Zwiesel. Den Nationalpark Bayerischer Wald kennt nahezu jeder. Seine Bekanntheit reicht weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Der Naturpark Bayerischer Wald, der sich zwischen Donau und dem tschechischen Grenzkamm erstreckt, steht hingegen weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Er existiert seit 1967 – und ist damit einer der ältesten Naturparke im Freistaat.
Doch: Woran liegt es, dass der Naturpark sein Dasein im Schatten des schier übermächtigen Nationalparks fristet? Was unterscheidet die beiden Konstrukte eigentlich? Wer steht überhaupt hinter dem Naturpark – und welche Ziele verfolgt er? Über diese Fragen und noch mehr hat sich da Hog’n mit Natupark-Geschäftsführer Hartwig Löfflmann unterhalten – und dabei Interessantes in Erfahrung gebracht:
Eine einmalige Schutzgebietsregion in Mitteleuropa
Herr Löfflmann: Zunächst ein paar grundsätzliche Informationen zum Naturpark Bayerischer Wald: Seit wann existiert er – und warum wurde er gegründet? Über welche Fläche erstreckt er sich? Und: Wie ist das Konstrukt Naturpark überhaupt organisiert?
Der Naturpark Bayerischer Wald wurde als gemeinnütziger Verein am 18. Mai 1967 in Zwiesel gegründet. Gemäß einer Idee des Hamburger Großindustriellen Alfred Töpfer sollte in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland ein Netz von Großschutzgebieten entstehen, das dem Landschaftsschutz dient. Als Paradebeispiel galt die Lüneburger Heide vor den Toren Hamburgs. Erste Naturparke entstanden Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre. Im Landschaftsraum des Inneren Bayerischen Waldes gab es bereits eine ältere Gebietskulisse eines Landschaftsschutzgebietes. Daran wurde angeknüpft.
Zunächst umfasste das Gebiet des Naturparks Bayerischer Wald nur den Altlandkreis Regen. Mit der Gebietsreform im Jahr 1972 erfolgte die Ausweitung auf den gesamten Landkreis Regen. In den Jahren 1979/1980 kamen die nördlich der Donau gelegenen Landkreisteile von Deggendorf und Straubing-Bogen dazu, weil man darin einen deutlichen Vorteil sah. Etwa zeitgleich mit der Erweiterung des ersten deutschen Nationalparks in den Zwieseler Winkel hinein, beginnend ab 1997, erfolgte nach und nach der Beitritt der Gemeinden und dann des Landkreises Freyung-Grafenau selbst zum Naturpark.
Der Naturpark umfasst heute etwa 278.000 Hektar – von der Donau bis zum Grenzkamm – und umschließt den benachbarten Nationalpark Bayerischer Wald. Er liegt auch im Vorfeld des Nationalparks und Landschaftsschutzgebiets Šumava. Damit existiert eine einmalige Schutzgebietsregion in Mitteleuropa.
Was den Natur- vom Nationalpark unterscheidet
Was zeichnet den Naturpark Bayerischer Wald im Vergleich zu anderen Naturparken im Besonderen aus?
Der Naturpark Bayerischer Wald ist ein flächenmäßig relativ großer Naturpark, der sehr vielfältige Lebensräume beherbergt: von letzten Auwäldern an der Donau über artenreiche Lebensräume im Vorwald, über das wertvolle Ilztal hinweg bis zu den letzten Eiszeitrelikten am Dreisessel und im Arbermassiv. Er ist gekennzeichnet durch eine teils sehr artenreiche Ausstattung, die anderswo bereits verloren gegangen ist.
Würden Sie der Aussage, dass der Naturpark eine abgespeckte Version des Nationalparks ist, zustimmen?
Die Aussage ist komplett falsch. Die Aufgaben von Naturparken und Nationalparken sind im Bayerischen Naturschutzgesetz geregelt. Vereinfacht formuliert, kümmern sich Nationalparke um den Schutz von „N a t u r landschaften“, während Naturparke den Schutz von über Jahrhunderte gewachsenen, bäuerlichen „K u l t u r landschaften“ zur Aufgabe haben. Leider kennen nur etwa sechs Prozent der Deutschen die Unterschiede genau.
Was unterscheidet den Naturpark Bayerischer Wald vom Nationalpark Bayerischer Wald? Welche Schnittmengen gibt es?
Naturparke haben vier große Aufgabenbereiche:
- Naturschutz und Landschaftspflege
- Erholungsnutzung und Besucherlenkung
- Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
- Unterstützung der Regionalentwicklung
Nationalparke haben den strengen Schutz der Natur zum Ziel – nach dem Motto „Natur Natur sein lassen“, keine wirtschaftsbestimmte Nutzung durch den Menschen, zulassen von Prozessschutz möglichst ohne Eingriffe des Menschen. Das Forschungsverhalten ist wesentlich ausgeprägter. Das Zulassen von Erholungsnutzung, soweit es der Schutzzweck erlaubt, ist möglich.
