Mittwoch, 18. März: In Zeiten der sog. Corona-Krise steigt allerorts das Bedürfnis nach Informationen um ein Vielfaches an. Die Leute lechzen geradezu nach Auskunft und Aufklärung, um sich gegen die unsichtbare Gefahr zu wappnen – und sie durch jeden noch so kleinen Nachrichten-Strohhalm greifbarer, nahbarer zu machen. Der Blick in die sog. Sozialen Medien ist dabei nicht immer hilfreich – neben als seriös zu bezeichnenden Quellen wie die Facebook-Seite der Weltgesundheitsorganisation WHO kursieren derzeit auch viele Fake-News und Verschwörungstheorien, die die Ängste und das Kopfkino der verunsicherten Menschenmassen (auch im Woid) befördern. Der Corona-Netz-Blick…
Als Journalist ist man in diesen Tagen mehr denn je gefordert die Fake-News-Spreu vom True-News-Weizen zu trennen. Eine Aufgabe, die gewiss nicht immer einfach ist, aber in den allermeisten Fällen gelingt. Dabei verbreiten sich Falschmeldungen Studien zufolge sehr viel schneller als seriöse Nachrichten. Was also generell nicht schaden kann: zu prüfen, ob das, was sich in den sog. Sozialen Medien bzw. über Messengerdienste wie WhatsApp in Windeseile verbreitet, überhaupt der Wahrheit entsprechen kann. Frei nach dem Motto: zuerst denken (hinterfragen), dann handeln (teilen bzw. nicht teilen).
„Wer hamstert so spät durch Nacht und Wind?
Eines der jüngsten Schauermärchen, das u.a. vom Aufklärungsportal „Mimikama“ dankenswerterweise als solches entlarvt wurde, spielt sich auf dem Flugplatz Leipzig-Altenburg ab, auf dem angeblich ein Erstaufnahmezelt für Flüchtlinge errichtet worden sei – wodurch „still und heimlich Risikofaktoren ins Land geschleust“ würden. „Das bedeutet für die Bundesregierung mit aller Kraft den Corona Virus zu bekämpfen“, ist auf dem Screenshot weiter zu lesen. In Wahrheit handelt es sich bei dem Zelt um eine provisorische Lagerhalle von VW, um dort aus Platzgründen den Golf Variant aufzubereiten. Dies als nur ein Beispiel von etlichen.
Es gibt aber auch andere Strömungen im Social Web, die neben all den Falschmeldungen sowie vielen Richtigmeldungen vor allem eines beweisen: Humor und Lebensfreude. Da wären zum einen die vielen Videos zu nennen, auf denen singende und musizierende Italiener zu sehen sind, die auf ihren Balkonen stehend der Corona-Quarantäne trotzen. Zum Vergleich gibt es ein (wohl inszeniertes) Video, auf dem ein Nenas „99 Luftballons“ trällernder Balkonianier den Unmut seiner deutschen Nachbarschaft weckt, um so den Kontrast zwischen den Corona-depressiven Teutonen und den offenbar in jeder Lebenslage positiven Südländern zu verdeutlichen.Zum anderen gibt es so wunderbare Gedichte wie das von Rene Sternberg, der Goethes Erlkönig „coronisiert“ hat: „Wer hamstert so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Deutsche, der wieder spinnt…“ Oder die Idee vom gestrickten Klopapier, das waschbar und für 100 Euro käuflich zu erwerben ist. (Es gibt übrigens auch noch eine nicht minder witzige Schleifpapier-Variante, die überaus schmerzhaft erscheint und vor der augenzwinkernd als „Fälschung“ gewarnt wird.)
Nichts mehr sehen und nichts mehr lesen davon
Gefühlt jeder zweite Post in der Facebook-Timeline hat derzeit mit dem Coronavirus-Thema zu tun. Die Übersicht in diesem bunten Strauß aus Meldungen aller Art zu behalten, ist die Kunst der Stunde. Und so manches Mal ist auch schon das Gefühl in einem hochgekommen, dass man all das Corona-Zeugs einfach nichts mehr sehen und nicht mehr lesen möchte – außer es handelt sich um Nachrichten wie „Erster bayerischer Corona-Patient ist wieder ganz gesund„. Davon können selbst Journalisten, die – man möge es kaum glauben – auch nur Menschen sind, in diesen Tagen kaum genug bekommen…
Stephan Hörhammer
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Im Rahmen des Hog’n-Corona-Tagebuches beschreiben die Hog’n-Redakteure Sabine Simon, Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer abwechselnd die Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf ihr Privatleben, auf ihr Umfeld und die generelle Situation im Bayerischen Wald.
- Coronakrise im Woid – Tag 1: Ohne Kindergarten, aber mit Großeltern
- Coronakrise im Woid – Tag 2: Wenn die schönste zur absoluten Nebensache wird
- Coronakrise im Woid – Tag 4: Weit weg war gestern!
- Coronakrise im Woid – Tag 5: Die, die weitermachen müssen
- Coronakrise im Woid – Tag 6: Als wäre eine höhere Macht im Spiel
- Coronakrise im Woid – Tag 7: Die erzwungene Entschleunigung