Viechtach/Regen/Freyung-Grafenau. Die berufliche Vorgeschichte von Stefan Ebner ist durchaus erwähnenswert, ist sie doch keine alltägliche. Der 43-Jährige war Kommunikationsleiter der Maschmeyer Group und deshalb oft in Berlin zugegen. „Ein toller, spannender und herausfordernder Job“, unterstreicht der 43-Jährige. Es gab aber etwas, das ihn noch mehr reizte als das „Big Business“: die Politik. „Sie ist für mich Leidenschaft. Mit dem Einzug in den Landtag habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt.“
Knapp 100 Tage im Amt, ist aus dem Traum Alltag geworden. Und das bedeutet für den Viechtacher, dass er sich mit vielen Themen in einer politisch hitzigen Zeit beschäftigen muss. Landwirtschaft, Kreuzerlass, Gendern, Asylpolitik, AfD, Verwaltungsgericht Freyung, Krankenhäuser – zu diesen inhaltlichen Stichwörtern äußert sich der CSU-MdL im zweiten Teil des großen Hog’n-Interviews:
Herr Ebner, Stichwort: Landwirtschaft. Die Kritik an der einst beabsichtigten Streichung der Agrardiesel-Rückvergütung sowie der Kfz-Steuerermäßigung scheint gerechtfertigt. Ist aber die Landwirtschaft nicht ohnehin über-subventioniert, wenn man an die großen Summen aus europäischen Fördertöpfen denkt?
Natürlich sind das große Summen. Die Frage ist aber: Wollen wir in Deutschland weiterhin eigene Lebensmittel herstellen? Oder ist es besser, Lebensmittel zu importieren und uns damit abhängig zu machen, weil unsere Landwirte nicht mehr produktionsfähig sind? (überlegt) Das würde ich für völlig falsch halten. Wir müssen schon darauf achten, dass unsere Bauern gute Produktionsvoraussetzungen haben und dass sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Und da müssen sie finanziell unterstützt werden. Im Übrigen sind Landwirte nicht nur unsere Ernährer, sondern auch Pfleger unserer Kulturlandschaft.
Kreuz als „Ausdruck unserer Kultur. Dazu soll man stehen“
Also die Landwirtschaft ist nicht über-subventioniert?
Nein.
Stichwort: Kreuzerlass. Wie stehen Sie dazu? Braucht es in öffentlichen Gebäuden deutlich sichtbar aufgehängte Kreuze?
Ja, weil dieses Symbol Ausdruck unserer Kultur ist. Wir sind ein christlich-abendländliches Land – und dazu soll man auch stehen.
Stichwort: Gendern. Ministerpräsident Markus Söder hat ein entsprechendes Verbot verkündet. Ist die CSU nun die neue Verbots-Partei – und somit Nachfolger der Grünen?
„Leben und leben lassen“
(lacht) Es ist ja eher so, dass die Grünen den Menschen vorschreiben wollen, wie wir sprechen und schreiben sollen. Unsere Überzeugung ist: Leben und leben lassen. Will jemand gendern, dann soll er das machen. Wenn nicht – viel besser. Von ‚Schülerinnen und Schülern‘ oder ‚Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern‘ zu sprechen, ist vollkommen in Ordnung und normal. Dieses dämliche Binnen-i, die Sprechpause und das Sternchen mache ich aber definitiv nicht. Die deutsche Sprache wird mit solchen Sachen verhunzt – zumal sie nicht den Regeln des deutschen Rechtschreibrats entsprechen.
Im Rahmen einer Umfrage auf unserer Facebook-Seite hat ein Leser das Gender-Verbot als „billigen Söder-Populismus“ bezeichnet, ein anderer als „Aufbauschen von Sachen, die für die Menschen ohnehin kein Problem sind“. Ihre Meinung zu diesen Meinungen?
Söder-Populismus: Solche Ausdrücke muss man sich immer wieder gefallen lassen, wenn man Dinge anspricht, die die Leute bewegen. Billig ist es sicher nicht, weil es die Leute im Alltag genervt hat. Es ist insgesamt eine Eliten-Diskussion, die von einer kleinen Gruppe von Leuten ausgeht.
Gender-Verbot: „Man wird sehen, wie sich das in der Praxis umsetzt“
Also stimmt das ja mit dem Aufbauschen?
(sucht nach Worten) Fragen’S mal draußen die Oma Erna oder auch die 20-jährige Anna, welche Rolle das Gendern in ihrem Leben spielt. Überhaupt keine! Deswegen muss man sich gegen diese selbsternannten Gender-Sprachpolizisten stellen.
