Mauth/Freyung. Nachdem der Freyunger Heimatkundler Max Raab im ersten Teil unserer Serie Franz Staller, jenen (fast) vergessenen Mauther Kunstmaler, mit den wichtigsten Eckdaten vorgestellt hatte, lässt er nun diejenigen Waidler zu Wort kommen, die Staller selbst noch gekannt haben oder etwas über ihn zu berichten wissen – „und zwar so, wie sie es mir erzählten“, betont Raab. „Vor unserem geistigen Auge entsteht dabei das Bild eines Menschen, wie ihn die Dorfgemeinschaft, in der er über 35 Jahre lebte, wahrgenommen und gesehen hatte. Und ihn nie akzeptierte.“
Johann Poxleitner: „Bilder tauschte er gegen Lebensmittel“
„Johann Poxleitner hat mir als Erster über Staller erzählt. Er war der Erste, der die beiden Bilder nach ihrem jahrzehntelangen Verbleib im Depot des Wolfsteiner Heimatmuseums dem Maler aus Mauth zuordnen konnte“, erinnert sich Max Raab und ergänzt: Er erkannte den Namen, mit dem die Bilder signiert waren. Johann Poxleitner, der – wie Max Raab – ebenfalls viele Jahre das Wolfsteiner Heimatmuseum betreute, erzählte ihm Folgendes:
„Der Staller wohnte in Miete beim Blöchl in der Mauth. Das war früher das Mauth-Haus. Heute steht da ein neueres Haus, da ist der Frisör drin. Unsere Familie wohnte im gleichen Haus, drum habe ich Staller gekannt. Seine Bilder tauschte er, wenn es möglich war, gegen Lebensmittel, so z.B. bei der Metzgerei Fuchs. Einen Teil seiner Malfarben hat er selber hergestellt, etwa aus Birkenrinde, das war dann gelb.
Nach dem Tod Stallers hatte der Blöchl die Malerwohnung ausgeräumt. Ein Spezl und ich, wir waren so um die acht Jahre alt, haben da mitgeholfen. Wir haben Bilder und Bilderrollen in eine Grube geworfen und angezündet, das Nachtkastl und die Matratzen und sonstiges Zeug wurde alles verbrannt. Da waren auch einige ganz große Bilder dabei. Drum hab ich mich so gefreut, als ich die zwei Bilder im Museum hängen gesehen hab.“
Therese Haydn: „Sie bewohnten ein einziges Zimmer“
„Ich habe ihn noch persönlich gekannt, ich war damals ein junges Mädchen“, berichtet Therese Haydn gegenüber Max Raab. „Staller ist öfters in die Werkstatt meines Vaters gekommen, der war Schaufelmacher. Dort hat er sich Holzabfälle zum Heizen geholt. Das Ehepaar Staller war sehr, sehr arm. Er hatte lange, graue Haare und trug immer so eine Art Baskenmütze. Seine Frau soll eine Adelige gewesen sein. Wir Kinder sind manchmal zu den Stallers in die Wohnung gegangen. Sie bewohnten ein einziges Zimmer im alten Mauth-Haus, das gehörte dem Blöchl. Die Stallers hatten mehrere Katzen. Ich habe noch zwei Bilder von ihm.“
Franz Stallers Frau Sophie ist Therese Haydn zufolge an einer Pilzvergiftung gestorben. „Sie hatten ja öfters nichts zum Essen. Da ist er in den Wald gegangen um Schwammerl. Das war im Jahr 1948. Und Staller lebte ja nur von der Malerei, von seinen Bildern.“ Er soll nach Therese Haydns Erinnerung in der Holzapfelmühle gewohnt haben, bevor die beiden Mauth kamen. Die Holzapfelmühle ist die heutige Waldmühle, ein Sägewerk mitten im Wald.
Auch Therese Haydn berichtet davon, dass Staller seine Werke gegen Lebensmittel getauscht hat. „Der Beer Sepp, der Metzger, hat mir einmal ungerahmte Bilder vom Staller gezeigt, sie waren in einem großen Umschlag, der hat sie bestimmt noch.“ Staller sei der Mautherin zufolge im Februar 1956 im Krankenhaus in Freyung gestorben. Der damalige Mauther Bürgermeister Fuchs habe ihn dort besucht, mit dem sog. Christl-Bus. „Wegen des hohen Schnees auf der Straße und weil es dort, bei den drei Eichen, kurz vor Freyung, zugewachelt war, mussten die Fahrgäste aussteigen und anschieben. Dem Fuchs hat der Wind den Hut davongeblasen – und weil er ihn gesucht hat, musste er dem Bus nachlaufen“, schildert Therese Haydn.
Hilde Herzog: „Mein Vater hatte ab 1938 Kontakt zu ihm“
Hilde Herzog ist die Tochter von Karl Herzog, dem letzten Lehrer von Leopoldsreut. Ihre Bekanntschaft kam bei einem ihrer Besuche im Wolfsteiner Heimatmuseum zustande. Dabei bot sie Max Raab an, die Unterlagen ihres Vaters über das einstige Bayerwalddorf dem Museum zur Verfügung zu stellen. „Dabei sah sie auch die beiden Staller-Bilder und wir kamen ins Gespräch, wobei sie mir mitteilte, dass in ihrem Haus in Spiegelau noch vier Bilder von ihm hängen.“ Über Staller erzählte sie ihm Folgendes:
„Mein Vater war während der Kriegsjahre Lehrer in Leopoldsreut. Nach der Schließung der Schule kam er nach Kreuzberg, später nach Ringelai, Kirchl und Hohenau. Mein Vater hatte ab 1938 bereits Kontakt zu Staller. Auch als wir nach Kreuzberg und später nach Ringelai gezogen sind, besuchte uns er dort des Öfteren. Mein Vater kaufte ihm einige Bilder ab und ließ sie in Freyung beim Müller rahmen. Ich selber habe nur in Erinnerung, dass in Ringelai meine Mutter immer dann, wenn jemand zu uns kam, etwas zum Essen und Trinken angeboten hat – so auch Franz Staller. In der Kriegs- und Nachkriegszeit hatten wir fast alle ganz wenig Geld, aber meine Eltern wollten diesem Mann helfen, auch weil ihnen die Bilder sehr gefallen haben. Das haben sie mir später erzählt. Ich und meine drei Brüder waren ja noch zu klein, um diese Gegebenheiten zu erfassen. In Ringelai hatten wir einen Gemüsegarten und Obstbäume. Meine Eltern füllten ihm seinen Tragebeutel mit dem, was gerade da war. In der Mauth ist so etwas ja kaum gewachsen.
Auf einem Bild ist ein Haus aus Zwölfhäuser zu sehen. Da habe ich auf der Rückseite etwas dazugeschrieben:
„Dies Bild hat 1942 gemalt der Kunstmaler Staller von Mauth. Es ist ein altes Waldlerhaus in Zwölfhäuser b. Mauth mit dem typischen abgeflachten Dach mit Legschindeln, von Steinen beschwert. Der Maler Staller hat auch unseren alten Bauernschrank malerisch etwas renoviert und die Ansicht Kreuzberg, gesehen von Vierhäuser aus, gemalt. Der Künstler soll kurz nach dem Tod seiner Frau 1950 in Mauth gestorben sein. Er ist mit einer Künstlergruppe 1922 nach Mauth gekommen. Alle Anderen sind während der Inflation abgewandert.“
Georg und Gertrud Knaus: „Auffallend blaue Augen“
„Meine Mutter Brigitte hat in ihrem Fotoarchiv ein Bild, das den Maler Staller zeigt und das mein Großvater Ignaz Garhammer aufgenommen hat“, berichtet Hog’n-Fotograf Georg Knaus aus Freyung. Dessen Tante Gertrud ergänzt, dass sie sich noch an Staller erinnern kann: „Er hatte weiße, lange Haare, auffallend blaue Augen, er hatte eine Baskenmütze auf und er trug eine Pelerine.“ Ihr Bruder Othmar hat von Staller ein Bild, auf dem der Heilige Bruder Konrad zu sehen ist. Ein sehr schönes Bild.“
Max Raab/ da Hog’n
Im nächsten Teil unserer Serie über den Mauther Kunstmaler kommt Inge Poxleitner zu Wort, deren Sohn Josef wertvolle Aufzeichnungen seiner Mutter in Sachen Franz Staller an Max Raab übergab.