Neureichenau/ Waldkirchen. Das Schulgebäude der Zukunft – wie wird es aussehen? Die Neureichenauer sind sich sicher: Sie haben das ideale Konzept für die Sanierung und Erweiterung ihrer Grund- und Mittelschule gefunden. LernLandSchaften heißt es und wird ab sofort in die Tat umgesetzt. Der erste Bauabschnitt startete vor wenigen Tagen. In Waldkirchen hingegen diskutiert eine Arbeitsgruppe derzeit noch die Frage: Ist die Dorfschule nicht genauso gut?
Die Planungsphase in Neureichenau sei lange gewesen, berichtet Schulleiterin Andrea Stockbauer: 2017 fand das erste Gespräch zum Thema Umgestaltung der Schullandschaft statt. Nun endlich geht es los mit den Bauarbeiten. Die alte Mittelschule wird zum zentralen Schulstandort in der Gemeinde Neureichenau. Auch alle Grundschüler werden in Zukunft hier unterrichtet. Die Dorfschulen in Altreichenau und Lackenhäuser werden geschlossen.
Große Neugestaltung der Schullandschaft
„Es läuft doch, es passt doch – warum sollen wir es anders machen?“ Das sei durchaus die Reaktion einiger Gemeindebürger gewesen, als die Pläne entstanden. „Wir wollen noch besser werden, als wir jetzt sind“, begründet Stockbauer die Entscheidung zur großen Neugestaltung. Und das Schulkonzept der „LernLandSchaften“ sei dafür ideal.
Zudem löse man mit einem zentralen Schulstandort viele bestehende Probleme: Die Organisation werde enorm erleichtert, wenn weder Lehrer noch Schüler zwischen Neureichenau, Lackenhäuser und Altreichenau hin- und herfahren müssen.
Dazu kommt ein modernes Schulgebäude. „Der Lehrplan verlangt, dass Schüler Kompetenzen erwerben“, erklärt Grundschullehrerin Martina Aigner-Philipp. „Und das bedeutet: nicht nur Wissen erwerben, sondern es auch anwenden können.“ Dafür brauche es entsprechende Räume und Möglichkeiten.
Eine Fülle an Möglichkeiten für selbständiges Lernen
An die Klassenzimmer angegliedert ist in jedem Stockwerk künftig ein sogenannter Marktplatz. Hier können sich Schüler frei bewegen, in Gruppen arbeiten, experimentieren, Ergebnisse präsentieren und vieles mehr. „Sie können selbständig lernen“, erklärt Aigner-Philipp dazu. Der Lehrer wird zum Coach, Berater, Organisator und Helfer. Das LernLandSchaft-Konzept bringt damit vieles in die Regelschule, was man bisher eher aus Montessori-Schulen kannte. „Natürlich gibt es weiterhin den gewohnten Unterricht im Klassenraum“, berichtet die Lehrkraft – und fügt hinzu. „Es gibt auch in Zukunft klare Arbeitsaufträge für die Schüler.“
Im ersten Bauabschnitt wird der Teil der Mittelschule aus den 70er-Jahren saniert und erweitert. Im zweiten ist dann der ältere Teil der Schule aus den 60er-Jahren dran: Er wird aufgestockt, damit alle Neureichenauer Grundschüler darin Platz finden.
Die Nachmittagsbetreuung erhält komplett neue Räume, es wird eine neue Pausenhalle geben, neue Fachräume und eine „Werkterrasse“, wo die Mittelschüler zum Beispiel lernen können, wie man schweißt. Dazu gibt’s einen Bolzplatz im Außenbereich und moderne Spielgeräte. Innen drin: multifunktionales Mobiliar, Forscherstationen, neue Computer und Tablets, ein Schülerrestaurant. Was das Planungsbüro SSP präsentiert, klingt nach einer Fülle an Möglichkeiten sowohl für den Unterricht als auch für Spiel- und Ruhephasen dazwischen.
Karlsbach will seine Dorfschule retten
Während in Neureichenau bereits im Herbst 2024 die Mittelschüler in das sanierte und erweiterte Schulgebäude einziehen und die Grundschüler ein Dreivierteljahr später folgen sollen, ist der Planungsprozess für den Neubau einer Zentralgrundschule in Waldkirchen ins Stocken geraten. Nachdem der Stadtrat sich klar für den Neubau einer zentralen Einrichtung für alle Grundschüler aus dem Stadtgebiet nach dem LernLandSchaft-Konzept entschieden hatte (da Hog‘n berichtete), stemmte sich eine Bürgerinitiative gegen diese Pläne: Sie will die Dorfschule Karlsbach erhalten – und hatte dafür rund 2.500 Unterschriften gesammelt. Diese verpflichten die Stadt Waldkirchen, spätestens im Juni einen Bürgerentscheid zum Thema Grundschule durchzuführen.
Es sei denn, man einigt sich zuvor anders. In einer „Arbeitsgruppe Grundschulen“ versucht man dies derzeit zu erreichen. Von ihr hängt ab, ob es letztendlich zum Bürgerentscheid kommt: „Wenn die Bürgerinitiative ihn nicht will, dann gibt es ihn auch nicht“, sagt Bürgermeister Heinz Pollak auf Hog’n-Nachfrage.
„Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung der Diskussion“, sagt Martin Gubisch von der Bürgerinitiative. Beim letzten Treffen hat man sich darauf geeinigt zu prüfen, ob Karlsbach erhalten und trotzdem eine neue Schule in Waldkirchen gebaut werden kann.
Pollak strebt weiterhin zentrale Grundschule an
Ende nächste Woche sollen erste Ergebnisse vorgestellt werden: Kann das Schulgebäude in Karlsbach überhaupt erweitert werden? Inklusive Mensa und Räume für die Nachmittagsbetreuung? Um den Standort zu erhalten, müsste man dort rund hundert Schülerinnen und Schüler unterbringen – aktuell sind es nicht einmal die Hälfte. Kann man die Schulsprengel im Stadtgebiet Waldkirchen so ändern, dass jene hundert Kinder nach Karlsbach gehen können – und der Rest nach Waldkirchen? Und kann trotz Erhalt der Dorfschule Karlsbach eine neue Schule in Freyung-Grafenaus größter Stadt gebaut werden?
Bürgermeister Heinz Pollak ist sich schon jetzt sicher: „Wenn wir den Standort Karlsbach erhalten, wird kein Neubau einer Grundschule in Waldkirchen möglich sein.“ Denn in diesem Fall steige die Schülerzahl in der Stadt nur um etwa 30 Kinder. „Das ist keine Begründung für einen Neubau.“ In diesem Fall stünde laut Pollak wohl eher die Sanierung der bestehenden Maria-Ward-Grundschule zur Debatte.
Sabine Simon