Spiegelau. Seit einigen Monaten ist Daniel Eder nun als Geschäftsführer der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald tätig. Nach sechs Jahren, die der touristische Zusammenschluss von 13 Gemeinden aus den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen besteht, will der 38-Jährige als Nachfolger von Jochen Gemeinhardt, Monika Dombrowsky und Heinz Schwendinger die FNBW endlich in ruhigere Fahrwasser führen.
Im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n gibt er sich optimistisch, dass dieses Unterfangen gelingen kann – trotz der Tatsache, dass auch die FNBW von der Coronakrise nicht verschont geblieben ist. Das Jahr 2020 werde aus touristischer Sicht gewiss nicht als das stärkste in die Analen des Bayerwalds eingehen, dazu brauche es keine hellseherischen Fähigkeiten. Eder zufolge gelte es daher den Schaden so weit wie möglich zu begrenzen – einige Ideen dazu gibt es bereits.
Künftig noch mehr mit regionalen Unternehmen vernetzen
Herr Eder: Wie haben Sie sich in Ihre Rolle als neuer FNBW-Geschäftsführer bis dato eingelebt?
Ich habe mich sehr gut eingelebt, ich fühle mich wohl. Die Stimmung im Team ist gut, es ist etwas mehr Ruhe eingekehrt. Wir haben uns mit Ann-Katrin Luh auch nochmals personell verstärken können, sodass wir jetzt hier in der FNBW-Zentrale in Spiegelau gut aufgestellt sind.
Die erste Zeit war leider bestimmt von der Coronakrise und deren Auswirkungen. Das war schon eine Herausforderung, um das alles so zu regeln, dass der Betrieb weitestgehend aufrecht erhalten werden kann. Mitte März mussten wir alle Tourist-Infos in der Ferienregion zusperren, die Mitarbeiter gingen teilweise ins Homeoffice, unsere Büros waren nur im Wechsel besetzt. Gott sei Dank hatten wir im vergangenen Jahr unsere Vernetzungsprojekte rechtzeitig fertiggestellt, sodass wir technisch soweit vernetzt sind, um von jedem Standort aus an unseren Projekten arbeiten zu können – unabhängig davon, wo der Mitarbeiter sitzt.
Ab 18. Mai haben wir die Tourist-Infos dann schrittweise halbtags wieder aufgemacht. Seit 1. Juni haben wir wieder ganz geöffnet – natürlich mit den entsprechenden Hygienevorkehrungen.
Konnten Sie bereits gewisse Impulse setzen? Ist die Eder’sche Note schon erkennbar?
Auf was ich anfangs, bevor uns Corona ausgebremst hatte, viel Wert gelegt habe: Ich bin viel zu den Betrieben hinausgefahren, habe mich mit den Hoteliers und Gastgebern unterhalten, sie gefragt, wo der Schuh drückt und was wir für sie tun können. Es war mir wichtig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen – auch mit denjenigen, die uns durchaus kritisch gegenüberstehen. Dabei kamen recht fruchtbare Gespräche zustande. Das will ich nun weiterführen.
Intern sind wir gerade dabei, dass wir in der FNBW-Zentrale die Zuständigkeiten etwas anders aufteilen, sie noch genauer definieren und generell die Strukturen etwas verändern, damit die Mitarbeiter in den Tourist-Infos, die Aufsichtsräte sowie die Betriebe ihre klaren Ansprechpartner haben.
Projekttechnisch haben wir bis dato u.a. die digitale Wandernadel umgesetzt, eine Art Stempelkarte in App-Form, mit der man Punkte sammeln und sich eine tolle Urkunde erwandern kann. Gemeinsam mit den Nationalpark-Partnern haben wir anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Nationalparks Sonderbriefmarken herausgebracht – eine Aktion, die äußerst großen Anklang fand. Die Nachfrage war immens, die Briefmarken sind weggegangen wie die warmen Semmeln.
Des Weiteren haben wir ein gemeinsames Projekt mit der Holzmanufaktur Liebich aus Zwiesel auf die Beine gestellt: Geschäftsführer Thomas Koy ist auf uns zugekommen, da er unsere Arbeit sehr schätzt. Dazu hat er uns 500 Bierträger aus Holz zur Verfügung gestellt, die von uns mit verschiedenen regionalen Biererzeugnissen befüllt werden und dann käuflich erworben werden können. Wir wollen uns künftig generell noch mehr mit regionalen Unternehmen vernetzen und Kooperationen starten, u.a. mit dem gebürtigen Schönberger Daniel Wildfeuer von meinherzschlag.de. Aktuell setzen wir noch vier weitere Projekte um, die wir aufgrund der Förderung durch das Regionalbudget der ILE Nationalparkgemeinden angehen können.
„Denke nicht, dass der Bayerische Wald überrannt wird“
Wie geht’s mit der Akquise neuer FNBW-Mitgliedsgemeinden voran?