Kurz nach dem von Markus Söder ausgesprochenen Verbot, stimmt die Mehrheit der CSU und Freien Wähler bei einer Petition, die fordert, das Gendern in den Behörden zu verbieten, dagegen. Was nun?
(überlegt länger) Ich habe es so verstanden, dass es in Behörden und Schulen verboten werden soll, die Gender-Schreibweise zu verwenden. Man wird sehen, wie sich das in der Praxis umsetzt.
Populismus? „Das Normalste der Welt“
Stichwort: Asylpolitik. Sie haben Ihren Vorschlag, Asylbewerber in Arbeit zu bringen, ja bereits vorher angeschnitten. Ist das tatsächlich ihr Vorschlag – oder der von Generalsekretär Martin Huber. So richtig konnte man das im Nachgang nicht mehr nachvollziehen.
Dieses Thema ist innerhalb der Fraktion an mehreren Stellen diskutiert worden. Ich habe es dann genauso thematisiert wie Martin Huber. Dieser hat als Generalsekretär natürlich eine größere Breitenwirkung als ich. Ich habe es hier vor Ort in die lokale Diskussion gebracht.
Ein Hog’n-Leser bezeichnete Ihren Vorschlag als rechtspopulistisch. Was sagen Sie dazu?
Ich kann hier beileibe keinen Rechtspopulismus erkennen. Überlassen wir diese Diskussionen doch nicht der AfD! Wir als CSU müssen über solche Themen reden. Und man muss auch das Normalste der Welt ansprechen dürfen, nämlich, dass es für Leistung auch Gegenleistung gibt. Ein Grundsatz, der für alle Lebensbereiche gilt.
Auf dem Boden der Demokratie: „Stelle ich bei AfD infrage“
Thema: AfD. Nennen Sie uns bitte drei konkrete inhaltliche Punkte, in denen sich AfD und CSU unterscheiden.
Erstens stehen wir auf dem Boden der Verfassung, des Rechtsstaats und der Demokratie. Alleine durch das Personal stelle ich das bei der AfD infrage – nicht nur, weil die bayerische AfD-Fraktion einen Rechtsextremen, der mit ‚Sieg Heil‘ in Gästebüchern unterschreibt, in ihren Reihen duldet. Das ist wohl der entscheidendste Punkt. Zweitens: Die Achtung vor dem Hohen Haus, insgesamt ein gewisser Respekt vor dem ganzen Betrieb im Landtag. Inhaltlich darf und kann man sich fetzen, aber mit Anstand. Danach muss man allerdings in der Lage sein, ein Bier miteinander trinken zu können. Mit Vertretern der AfD ist das schwierig.
Drittens?
Die AfD ist eine Ein-Themen-Partei. Alles läuft über die Asyl-Schiene. Dazu eine Anekdote: Während des Wahlkampfes habe ich mich an einer Podiumsdiskussion des Kreisjugendrings beteiligt. Auch AfD-Vertreter Oskar Atzinger war dabei. Und er hat es geschafft, jede Frage mit dem Thema Asyl zu beantworten, sie zu beenden oder zu verknüpfen. Irre – fast schon eine Kunst…
„CSU ist der Platzhirsch“
Klare Worte in Richtung der Partei, in der ihre Ex-Schwägerin eine führende Rolle einnimmt. Wie ist ihr Verhältnis zu Katrin Ebner-Steiner?
Dadurch, dass sie mit meinem Bruder nicht mehr verheiratet ist, gibt es kein familiäres Verhältnis mehr. Klar, wenn man sich im Landtag begegnet, grüßen wir uns. Mehr aber auch nicht.
Seitdem die CSU bei der vergangenen Landtagswahl Wähler an die AfD und Freie Wähler verloren hat, ist auffällig, dass sich die Union inhaltlich und rhetorisch diesen beiden Parteien angenähert hat. Die richtige Strategie? Ist es nicht besser, sein eigenes Ding zu machen anstatt andere zu kopieren?
Ich sehe das überhaupt nicht so. Die CSU hatte schon immer den Anspruch, der Platzhirsch zu sein. Vom Selbstverständnis her sind wir die prägende politische Kraft – in den Landkreisen Regen und FRG, in Niederbayern, in Bayern. Wir huschen deshalb niemand anderem hinterher. Wir machen unsere eigene Politik. Die Themen, die die Menschen bewegen, nehmen wir auf.
Asyl/Migration: „Unsere Aufgabe, uns damit auseinander zu setzen“
Also doch Populismus?
