Hoher Bogen. „Es war irgendwie eine Reise in eine Vergangenheit“, sagte Regens Landrat Michael Adam nach einem Besuch am Hohen Bogen (Landkreis Cham). Nachdem Michael Schreiner die dortigen Abhöranlagen erworben hat und ihn zum Besuch eingeladen hatte, war er gerne gekommen, um sich vor Ort zu informieren. „Normalerweise mache ich keine derartigen Besichtigungen in einem Nachbarlandkreis“, so Adam weiter. Die Anlage habe ihn aber bereits als Kind „aus der Ferne“ fasziniert.
Eingeladen hatte den Landrat der Eigentümer aus Regen – zusammen mit der Fördervereinsvorsitzenden Bettina Grüner führte er den Landrat durch die Anlage und erklärte ihm auch die künftige Nutzung. Gesichert wird die Anlage, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, durch zwei große Eingangstore, dahinter liegen eine Durchgangsschleuse und ein großes Metalltor, das sich elektrisch öffnen lässt – das Szenario erinnert ein bisschen an ein Gefängnistor. „Hier hat der Hochsicherheitstrakt begonnen“, erklärt Schreiner.
Auf einer Karte stehen noch heute Ost-Stützpunkte
Auf dem Hohen Bogen hatten sich nach dem Krieg die Bundeswehr, das amerikanische und das französische Militär niedergelassen. „Von hier aus konnte man bestens in den damaligen Ostblock blicken – und eben auch abhören“, weiß er. Alle drei Nationen lauschten und spähten von hier in den Osten. Dabei wurde strikt getrennt gearbeitet: Die Amerikaner hatten außerhalb der Anlage ein eigenes Gelände mit Antennen und Gebäuden, das im Sommer 2012 durch die Bayerischen Staatsforsten abgerissen wurde. Der französische und der deutsche Lausch- und Horchposten hingegen steht noch heute.
Genau diesen Teil des Geländes durfte Michael Adam inspizieren. Durch einen Tunnel ging es in den Sektor F – so wurde das Gelände einst militärisch genannt. Im Tunnel befand sich unter anderem der Führungsbunker. Hier hätte das Personal sogar während eines atomaren Angriffes ausharren können. Die meisten Teile der Anlage funktionieren nach wie vor. So lässt sich die Türe immer noch luftdicht verschließen, auch die Lüftungsanlage könnte noch betrieben werden. Das Areal wurde entmilitarisiert verlassen und dennoch kann der Besucher den Atem der Vergangenheit hier spüren. Im Führungsraum hängt eine militärische Landkarte, so groß wie zwei ausgeklappte Schultafeln. Darauf eingezeichnet sind deutsche Kasernen und militärischen Liegenschaften, so wie sie Ende der 90er Jahre vorhanden waren. Ebenfalls findet man darauf die Stützpunkte des Warschauer Paktes, des damaligen Ost-Verteidigungsbündnisses, soweit diese bekannt waren.
Der gesamte Funkverkehr wurde hier belauscht
An einer anderen Wand hängen Zettel, die von besonderen Begebenheiten berichten. So werden Truppenbewegungen in der damaligen Tschechoslowakei beschrieben.
„Wenn wir oben auf dem Turm stehen, dann werden wir sehen, woher die Bundeswehr diese Erkenntnis hat“, erklärt Schreiner. Weiter geht es. Hinaus aus dem Bunker, die ersten Treppen hoch. Hier findet man größere Räume, hier arbeitete man im Schichtbetrieb. Zahlreiche Geräte stehen in den Räumen. Schreiner erklärt, wozu sie dienten, wie abgehört wurde. Der gesamte Funkverkehr wurde belauscht. Dabei gab es am Anfang der 60er Jahre keine elektronische Erkennung, keine Computerprogramme, die wie heute bei Schlüsselwörtern Alarm geben. Die Männer mussten hier mithören und die wichtigsten Informationen herausfiltern.
„In Tschechien gibt es weiterhin Kolchosen“
In den acht Bürostockwerken des Turmes waren dann die entsprechenden Gruppierungen untergebracht – neben der Luftwaffe waren noch andere militärische Einheiten und Bundesstellen vor Ort. Für jede Etage war eine eigene Sicherheitsfreigabe notwendig. Eine enge Wendeltreppe und ein Lift führten nach oben. Ab der achten Etage ging es nur noch zu Fuß über eine noch engere Treppe weiter noch oben. Die letzten Meter mussten auf einer Leiter absolviert werden. Der obere Teil des Turmes war mit einer Art Styropor beschichtet, dahinter befanden sich versteckt und geschützt die sensiblen Empfangsantennen.
Eine Plattform in rund 48 Metern Höhe ermöglicht zudem eine Sichtbeobachtung. „Von hier konnte man einst den Eisernen Vorhang genau erkennen, die Grenze verläuft ziemlich nah“, erzählt der heutige Eigentümer. Vor 25 Jahren konnte man die Grenze noch „sehen“ und vom Turm aus die Truppenbewegungen im Osten beobachten. Heute kann man den Grenzverlauf nur mehr erahnen, die Landschaft gibt eine Orientierungshilfe. „In Tschechien funktioniert die Landwirtschaft nach wie vor meistens in Kolchosen, die haben große Felder. Bayerische Felder sind meist kleiner, so kann man die Gebiete gut unterscheiden.“
Nun soll die Anlage touristisch genutzt werden
An Tagen mit schönem Wetter blickt man vom Turm aus weit nach Tschechien. Man sieht über Pilsen hinaus. Beim Besuch Adams war es zwar bewölkt, aber zumindest Pilsen war gut erkennbar.
„Der Ausblick ist doch traumhaft, oder?“, fragt Schreiner und Adam kann ihm da nur zustimmen. Genau dies will Schreiner in Zukunft touristisch nutzen. Derzeit laufen die ersten Baumaßnahmen, in den kommenden Wochen und Monaten soll eine Außentreppe entstehen. Besucher können dann den Turm besteigen und den Ausblick genießen. „Man sieht halb Bayern und weit nach Tschechien hinein“, meint Schreiner und so hofft er auf Besucher aus beiden Ländern.
Überhaupt soll die Anlage künftig die Menschen verbinden. Hier können Bayern wie Tschechen ihre Heimat und ihr Nachbarland von oben bestaunen. Neben der touristischen Nutzung soll es auch eine pädagogische geben. Bettina Grüner ist die Vorsitzende des Fördervereins „sektor.f“, sie plant mit ihren Vereinskollegen dort einen Ort der Begegnung im Herzen Europas zu schaffen.
„Hier ist vieles möglich. Mit den Bunkeranlagen und den Turmräumen können die Facetten der Geschichte des Turmes pädagogisch erlebbar gemacht werden sowie einen Ausblick auf das zukünftige Europa geben“, sagt sie. Wichtig ist ihr, dass der Ort informieren soll. Es sollen aber keine neuen Gräben aufgeschüttet werden, vielmehr soll durch das Verstehen der Vergangenheit an einer besseren Zukunft gearbeitet werden.
da Hog’n