsprechende Kontrollen vornimmt und Vergehen ahndet? Eine allgemeine Bilanz für den Regierungsbezirk hat das Polizeipräsidium Niederbayern am Dienstag (14.4.) veröffentlicht. Mehr als 4.500 Kontrollen in Sachen Corona-Hausarrest sin demnach von Karfreitag bis Ostermontag durchgeführt worden. Knapp 600 Verstöße wurden dabei festgestellt, heißt es im Bericht. Zahlen, die hoch erscheinen, die jedoch auch in Relation gesetzt werden müssen: Rund 1,2 Millionen Menschen wohnen laut Wikipedia in Niederbayern – lediglich 0,05 Prozent haben sich also nachweislich nicht an die Corona-Verordnungen gehalten.
Noch deutlicher wird das Ganze, wenn man auf die beiden Bayerwald-Landkreise FRG und REG blickt. Auf Hog’n-Nachfrage berichtet Maximilian Bohms, Sprecher der Polizei Niederbayern, dass am Osterwochenende in Freyung-Grafenau sieben Verstöße festgestellt wurden, in Regen 15 (bei jeweils knapp 80.000 Einwohnern) – in Prozent ergibt dies einen Wert von 0,008 bzw. 0,018. „Grundsätzlich ist die Polizei Niederbayern mit der bisherigen Bilanz – inklusive Osterwochenende – zufrieden. Kleinere Ausreißer an schönen Wochenendtagen, wie auch am Ostersonntag, sind in Anbetracht der niederbayerischen Gesamtbevölkerung von rund 1,2 Millionen Einwohnern trotzdem einer kleinen Bevölkerungsgruppe zuzuordnen“, teilt Bohms mit.
Bin ich ein Beobachter?
Wie es scheint, hat mir also meine Wahrnehmung tatsächlich einen Streich gespielt. Liegt’s daran, dass ich Menschenansammlungen von mehr als drei Personen, die zudem aus meinem Haushalt stammen, schlicht und einfach nicht mehr gewohnt bin? Oder liegt’s daran, dass auch ich inzwischen (schleichenderweise) zu einem Beobachter, zu einer Art Blockwart, mutiert bin? Sei es, wie es sei. Die Niederbayern, allen voran die FRG’ler und Regener, verhalten sich offenbar größtenteils weiterhin recht folgsam, was die Ausgangsbeschränkungen betrifft. Um deren Dauer sowie Lockerung ist ohnehin längst eine Diskussion entbrannt, die uns wohl noch länger begleiten wird…
Helmut Weigerstorfer
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Im Rahmen des Hog’n-Corona-Tagebuches beschreiben die Hog’n-Redakteure Sabine Simon, Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer abwechselnd die Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf ihr Privatleben, auf ihr Umfeld und die generelle Situation im Bayerischen Wald.