Neuschönau. „Wunderschöne Tiere“ – „Zeit is worn, dass wieder welche einekemmand“ – „Da freuen wir uns schon auf den nächsten Besuch„. Die Reaktionen über die vor Kurzem ins Tierfreigelände am Nationalparkzentrum Lusen neu eingesetzten Wölfe, zwei Rüden, (da Hog’n berichtete) sind in den Sozialen Medien überwiegend positiv ausgefallen. Doch es gab auch negative Stimmen wie „Wölfe gehören bestimmt nicht in ein Gehege„. Oder: „Es ist eine Schande, was mit dem schönen Gehege passiert! Zwei männliche Wölfe – Biebelrieder und Sinner würden sich im Grab umdrehen!“
Ja, das Thema ist kontrovers – und das nicht erst seit vorgestern. Mehrere Interessenlagen stoßen hier aufeinander, allen voran das Spannungsfeld zwischen Tourismus und Tierschutz. Die eine Seite will möglichst viele Besucher durch die Wiederbesetzung des Wolfsgeheges im Nationalpark anlocken und erhofft sich dadurch wirtschaftlichen Profit u.a. für die Region, für die umliegenden Gemeinden. Die andere Seite hält generell wenig von der Haltung von Tieren in Gefangenschaft und vertritt etwa die Meinung, dass Wölfe sich – wenn auch auf reglementierte Art und Weise – in der Natur frei bewegen sollen.
Der Wolf als „Besuchermagnet“
Die Befürworter der Gehegehaltung argumentieren, dass man dadurch einen wichtigen Beitrag für die Bildungs- und Informationsarbeit leisten sowie Ängste und Vorurteile gegen den Wolf abbauen könne. „Wir können hier zeigen, wie die Wölfe leben und welche Stellung sie im Ökosystem haben“, betont Ursula Schuster, seit 1. August 2023 neue Nationalparkleiterin und somit Nachfolgerin von Dr. Franz Leibl, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Schuster bezeichnete die Wölfe jüngst als „Besuchermagnet“ des Tier-Freigeländes in Neuschönau. Sie hat sich offensichtlich von der lokalpolitischen Mehrheit im kommunalen Nationalparkausschuss, dem die Landräte der Kreise Freyung-Grafenau und Regen vorsitzen, davon überzeugen lassen, dass die von ihnen geforderte Wiederbesetzung des Wolfsgeheges im touristischen Sinne Vorrang habe.
Dass auch Neuschönaus Bürgermeister Alfons Schinabeck zu den Verfechtern der Rückkehr von Meister Isegrim in das zuletzt eineinhalb Jahre verwaiste eingezäunte Territorium zählt, verwundert dabei nicht wirklich – auch wenn er sich augenscheinlich lieber als Wolfsfreund und Umweltschützer geriert, was für einen Rathaus-Chef in Zeiten zunehmender Bedeutung ökopolitischer Aspekte gewiss schicklich ist. Zitat Schinabeck: „Ich hoffe sehr, dass gerade die Umweltbildung des Nationalparks dazu beitragen kann, den Wolf in ein besseres Licht zu setzen, wie es derzeit in der Öffentlichkeit der Fall ist.“ Seine Gemeinde dürfte jedenfalls mittelbar am meisten finanziell von der Wiederbesetzung profitieren.
Widersprüchliche Aussagen
Stellt sich noch die Frage, warum man sich gerade für die Zwei-Rüden-Kombination als Nachfolgerschaft im Neuschönauer Gehege entschieden hat. Und daran angeknüpft: „Wann wird es wieder ein richtiges Rudel geben?“, wie auch ein Facebook-Nutzer wissen möchte. Angeblich wolle der Nationalpark keinen Nachwuchs mehr im Gehege und setzte deswegen keine Fähen, sprich: weibliche Wölfe, mehr ein, brodelt die Gerüchteküche.
Eine diesbezügliche Anfrage ans zuständige Umweltministerium führt zunächst zu keiner Antwort. Nach einem Erinnerungsruf meldet sich die Presseabteilung der Nationalparkverwaltung: „Erfahrungen aus der Gehegehaltung von Wölfen zeigen, dass die gemeinsame Haltung von männlichen und nahe verwandten Wölfen in der Regel harmonischer verläuft als andere Konstellationen“, wird dem Hog’n schließlich mitgeteilt. Auf erneute Nachfrage bestätigt man, dass „ein rein männliches Rudel“ geplant ist und dass die Verwaltung „mit allen Kräften daran arbeitet, schnellstmöglich für die Tier-Freigelände des Nationalparks Wolfszuwachs zu finden“. Einen genauen Zeitpunkt für die Aufstockung anzugeben sei jedoch aktuell nicht möglich.
Aussagen, die klar im Widerspruch stehen zu dem, was das Ministerium bzw. Dr. Franz Leibl noch vor einem Jahr gegenüber dem BR geäußert haben. Dort war u.a. zu lesen, dass das Umweltministerium die Haltung von Wölfen in Gefangenschaft skeptisch sehe und Tierschutzgründe dagegen sprechen würden. Die Nationalparkverwaltung dürfe die Gehege vorerst gar nicht mit neuen Tieren besetzen. Ein Argument sei zum Beispiel, dass in Rudeln rangniedrige Tiere von anderen Wölfen verletzt oder sogar getötet werden können, da sie nicht in die Natur abwandern können. Und weiter: „Eine Kompromisslösung des Ministeriums sehe vor, die Gehege eventuell mit Wölfen zu besetzen, die aus anderen Zoos oder Wildparks raus müssen. Gedacht werde dann zum Beispiel nur an weibliche Tiere, so der Nationalparkleiter, um weniger Konflikte im Gehege zu haben.“
„Großzügige Landschaftsgehege“
Danach gefragt, wie es im Zuge der Wiederbesetzung zum Sinneswandel des Ministeriums und den Verantwortlichen des Nationalparks gekommen ist, erhalten wir folgende Antwort: „Die Nationalparkverwaltung hat sich in den vergangenen Monaten weiterhin intensiv mit vielen Wolfsexperten ausgetauscht. Dabei ist man zu dem Schluss gekommen, dass eine Haltung von rein männlichen Grauwölfen in den Gehegen am erfolgversprechendsten ist.“
Letztendlich habe man die Entscheidung getroffen, „dass der Wiederbesatz mit Tieren, die bereits andernorts in menschlicher Obhut geboren wurden, gerechtfertigt ist – auch vor dem Hintergrund des Mehrwerts für die Umweltbildung.“ Dabei hätten insbesondere auch die „großzügigen Landschaftsgehege“ eine wichtige Rolle gespielt, die es den Tieren ermöglichen würden, ihr natürliches Verhalten auszuleben. Zur Info: Das Gehege in Neuschönau umfasst eine Fläche von rund 4,5 Hektar, dasjenige in Ludwigsthal, wo die im August im Alter von acht Jahren verstorbene und bis dato letzte Nationalpark-Geehgewölfin untergebracht war (da Hog’n berichtete), etwas mehr als drei Hektar. Zum Vergleich: Ein typisches Wolfsrevier misst rund 15.000 bis 20.ooo Hektar.
„Fließt mit ein“
Die Rolle, die der Nationalparkausschuss und deren Mitglieder bei der letztlichen Entscheidung, das Gehege wieder zu besetzen, gespielt haben, wird seitens der NP-Verwaltung wie folgt beschrieben: „Die Meinung des Nationalparkausschusses fließt neben vielen weiteren Aspekten in den Meinungsbildungsprozess mit ein.“
Stephan Hörhammer