Bayerischer Wald. „Fahr hin und werd glücklich“ – so lautet der Untertitel des Reiseführers von Autor Gregor Wolf, der da druckfrisch im Düsseldorfer Droste-Verlag erschienen ist. Der gelernte Journalist, der beim Nationalpark für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, präsentiert darin seine 80 „Glücksorte im Bayerischen Wald“. Eine Mischung, wie der Grafenauer im Vorwort schreibt, von „neu beleuchteten Klassikern“ und „persönlichen Geheimtipps“, die dem geneigten Leser insbesondere eins bescheren sollen: Glücksmomente.
Ein bekanntes deutsches Sprichwort besagt: „Das Glück ist ein Rindvieh und sucht seinesgleichen.“ Was so viel bedeutet wie: Das Glück lässt sich nicht erzwingen, denn nur der wird es finden, der nicht (bewusst) danach sucht. Oder anders betrachtet: Wer dem Glück hinterher rennt, der läuft daran vorbei. Wie sehr Gregor Wolf seine Glücksorte nach dem Zufallsprinzip ausgesucht hat, verrät er nicht. Nur so viel: Lediglich die „absoluten Höhepunkte“ haben es in sein Erstlingswerk geschafft. Feststeht: Die Auswahl ist groß und vielfältig – und durchaus nicht uninteressant für Einheimische.
Braucht’s des?
Viele kennen Buch-Titel wie „100 Dinge, die man einmal im Leben getan haben sollte“. Oder: „50 einmalige Orte zum XY“. Oder: „111 Orte in XY, die man gesehen haben muss“. Vom schematischen Aufbau erinnert auch das Glücksorte-Buch daran – und der ein oder andere mag wohl jetzt denken: Nicht schon wieder so eine „trendige“ Konzept-Publikation, die in den vergangenen Jahren wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind (im Übrigen auch über den Bayerwald). Die Frage „Braucht’s des?“ mag einem da reflexartig in den Sinn kommen. Im Droste-Verlag sind bereits etliche Glücksort-Regionen erschienen, darunter das Allgäu, die Ostsee, das Sauerland, Städte wie Freiburg, Köln oder Hamburg – ja sogar das Ruhrgebiet (selbst dort soll es welche geben). Und nun also der Bayerische Wald.
Zunächst: Der Einband, der beim Aufklappen ein Zitat des österreichischen Schriftstellers Ernst Ferstl bereithält, ist rein haptisch betrachtet außergewöhnlich. Wie eine Art Gummi fühlt er sich an. Das Cover zieren grüne Hügel, hellblaue Gewässer und dunkelblaue Anhöhen. Dazwischen ist das ein oder andere Wahrzeichen des Bayerwalds zu erkennen, so etwa das Baum-Ei oder die ehemaligen Abhöranlagen am Hohen Bogen.
Nach Vorwort und Inhaltsverzeichnis geht’s sogleich los mit den insgesamt 80 Glücksorten aus dem Unteren, Mittleren und Oberen Woid, die sich für den Leser zum Preis von 14,99 Euro auf gut 160 Seiten verteilen. Pro Glücksort zwei Seiten, jeweils eine linke mit Beschreibung, Geheimtipp des Autors sowie weiterführenden Infos am unteren Seitenrand – und eine rechte mit ansprechender Foto-Optik. Eine Art Richtschnur lässt sich bei der Zusammenstellung der Glücksorte nicht erkennen, sprich: etwa eine Ordnung nach Jahreszeiten oder eine Ausrichtung von Nord nach Süd oder umgekehrt. Womit wir dann doch wieder beim Zufall wären…
Von Ädäm’s Cocktailbar ins Zwieseler Solebecken
Begibt man sich auf Tour durch den Reiseführer, landet man zuallererst „Über den Wolken“: In Glücksort Nummer eins beschreibt Gregor Wolf „die aussichtsreichen Bayerwald-Hochlagen“ mit ihrer „mystischen Stimmung“ – einem „erhabenen Gefühl“, das „dem Zauber des sanften Aufwachens am Morgen gleichkommt“. Ein „einmaliges Glücksgefühl“ stellt sich ihm zufolge in dem Moment ein, „in dem man die Nebeldecke durchbricht“ und einem „die ganze vernebelte Landschaft zu Füßen liegt“. Ja, a bissal floskelhaft muten diese Zeilen dann doch an. Etwas weniger aufgehübschte PR-Schreibe und dafür etwas mehr Wolf’sche Eigenkreationen hätten den Beschreibungstexten gewiss gut getan. Aber vielleicht wollte der Verlagslektor dies ja so haben. Andererseits: Wer, wenn nicht Gregor Wolf, der den Nationalpark Bayerischer Wald wie seine Westentasche kennt, scheint dazu berechtigt für den Woid an der ein oder anderen Stelle auch einmal den klassischen PR-Werbesprech auszupacken?
Weiter geht’s dann mit dem Segway rund um Grafenau, in Ädäm’s Cocktailbar nach Frauenau oder zum Wackelstein bei Saldenburg. Zu den eingangs angesprochenen Glücksort-Klassikern dürften u.a. der Lusen, das Freilichtmuseum Finsterau, die Rachelkapelle im Nationalpark und viele weitere Orte zählen. Auch da Woid Woife darf nicht fehlen. Gut gefällt, dass der Erschaffer des Reiseführers auch auf das leibliche Wohl des Lesers achtet – und ihm beispielsweise einen Besuch bei Kaffee-König Jens Kirmse in Zwiesel, in der Pizzeria „da Luigi“ in St. Oswald oder in der historischen Berghütte Schareben bei Drachselsried, wo einem „idyllischer Kaiserschmarrn“ kredenzt wird, ans Herz legt.
Für Einheimische interessant (da weniger bekannt) dürften Tipps wie das Solebecken in der Bayerwald-Sauna im Zwieseler Erholungsbad, die Übernachtung im Hyt-Tiny-House bei Bernried, der Schaukelweg bei Breitenberg oder das Hochmoor Todtenau bei Kirchberg im Wald sein. Warum das Waldkirchener Modehaus „Garhammer“ ebenfalls einen Platz in der Glücksorte-Reihe bekommen hat, erschließt sich zumindest dem Autor dieser Zeilen nicht wirklich – aber das ist dann wohl keine Glücks-, sondern eher Geschmackssache…
Schön kompakt und sympathisch aufgemacht
Zurück also zur obigen Ausgangsfrage, ob’s denn so einen Glücksorte-Reiseführer für und durch den Bayerischen Wald überhaupt (noch) braucht. Für all diejenigen, die in diesen Breitengraden zum ersten (aber auch wiederholten) Mal ihren Urlaub verbringen wollen, definitiv. Und auch für die Hiesigen gibt’s noch so einiges zu entdecken. Die 80 Ausflugsziele sind schön kompakt zusammengefasst und sympathisch aufgemacht. Ein Reiseführer, der schnell eingepackt ist und einem sogleich die Spezialitäten des Bayerwalds näherbringt. Ob sich das Glück an diesen Orten – wie der Buchtitel suggeriert – ganz wie von allein einstellt, darf dann jeder für sich selbst herausfinden…
Stephan Hörhammer
Gregor Wolf, „Glücksorte im Bayerischen Wald“, 168 Seiten, Droste Verlag im Juli 2020, 14,99 Euro, ISBN: 978-3-7700-2187-1.