Wir sind gerade dabei uns gewisse Grundkonzepte dazu zu überlegen. Erste Gespräch gab’s ja unter meinem Vorgänger, Heinz Schwendinger, bereits mit den Gemeinden Philippsreut, Haidmühle oder Kirchberg im Wald. Freilich ist auch die Stadt Grafenau ein Thema. Grundsätzlich gilt, dass wir mit dem neuen Aufsichtsrat und dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden zunächst intern noch bestimmte Themen klären werden – und dann die Akquise forcieren.
Stichwort Grafenau: Ist der Bürgermeister-Wechsel von Max Niedermeier zu Alexander Mayer eine neue Chance für die FNBW, die Bärenstadt als Mitglied zu gewinnen?
Zumindest sehe ich eine größere Chance als zuvor (schmunzelt). Wir erhoffen uns jedenfalls mehr Gesprächsbereitschaft.
Wird Corona tatsächlich die große Chance für die FNBW, wenn nun der Trend Richtung „Urlaub dahoam“ geht? Oder wird das im Sommer eher zum Problem, sprich: Könnte die Ferienregion „überrannt“ werden?
Ich denke, dass „Urlaub dahoam“ nach Corona ein großes Thema sein wird – noch mehr als vorher. Genauso wie die Themen Nachhaltigkeit, Waldwildnis, Zurück-zur-Natur. Wir versuchen diese Punkte in unserer Öffentlichkeitsarbeit hervorzuheben.
Ob der Bayerische Wald überrannt wird, denke ich nicht. Klar, man kennt die Bilder vom Lusen oder den Tierfreigeländen, die zuletzt einen riesigen Besucheransturm erlebten. Doch da sind meiner Meinung nach mehrere Faktoren zusammengekommen: die Pfingstferien, erstmals waren nach Corona wieder Übernachtungen möglich, das Wetter hatte gepasst, es gab viele Tagesgäste etc. Die Besucherzahlen werden sicherlich steigen – hier befinden wir uns jedoch mittlerweile in guter Abstimmung mit dem Nationalpark, um die Besucherströme etwas zu entzerren und dazu beizutragen, dass nicht alle Tagesgäste gleichzeitig die Hotspots in der Ferienregion ansteuern, sondern alternativ bis dato weniger frequentierte Ziele wie die Schachten oder das Felswandergebiet bei Hohenau aufsuchen. Wir versuchen über unsere Social-Media-Kanäle eben genau diese Tipps nach draußen zu geben. Die Gäste und Wanderer sind sehr dankbar dafür – und die Rückmeldungen hierauf sehr positiv.
Ebenfalls weiter in den Fokus rücken wollen wir den ÖPNV in der Ferienregion, sprich: das Angebot der Igelbusse und der Waldbahn. Denn man muss nicht mit dem eigenen Auto bis ganz hinauf zum Lusen-Parkplatz oder zum Tier-Freigelände fahren. Entspannter geht’s mit Bus oder Bahn. Hierüber wollen wir die Besucher noch besser informieren.
„Ich will da gar nicht näher drauf eingehen“
Schönbergs Bürgermeister Martin Pichler ist mit 32 Jahren ein noch recht junger, neuer FNBW-Aufsichtratsvorsitzender. Ein Vor- oder ein Nachteil?
Ich bewerte das positiv. Grundsätzlich positiv sehe ich auch die Tatsache, dass es nun mit Martin Pichler einen FNBW-Aufsichtsratsvorsitzenden und mit Fritz Schreder einen FNBW-Vereinsvorsitzenden gibt. Zuvor hatte die beiden Funktionen ja Frauenaus Bürgermeister Herbert Schreiner in Personalunion inne.
Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger hatte jüngst ja wieder mal einen „Zwexit“-Versuch unternommen – wie stehen Sie als neuer FNBW-Geschäftsführer zu diesem Thema mittlerweile?
Wir befinden uns im guten Austausch mit dem Großteil des Zwieseler Stadtrats. Herr Steiniger spricht nicht mit uns, es findet de facto keine konstruktive Kommunikation statt. Aber das ist eben so, wir haben mehr als einmal versucht ihm die Hand zu reichen. Es gibt demnach nicht das Problem Zwiesel, sondern nach wie vor das Problem Steininger. Es bringt jedoch nichts mehr, hier in der Öffentlichkeit weiter auf Steiningers Spitzen zu reagieren. Es ist nicht zielführend, dafür zu viel Energie zu verschwenden. Wir wollen uns lieber auf diejenigen Zwieseler Gesprächspartner fokussieren, die an einer konstruktiven Kommunikation interessiert sind.
Steiningers Gleichung in Sachen FNBW lautet ja: „Kosten – Nutzen = katastrophal“. Er spricht von 900.000 Euro, die in den touristischen Sand gesetzt worden seien, seitdem Zwiesel Mitglied in der FNBW ist. Was sagen Sie dazu?