Die Themenbereiche Bildung und Unterstützung der Regionalentwicklung haben beide gemeinsam. Ansonsten wird auch beim Monitoring von Pflanzen- und Tierarten zusammengearbeitet, z.B. beim Auerhuhn, beim Habichtskauz usw.
So finanziert sich der Naturpark Bayerischer Wald
Welche Ziele verfolgt der Naturpark Bayerischer Wald konkret? Welche Rolle spielt dabei das Thema Tourismus?
Der Naturpark verfolgt das Ziel, die Erholung des Menschen – sei es von Einheimischen oder von Gästen – und eine verträgliche, nachhaltige Landnutzung mit dem Schutz der Natur in Einklang zu bringen. Der Tourismus ist im Bayerischen Wald ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, der aber – um sich selbst nicht zu gefährden – in geordneten Bahnen ablaufen muss.
Wie finanziert sich der Naturpark Bayerischer Wald eigentlich?
Der Naturpark wird finanziell getragen von den vier Landkreisen Freyung-Grafenau, Regen, Deggendorf und Straubing-Bogen sowie von den 89 im Gebiet gelegenen Mitgliedsgemeinden. Diese zahlen 50 Cent Beitrag pro Einwohner, die Landkreise je Hektar Fläche. Darüber hinaus zahlen etwa 300 Privatmitglieder, Verbände und Vereine einen Förderbeitrag von 20 Euro im Jahr.
Den weit überwiegenden Finanzgrundstock liefert die LNPR-Förderrichtlinie des Bayerischen Umweltministeriums für Projektfinanzierung. Der Naturpark kann für abgewickelte Fördervorhaben im Erholungsbereich und in der Landschaftspflege 20 Prozent Organisationskosten geltend machen. Eine hohe Motivation wirkt sich also auch finanziell positiv für den Naturpark aus.
Öffentlichkeitsarbeit und Klimawandel
Wo und in welcher Form präsentiert sich der Naturpark Bayerischer Wald nach außen hin, um wahrgenommen zu werden?
Der Naturpark betreibt sechs Infozentren und Infostellen. Die bedeutendsten Einrichtungen sind die Naturparkwelten im Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein sowie das Naturparkhaus in Zwiesel. Insgesamt 15 Infopavillons, etwa 470 Übersichtswanderkarten im Gelände mit entsprechender, dreisprachiger Rückseiteninformation und etwa 50 Naturerlebnispfade stellen eine mittlere Informationsebene dar. Darüber hinaus gibt es mehrere Internetseiten:
sowie eine Vielzahl von Broschüren und Flyern. Außerdem gibt es jährlich mehr als 100 Pressemeldungen sowie zahlreiche Veranstaltungen und Exkursionen, auch durch Ranger und Gebietsbetreuer.
Wie blicken die Verantwortlichen des NP Bayerischer Wald auf den fortschreitenden Klimawandel?
Die Verantwortlichen des Naturparks haben bereits seit Anfang der 90er Jahre mit Veranstaltungen zu Einsparmöglichkeiten und Nutzung von Erneuerbaren Energien intensiv auf die Problematik Ressourcenverbrauch und Klimawandel hingewiesen. Mit Eröffnung des Nullenergiehauses am 28. Februar 2002 in Zwiesel wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, das in der derzeitigen Diskussion allen Anforderungen Stand hält und diese teilweise noch weit übertrifft. Damals wurde der Bayerische Energiepreis verliehen. Außerdem kann man auf über 20 Jahre Erfahrung zurückblicken.
Niemand kommt auf die Idee, das in Frage zu stellen
Was würde passieren, wenn es den Naturpark Bayerischer Wald von jetzt auf gleich nicht mehr geben würde?
Naturparke schaffen in Deutschland eine Wertschöpfung im dreistelligen Millionenbereich, z.B. für die Bereiche Regionalentwicklung und Tourismus. Sie sind ein bedeutender Imagefaktor sowie selbst Arbeitgeber. Niemand kommt auf die Idee, das in Frage zu stellen.
Was wünschen Sie sich als Geschäftsführer für die Zukunft des Naturparks Bayerischer Wald?
Ich wünsche mir weiterhin stets weise Entscheidungen der Naturparkverantwortlichen. Damit kann man die Herausforderung – sei es beim Wandel in der Landnutzung und beim Kulturlandschaftserhalt – am besten meistern.
Dem schließen wir uns an. Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin alles Gute.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer