Waldkirchen. Es war ein heiß diskutiertes Thema in den vergangenen Monaten in und um Waldkirchen: Soll eine neue, große Grundschule gebaut werden? Die Dorfschulen dafür geschlossen werden? (da Hog’n berichtete) Nun hat sich der Stadtrat mit großer Mehrheit (19:5 Stimmen) für die Pläne von Bürgermeister Heinz Pollak ausgesprochen, die Waldkirchener Grundschullandschaft zu zentralisieren. In den umliegenden Dörfern regt sich jedoch Widerstand: Ein Bürgerbegehren startet bereits am Dienstag.
Es gab selten ein Thema, über das im Stadtrat derart ausführlich informiert und beraten wurde, sagt SPD-Stadtrat Claus Kappl: „Wir hatten mehr als ein Dutzend Termine in den letzten Monaten – mit Elternbeiräten, Lehrern und vielen mehr, bei denen wir über die Grundschulen geredet haben.“
Fehler aus der Vergangenheit ausbaden
Im Fraktionsverband aus SPD, ÖDP und Grünen, als dessen Sprecher Kappl fungiert, habe man das Thema ebenfalls lange diskutiert. Er selbst ist nach all diesen Gesprächen überzeugt davon, dass der Neubau einer Gesamtgrundschule am Standort der alten Mittelschule (Jandelsbrunner Straße) die optimale Lösung für alle Probleme wäre, die man in Waldkirchen derzeit in Sachen Grundschulen hat. Da sind zum einen die maroden Gebäude in Holzfreyung und Böhmzwiesel. „In der Vergangenheit wurde wirklich geschlampt“, spricht Kappl Klartext. „Es wurde zu wenig in die Schulstandorte investiert.“ Nun sei der Sanierungsaufwand teilweise enorm.
Und auch ein weiteres Problem aus vergangenen Tagen müsse der aktuelle Stadtrat nun lösen: „In Waldkirchen selbst ist viel gebaut worden – auf den Dörfern aber nicht“, konstatiert der ehemalige Erdkunde-Lehrer. Die Folge: Die Maria-Ward-Grundschule im Stadtzentrum platzt aus allen Nähten, die Dorfschulen dagegen bilden mangels Schülerzahlen Kombiklassen.
Wenn man allen Kindern gleiche Lernbedingungen bieten wolle, stelle das geplante Konzept eines Grundschulneubaus für alle zusammen (nach den Statuten der sog. LernLandSchaft) ein ideales Gesamtpaket dar: „Wenn man mir in meiner Zeit als Lehrer den Bau einer solchen Schule angeboten hätte, hätte ich sie sofort genommen“, sagt Claus Kappl. Das Konzept sei auf die Bedürfnisse kommender Generationen ausgerichtet und biete die Möglichkeit, die Buben und Mädchen bedarfsgerecht zu fördern – mit Mittagsverpflegung und Nachmittagsbetreuung.
Kozeny: „Pläne sind nicht ausgereift“
Auch wenn 19 von 24 Stadtratsmitglieder vom Grundschulneubau und den vielen Vorteilen überzeugt sind – es gibt auch Gegenstimmen. Allen voran CSU-Stadträtin Sonja Kozeny aus Karlsbach, die für den Erhalt der Dorfschulen kämpft. Aus ihrer Sicht stehen noch zu viele Fragen offen: „Die Pläne sind nicht ausgereift“, kritisiert sie. Sie zweifle daran, dass die Kosten für die Renovierung der Dorfschulen tatsächlich achtzig Prozent der Kosten eines Neubaus ausmachen würden. Dies allerdings sei Voraussetzung für die Förderung. „Es gibt kein Argument für den Neubau, das mich überzeugt hätte“, sagt Kozeny. Es werde stets argumentiert, man wolle zum Wohle der Kinder und der Zukunft der Stadt entscheiden. „Genau das will ich auch. Aber ich sehe dafür andere Lösungen.“
Grünen-Stadtrat Hubert Holzbauer hat ebenfalls gegen den Grundsatzbeschluss zur Gesamtgrundschule gestimmt. „Ich hätte mir eine Wahloption gewünscht“, sagt er. „Aber eine Option B wurde aus Geldgründen immer gleich abgebügelt.“ Er sehe durchaus den Charme und die Vorteile der Dorfschulen, war bei den Besichtigungen etwa vom Karlsbacher Schulgarten beeindruckt: „Die Dorfschulen sind nicht modernster Standard, aber auch echte Paradiese für Kinder.“
Andererseits gefalle ihm auch die Idee, den Neubau nach dem Konzept der „LernLandSchaft“ zu errichten. „Ich bin ziemlich zerrissen bei dem Thema“, gibt Holzbauer offen zu. Dass man nicht alle vier Standorte erhalten könne, sei klar. Aber zwei statt einem – diese Option hätte er zumindest gerne weitergedacht. „Kinder lassen sich nicht in eine Schublade stecken – und für manche wäre sicher eine Dorfschule geeigneter.“
Planungen laufen bereits an
Noch in diesem Jahr sollen erste Planungskosten des Mammut-Projekts „Grundschul-Neubau“ in den Haushalt der Stadt Waldkirchen aufgenommen werden. Auf 23 Millionen Euro beläuft sich eine erste Kostenschätzung. Darin inbegriffen ist auch der Abriss der alten Mittelschule, an deren Platz das neue Schulgebäude entstehen soll. Als erstes werde nun abgeklärt, inwieweit die Baumaßnahmen förderfähig sind und in welcher Höhe der Freistaat den Bau fördern würde, erklärt Waldkirchens zweiter Bürgermeister Christian Zarda. „Wir haben die Verwaltung bereits mit den Planungen beauftragt“, teilt dieser in Vertretung von Bürgermeister Heinz Pollak mit.
Fünf Jahre werde der Neubau einer großen Grundschule mindestens dauern, meint Zarda. „Der Zeitplan ist sportlich.“ Man wolle ihn aber einhalten, denn: Ab 2026 sei man verpflichtet, eine Ganztagsbetreuung für alle Schüler anzubieten. Im Neubau wäre das kein Problem, an den bestehenden Standorten allerdings schon.
Bürgerentscheid würde alles ausbremsen
Den Zeitplan durcheinander bringen und jegliche Maßnahmen vorerst stoppen könnte ein geplantes Bürgerbegehren. Am Dienstag, 18. Oktober, wollen es die sechs Initiatoren im Gasthaus Boxleitenmühle (19 Uhr) vorstellen. Mithilfe eines Anwalts habe man in den vergangenen Wochen gemeinsam eine Fragestellung für das Bürgerbegehren erarbeitet, sagt Achim Baier, einer der Ideengeber. Den genauen Wortlaut verrät er noch nicht, unterstreicht aber: „Wir wollen den Neubau einer Grundschule mit dem „LernLandSchaft“-Konzept in Waldkirchen nicht verhindern. Aber wir wollen eine Alternative angeboten bekommen.“ Bei einem derart einschneidenden Thema sei es ihm und seinen Mitstreitern wichtig, dass auch die Meinung der Bürger eingeholt wird.
Sollte es den Initiatoren des Bürgerbegehrens gelingen, Unterschriften von mindestens neun Prozent der wahlberechtigten Stadtbürger zu bekommen, müsse die Verwaltung sämtliche Planungen bis zum auf das Bürgerbegehren folgenden Bürgerentscheid einfrieren, teilt Baier mit. Das Ergebnis eines Bürgerentscheides wiederum sei für die Dauer von einem Jahr bindend für die Stadt.
Zarda: „Müssen Probleme so schnell wie möglich lösen“
Waldkirchens zweiter Bürgermeister Christian Zarda sagt: „Ein Bürgerbegehren zu starten, ist das gute Recht der Bürgerschaft.“ Er selbst war lange im Förderverein der Grundschule Holzfreyung aktiv und kann die Sicht derjenigen, die für ihre Dorfschulen kämpfen, durchaus verstehen. „Der Prozess hin zur Entscheidung, eine Gesamtgrundschule zu bauen, hat bei mir reifen müssen“, sagt er. Jetzt sei er aber zu hundert Prozent überzeugt davon, dass der Beschluss zum Neubau für die Kinder das Beste ist.
Ein erfolgreiches Bürgerbegehren bremst seiner Meinung nach den gesamten Prozess. „Die Probleme, die wir an den Grundschulen derzeit haben, müssen so schnell wie möglich angegangen werden“, bekräftigt Zarda. „Jetzt haben wir die Chance, alles selbst zu planen.“ Komme es zum Bürgerentscheid, sehe er die Gefahr, dass letztendlich die Staatsregierung Druck mache, kleine Standorte mit weniger als 100 Schülern zu schließen.
Selbst Stadtrat Hubert Holzbauer von den Grünen sieht keinen zwingenden Grund, einen Bürgerentscheid anzustreben. Er habe zwar gegen die Pläne gestimmt, trage allerdings die am Ende recht eindeutige Entscheidung des Stadtrates mit. „Der Beschluss hatte eine klare Mehrheit“, sagt er. Das Gremium habe sich sehr umfassend über das Thema informiert und daher für alle Bürger einen Beschluss fassen können. „Und es ist gut, dass jetzt schnell etwas passiert.“
„Schmerzhafter Einschnitt“
„Es ist ein schmerzhafter Einschnitt, wenn etwas geschlossen und weggenommen wird“, resümiert Claus Kappl. Das habe man in Waldkirchen auch am Beispiel des Krankenhauses gesehen. „Man muss sich ganz neu orientieren und organisieren.“ Trotzdem hält auch er es für nötig, den Stadtratsbeschluss nun ohne Wenn und Aber durchzusetzen – und den Neubau der zentralen Grundschule so schnell wie möglich zu realisieren.
Sabine Simon
Viele Köche verderben den Brei ODER persönliche Befindlichkeiten!
Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die jungen Eltern der Kinder in Karlsbach und Co es bevorzugen, die Schule vor der Haustür zu haben. Ein Wahnsinnsvorteil in der persönlichen Alltagsplanung, kurze Wege, Abholung durch weitere Angehörige möglich, persönlicheres, ja familiäreres Ambiente möglich, kleine Klasse für individuelle Förderung, auch alte Gewohnheit, die man nicht gerne verliert. Und immer auch der Anspruch der kommunalen Politiker vor Ort, die fast keine Wahl haben, wenn sie in Karlsbach und Co wohnen, wenn sie wieder gewählt werden möchten. Wenn hier einer mutig den Kopf aus dem Sand nähme, dann müsste er realistisch die Argumente der Stadt Waldkirchen anerkennen und das würde ihm/ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den (politischen) Kopf kosten, leider! Es ist im sehr konservativ geprägten Niederbayern immer noch so, dass Neues, Diffuses, Modernes, erst mal misstrauisch beäugt wird, Veränderung sehr zäh vor sich geht. Und aus dem eigenen Bekanntenkreis kenne ich auch sehr gut die Ängste vor grossen Klassen, in denen die eigene Prinzessin nicht genug gefördert werden könnte auf ihrem Weg zum Studium. Oder gar Migrantenkinder in zu grosser Zahl das gesamte Ansehen der Schule gefährden, weil sie und ihre Eltern ja grundsätzlich negative Dinge in die Schule bringen, das Lerntempo ausbremsen usw. .Die Liste liesse sich fortsetzen! Kleiner Wortwitz am Rande: wie war das mit der christlichen Nächstenliebe im erzkatholischen Bayern?
Aber dagegensteht die teils marode Bausubstanz und der Unterhalt der Immobilien, die Ungeeignetheit für moderen Schulansprüche der Zukunft, Fachkräftemangel…..
Und will man hier tatsächlich einer Stadt wie Waldkirchen, einem „Mittelzentrum“ unterstellen, wo wirklich noch fast jeder jeden kennt, dass sie es nicht hinbekommt, auch in einem größeren modernen Gebäude mit viel Zukunftspotential über Jahrzehnte eine annähernd familiäre Atmosphäre zu erhalten? Ich kann mich noch gut an meine eigene Schulzeit im nordwestlichen Landkreis vor Jahrzehnten erinnern, wo ich dann, frisch bereit zur Einschulung mein Dorf wegen kurz zuvor geschlossener Dorfschule verlassen musste. Ich hatte die Hose voll vor Muffesausen, weil ich in eine völlig neue grosse Schule im Nachbarort musste. Und im Lauf der Jahre musste ich, weil sehr hohe Schülerzahl in den Klassen sogar aussprengeln noch in einen anderen Ort. Und ich muss sagen, es hat mir nicht geschadet, im Gegenteil, neue Menschen, neue Eindrücke, neue Möglichkeiten ergaben sich.
Raus über den Tellerrand, sage ich zum Thema Grundschulen Waldkirchen, je früher desto besser für alle. Es geht nicht um die persönlichen Befindlichkeiten der Eltern, es geht um die Zukunft der Kinder!