Zwiesel ist als einwohnerstärkster Ort innerhalb der FNBW auch der größte Umlagenzahler. Was an seiner Rechnung unstimmig ist: Er rechnet sämtliche Personalkosten in diesen Betrag mit ein, doch diese müsste die Gemeinde ja so oder so begleichen – auch wenn Zwiesel nicht mehr in der FNBW Mitglied wäre. Weiterhin zu behaupten, die FNBW würde Zwiesel nichts bringen oder es würde null Gegenleistung kommen, ist schlichtweg falsch. Aber wie gesagt: Ich will da gar nicht näher drauf eingehen. Das ist zu müßig. Zwiesel und dessen Angebot spielt eine ganz zentrale Rolle – und ist im Kontext der Gesamtvermarktung der Region extrem wichtig.
„Uns schlägt ein hohes Maß an Akzeptanz entgegen“
Lässt sich der Erfolg der FNBW in irgendeiner Weise konkret nachweisen?
Wovon ich kein Freund bin: Den Erfolg immer nur an Übernachtungszahlen fest zu machen, weil da meiner Meinung nach mehrere Faktoren zusammen kommen, die man nicht beeinflussen kann. Wenn zum Beispiel ein Hotel im Ort XY über mehrere Monate hinweg renoviert, hat es über einen längeren Zeitraum nicht geöffnet – somit fallen die Übernachtungszahlen für diesen Ort zurück. Es ist zwar begrüßenswert, wenn der Betreiber sich zum Ort bekennt und investiert, aber die absoluten Zahlen sind dadurch kein Gradmesser mehr.
Ein besserer Gradmesser ist die Entwicklung der touristischen Wertschöpfung, hier werden wir in nächster Zeit entsprechende Projekte begleiten. In der aktuellen Corona-Phase ist das natürlich nicht gerade einfach. Das Jahr 2020 wird ohnehin zahlentechnisch völlig aus der Reihe fallen. Die drei Ausfall-Monate kann freilich keiner mehr aufholen. Die einzige Möglichkeit, die wir sehen, um den Schaden etwas zu begrenzen: Normalerweise geht die Saison Anfang November dem Ende zu. Die letzten Jahre über war der November wettertechnisch betrachtet aber immer ein relativ schöner Wandermonat. Daher gibt es die Überlegung, dass u.a. die Nationalpark-Einrichtungen heuer etwas länger offen haben, um die Saison etwas nach hinten zu verlängern. Dazu führen wir gerade Gespräche mit den Verantwortlichen des Nationalparks, mit den Nationalpark-Partnern und vielen weiteren Betrieben.
Abschließende Frage: Besteht die Gefahr, dass das Projekt FNBW scheitert? Nach welchen Maßstäben und nach welcher Frist wird hierbei entschieden?
Der Gedanke des Scheiterns steht überhaupt nicht zur Debatte. Die Geschäftsführerwechsel und die meist öffentlich ausgetragenen Querelen mit Herrn Steininger haben sicherlich der Zustimmung nicht gut getan – was ich aber jetzt in der Anfangszeit meiner Geschäftsführertätigkeit merke: Wenn nach diversen Vorstellungsrunden die Leute erkennen, was alles hinter der FNBW steckt und was bis heute alles erreicht wurde, schlägt uns immer wieder ein hohes Maß an Akzeptanz entgegen. Wir brauchen uns sicher nicht verstecken. Es ist aber wichtig, den Informationsfluss zu den entsprechenden Leistungsträgern und Partnern aufrecht zu erhalten. Daran werden wir arbeiten.
„Nun ist es wichtig, die nächsten Schritte zu gehen“
Unsere Kernaufgabe besteht darin, die Region als touristische Einheit zusammenzuführen und zu vermarkten. Dies ist die vergangenen Jahre über peu à peu passiert. Nun ist es wichtig, die nächsten Schritte zu gehen, insbesondere auch hinsichtlich der Strukturen. Etwa wird die Frage zu diskutieren sein, wie wir die Strukturen unserer Tourist-Informationen optimieren und hier einen passenden Konsens zwischen den Ansprüchen der Gäste und der Leistungsträger finden können.
Im Bereich Mauth-Hohenau-Neuschönau wird das bereits gut praktiziert: Diese drei TIs bilden ein funktionierendes Cluster, das Personal vertritt sich gegenseitig und stimmt die Öffnungszeiten aufeinander ab, was ein sehr wichtiger Punkt ist. Der Gast braucht eine Tourist-Info, von der er weiß, dass sie von Montag bis Sonntag zwischen 9 und 16 Uhr geöffnet hat und er dort kompetent beraten wird. Wo sich diese TI befindet, ist für ihn zweitrangig.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer