Passau/Bayerischer Wald. Der Tourismus und der Bayerische Wald – eine Zweierbeziehung, die immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Eine Liaison, die von Höhen und Tiefen geprägt ist. In seinem Premierenwerk „Waldwellenreiten“ greift auch Jung-Autor Udo Gröbner (37) dieses Thema auf. Der Passauer geht dabei vor allem auf in Traditionen gefangene Familienbetriebe ein – und auf die Schwierigkeit, neue touristische Ideen durchzusetzen…
Optik
Schlicht und einfach kommt es daher, das Cover des Buches. Die prägnantesten Elemente sind der Titel, der in die drei Wörter „Wald“, „Wellen“ und „Reiten“ unterteilt ist, der Name des Autors im Zentrum der Darstellung – sowie ein grüner Wald aus der Vogelperspektive, der in ein schwarzes Nichts überzugehen scheint.
Hier sind Interpretationen wohl erlaubt – oder gar erwünscht. Zeigt das Cover, dass der Bayerische Wald langsam aber sicher dem touristischen Abgrund entgegensteuert? Zeigt es das oft diskutierte Waldsterben durch den Borkenkäfer im Nationalpark Bayerischer Wald, das auch im Buch thematisiert wird? Oder handelt es sich lediglich um eine grafische Gestaltungsmöglichkeit, um den Buchtitel zu betonen: Der grüne Wald als sich aufbäumende Welle, der Autorenname „Udo Gröbner“ als surfernder Wellenreiter, dahinter „The Big Deep Blue“ des „Himmelsmeeres“?
Der Inhalt ist in nicht allzu lange sowie übersichtliche Kapitel und Abschnitte unterteilt, was ein angenehmes Leseerlebnis ermöglicht, ohne dabei im Bleisatz zu versinken. Geübten Leseratten fällt auf, dass die Seiten etwas dicker sind als üblich – was sich zunächst etwas ungewohnt anfühlt und dazu führt, dass man gerade zu Beginn des Buches immer wieder den Eindruck bekommt, eine Seite überblättert zu haben. Doch die griffigeren Blätter sorgen im weiteren Verlauf für höheren Lesekomfort – das gesamte Buch liegt dadurch besser in der Hand.
Mit lediglich 170 Seiten ist das Premierenwerk (Preis: 8,90 Euro) von Udo Gröbner relativ dünn ausgefallen. Für schnelle Bücherwürmer stellt „Waldwellenreiten“ eine eher überschaubare Aufgabe dar: drei, vier mittellange Leseabschnitte – und das Buch ist „vorbei“.
Inhalt
Hauptdarsteller Florian „Flori“ Berthold wird 1996 in Atlanta Olympiasieger im Tontaubenschießen. Diesen kurzzeitigen Ruhm nutzt er für eine Sponsoren-Marketingtour durch die USA und den Start einer eigenen Hotelkette in den Vereinigten Staaten – „nebenbei“ lernt er seine Frau Jessy kennen, mit der er sein Unternehmen aufbaut.
Doch die Ehe scheitert, Florian Bertholds Mama stirbt – und der Olympiasieger kehrt nach Deutschland zurück. Dort erinnert er sich in schwierigen Zeiten an einen Familienurlaub im Bayerischen Wald, den er sogleich wiederholt.
Dabei trifft er auf den Pensionsbesitzer Oskar, der nach dem überraschenden Tod seiner Eltern den Familienbetrieb übernommen hatte. Doch die Geschäfte laufen alles andere als gut, Jahr für Jahr gehen die Übernachtungszahlen zurück. Gemeinsam mit seinem Gast und späteren Geschäftspartner Florian Berthold reift in Oskar die Idee, aus dem überalterten Gasthaus an einem See einen modernen Surfpark zu machen. Die anfängliche Euphorie wird allerdings durch den BUND Naturschutz, die Nachwehen von Floris Scheidung und die Vergangenheit von Oskars Familie arg ausgebremst…
Stil
Premiere gelungen! Udo Gröbner verfügt über einen spannenden und sehr bildhaften Schreibstil. Der Passauer Jung-Autor versteht zweifelsfrei sein Handwerk, das Buch entpuppt sich als stets angenehmer Begleiter – ohne dabei inhaltlich kompliziert zu wirken. Die Geschichte an sich lässt keinerlei Schock-, Erschütterungs- oder Schaudermomente, in denen der Leser regelrecht vereinnahmt wird, zu. Die Story plätschert rührig dahin. Dennoch schafft es Gröbner, einen wahrhafen Spannungsbogen samt Pointe aufzubauen – und gleichzeitig ein aktuelles Thema kritisch zu beleuchten.