Nein. Wir sind das Gegenteil. Es hat zwei große Themen während des Wahlkampfes gegeben: Asyl/Migration und soziale Gerechtigkeit im Hinblick auf das Bürgergeld. Felder, mit denen sich Freie Wähler und AfD besonders auseinandersetzen. Dinge, die die Menschen aber auch deutlich beschäftigen. Und dann ist es unsere Aufgabe, uns damit intensiv auseinander zu setzen.
Schiebt die CSU in Bayern unangenehme Themen in Richtung Bund, weil die Union dort die Opposition bildet?
Welches Thema zum Beispiel?
Asyl/Migration.
Nein, überhaupt nicht. Wir würden ja gerade bei diesem Thema liebend gerne selber gestalten. Aber die Kompetenzverteilung ist nunmal so, wie sie ist. Der Bund entscheidet das meiste.
50 + X nicht mehr möglich
Schafft es die CSU in absehbarer Zeit unter Söder, an frühere Glanzzeiten anzuknüpfen – und wieder 50+X Stimmenanteile einzufahren?
Mit Söder hat das nichts zu tun. Das Entscheidende ist, dass sich die politischen Zeiten geändert haben. Das, was im linken Sektor vor zirka 20 Jahren passiert ist, findet nun auch im bürgerlichen Lager statt. Es haben sich mehrere Parteien gebildet. Die Freien Wähler sind dazu gekommen. Auch die AfD, die im gemäßigten Bereich einige unserer Wähler abgefischt hat. Früher hat es immer geheißen: Rechts der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Faktisch ist das jetzt nicht mehr so.
50 + X sind also nicht mehr möglich.
Zumindest in absehbarer Zeit: Ja.
Verwaltungsgericht Freyung: „Freie Wähler wollen’s nicht haben“
Stichwort: Verwaltungsgericht Freyung. Was ist hier der Status Quo?
Das Verwaltungsgericht in Freyung wollen die Freien Wähler trotz Koalitionsbeschluss in der vergangenen Periode nicht haben. Für die CSU wäre es beschlossene Sache. Ich werde nicht müde werden, dies den Freien Wählern vorzuwerfen. Aiwanger muss es sich gefallen lassen, dass er hier Wortbruch begangen hat. (Innenminister Joachim Herrmann hat unlängst bekanntgegeben, dass das Vorhaben aufgrund der Uneinigkeit mit den Freien Wählern nicht weiterverfolgt werde – Anm. d. Red.)
Die Perspektive?
Im aktuellen Koalitionsvertrag ist das Thema aufgrund des Widerstandes der Freien Wähler nicht enthalten.
Stichwort: Krankenhäuser. Wie sehen Sie in Freyung-Grafenau und Regen deren Zukunft? Gibt es mittelfristig in beiden Landkreisen jeweils noch zwei Häuser?
Eine äußerst schwierige Situation. Es ist offensichtlich, dass es Gesundheitsminister Karl Lauterbach durch das Hinauszögern seiner Reform schaffen will, dass sich die Zahl der Krankenhäuser von selbst dezimiert, weil sie insolvent gehen. Die ersten hat es ja bereits erwischt. Insgesamt kommt dadurch eine brutale Schwächung des ländlichen Raumes auf uns zu. Diese Politik ist getrieben von der Überzeugung, dass medizinische Qualität in der Fläche nicht möglich ist. Diese Gedanken sind von der Großstadt her gedacht – wie so vieles von der Ampel. Die CSU hat da andere Ziele.
Welche?
Medizinische Versorgung muss qualitativ hochwertig sein, wohnortnah und flächendeckend.
„Keiner sollte dazu gezwungen sein, seine Heimat zu verlassen“
Spannend wir den Bogen noch einmal zum Beginn dieses Gespräches. Wir sind wieder beim Persönlichen. Was wünschen Sie sich für die nächsten fünf Jahre?
…dass ich für die Region als Abgeordneter einen guten Beitrag dazu leisten kann, dass es den Menschen hier in fünf Jahren genauso gut, wenn nicht sogar besser geht. Keiner sollte sich – egal in welcher Lebensphase – dazu gezwungen sehen, seine Heimat verlassen zu müssen. Und nach den Krisenjahren mit Corona, Kriegen in der Ukraine und in Nahost, Inflation, Energiekrise und so weiter wünsche ich mir für uns alle ein normales, gerne auch langweiliges Jahr 2024.
Klingt wünschenswert. Hoffen wir das Beste. Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Das Gespräch führte: Helmut Weigerstorfer
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