Leider verliert sich der Autor in gewissen Szenen, wie etwa bei Floris ersten Surfversuchen, etwas zu sehr in den Details – was freilich auf ein reges Interesse des Autoren für den Surfsport schließen lässt (siehe dazu auch unser Interview etwas weiter unten). Bei Szenen wiederum, in denen man sich als Leser eine etwas ausführlichere Schilderung wünscht – Innenleben Floris nach der Scheidung/nach dem Tod seiner Mutter/Oskars Gedanken nach dem Angebot Floris/Situation nach dem Scheitern der Idee -, bleiben die Details leider aus.
Bayerischer Wald
Ausbleibende Feriengäste im Bayerischen Wald, veraltete Beherbergungsbetriebe, Skepsis gegenüber neuen touristischen Ideen – Udo Gröbner greift mit „Waldwellenreiten“ ein Thema auf, das aktueller denn je ist. Gleichzeitig schafft er es, keine Generalkritik an den Begebenheiten im Woid zu üben, sondern immer wieder zwischen den Zeilen auf die touristischen Missstände hinzuweisen. Gröbner spricht dabei die nicht gerade einfache Suche nach Investoren in Verbindung mit alten Familientraditionen genauso an wie die Schwierigkeiten mit Behörden und Einrichtungen wie den BUND Naturschutz bei der Umsetzung von Bauvorhaben.
Bis auf eine kurze Beschreibung der Ortschaft Waldhäuser und dem Anstieg zum Lusen ist die Geschichte jedoch örtlich nicht gebunden. Der Hauptort, „Spiegelöd“, lässt vermuten, dass die Handlung in Spiegelau stattfinden könnte. Jedoch gibt es keine detaillierten Beschreibungen der Region, die Rückschlüsse darauf zulässt, dass sich die Pension von Oskar tatsächlich im Bayerischen Wald befindet.
Verlosung
In Zusammenarbeit mit Udo Gröbner verlosen wir 2 x 1 Buch „Waldwellenreiten“ unter allen Teilnehmern. Wollt Ihr ein Exemplar ergattern? Dann schickt einfach eine Mail mit dem Betreff „Waldwellenreiten“an info@hogn.de. Bitte Eure Kontaktdaten nicht vergessen. Einsendeschluss ist Freitag, 3. August (12 Uhr). Viel Glück!
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„Jetzt oder nie! Entweder, Du machst das jetzt, oder Du lässt es“
(Interview mit Autor Udo Gröbner)
Udo: Wie ist es dazu gekommen, dass Du unter die Buchautoren gehst?
Das Schreiben hat sich als fixe Idee in meinem Kopf festgesetzt, seitdem ich lesen gelernt habe. Als Teenager und Student habe ich immer wieder Kurzgeschichten verfasst, die zum Großteil leider verschollen sind. Zweimal habe ich in dieser Zeit den Versuch unternommen, ein ganzes Buch zu schreiben – das ist für mich die Königsdisziplin. Nach dem Studium wurde es tendenziell aber eher weniger mit dem Schreiben. Der Beruf als Softwareentwickler hat meinen Kopf voll und ganz ausgelastet. Da war kein Platz mehr für Geschichten – bis ich im vergangenen Jahr beschlossen habe, eine kleine Auszeit einzulegen. Dann hab ich mir gesagt: Jetzt oder nie! Entweder, Du machst das jetzt, oder Du lässt es. Das Ergebnis: Waldwellenreiten.
Woher hast Du die Idee für Dein Buch genommen?
Der Ausgangspunkt war die Geschichte mit dem Wirtshaus. Vor einigen Jahren war ich ein paar Tage am Walchensee zum Urlaub. In Oberbayern haben ja sehr viele Gaststätten diese Lüftlmalereien, alles ist auf besonders traditionell getrimmt. Da hat sich mir die Frage gestellt, was solche Traditionen und langjährig geführte Familienbetriebe eigentlich für eine Auswirkung auf die Familien haben. Und so kam der erste Funke für das Buch: Was, wenn ein junger Mensch in so einen Betrieb hineingeworfen wird und sich damit überfordert fühlt? Im Grunde muss man ja irgendwann für sich entscheiden, wie stark man sich seinen Eltern verpflichtet fühlt und wie sich das darauf auswirkt, was man selber in seinem Leben erreichen will.
Als weiteren Grundpfeiler hatte ich außerdem diese absurd anmutende Idee mit dem künstlichen Pool, der ja überhaupt nicht in den Bayerischen Wald passt. Ich hatte mal ein paar Videos von einer Forschungsanlage von Kelly Slater gesehen und fand das ganze Ding spannend. Aber andererseits widerspricht es auch so sehr dem Grundgedanken des „Natur erleben“, das man beim Surfen im Meer eigentlich hat. Viele Surfer sind hochgradig naturverbunden. Gleichzeitig wird der Sport aber immer kommerzieller. Diesen Widerspruch fand ich einfach interessant.
Kollege zu mir: „Ich hoffe, Du schreibst besser, als Du surfst“
Der zweite Handlungsstrang mit Flori hat sich dann von selbst während des Schreibprozesses ergeben. Am Anfang stand bei ihm ausnahmsweise der Name. Ich will gar nicht genau wissen, auf wie vielen Dachböden noch ein „Flobert“ herumliegt. Aber der Name eignet sich auch gut, um als Spitzname durchzugehen. Also musste er Schütze sein – und eine Variation seines Namens musste Flobert ergeben. Und so nach und nach haben sich die Lücken von diesem anfänglichen sportlichen Erfolg bis zum gemeinsamen Projekt dann von selbst geschlossen.
Als ich zu schreiben begonnen habe, ging die Grundidee eigentlich in eine andere Richtung. Es sollte alles etwas absurder sein. Größenwahnsinniger. Die Geschichte hat dann ihren eigenen Fluss entwickelt. Aber ich bin mit dem Ergebnis ganz zufrieden.
„Waldwellenreiten“ ist gespickt mit Surfer-Fachwissen. Wie kommt es dazu?
Vor vier Jahren habe ich damit im Urlaub in Portugal angefangen. Es ist gleichzeitig eine der schönsten und schwierigsten Sportarten, die ich je probiert habe. Seitdem versuche ich mich immer wieder daran. Aber, um einen Surferkollegen zu zitieren: „Du hast ein Buch geschrieben? Ich hoffe, du schreibst besser, als du surfst.“ Ich bin leider echt nicht gut. Aber es macht Spaß.
Hand aufs Herz: Wie viel Wahrheit – vor allem was den Bayerischen Wald betrifft – steckt im Buch?
Einige Sachen, die im Buch vorkommen, sind so oder so ähnlich irgendwo mal passiert. Von der ganzen Atlanta-Geschichte am Anfang über den Teil in Wales und die Hintergrundgeschichte des Wirtshauses. Das sind Sachen, die es gibt oder gab. Aber: All das spielt nur im Bayerischen Wald, weil ich die Geschichte hier auch passend angesiedelt fand. Nicht, weil das tatsächlich hier passiert ist. Zumindest nicht, dass ich davon wüsste. Außerdem ist der Bayerwald als Schauplatz auch unterrepräsentiert. Das muss dringend geändert werden. Es ist ja viel zu schön bei uns. Es gibt auf jeden Fall auch einige kleine Details, die es „in echt“ mal gegeben hat. Aber die Geschichte als solche und die Personen sind rein fiktiv.
Weitere Bücher? „An Ideen und Motivation mangelt es mir nicht“
Wie bewertest Du fernab des Buches die touristische Entwicklung des Bayerischen Waldes?
Gar nicht so schlecht. Das kommt im Buch vielleicht ein wenig zu negativ rüber. Die Übernachtungszahlen sind ja in den letzten Jahren wieder gestiegen und ich glaube auch, dass die Wirte im Allgemeinen einen sehr guten Job machen. Es ist aber auch eine zweischneidige Sache. Manchmal finde ich es schade, dass wir im Vergleich zu Österreich zum Beispiel, wo in jedem Tal fünfzehn Wellnessburgen stehen, vergleichsweise wenig aufgerüstet haben. Andererseits würde das aber auch nicht so richtig zum Charme des Bayerwalds passen, glaube ich. Für mich führt die Zukunft des Bayerwalds eher in Richtung wilde Natur, wilder Wald, wilde Tiere. Aber ich bin weder vom Fach noch habe ich da größeren Einblick. Kann auch sein, dass das eine blöde, romantische Idee ist.
Werden weitere Gröbner-Bücher folgen?
Ich hoffe es. An Ideen und Motivation mangelt es mir zumindest nicht. Da ist eher die Zeit der limitierende Faktor.
Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
Rezension und Interview: Helmut Weigerstorfer