Freyung-Grafenau. Die Landwirtschaft ist eine der ältesten „Branchen“ überhaupt im Bayerwald. Kriege, Wirtschaftskrisen, allgemein der gesellschaftliche und wirtschaftliche Fortschritt haben sie zwar ab und an ins Wanken gebracht, jedoch nie zum Einsturz. Nichtsdestotrotz hat der Ruf der Agrarwirtschaft in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichsten Gründen gelitten. Und genau hier will ein bäuerlicher Zusammenschluss im Rahmen der Landkreis-Imagekampagne „Made in FRG“ ansetzen.
Florian Götz (31) aus Grafenau, der im Nebenerwerb Wagyu-Rinder züchtet, und Marina Haas (23) aus Röhrnbach, Mitarbeiterin im Landwirtschaftsamt Passau und auf einen Bauernhof aufgewachsen, gehören dieser Initiative an. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklären beide näher das Projekt „Landwirtschaft Made in FRG“ und blicken auf deren generelle Entwicklung.
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Marina, Florian: „Landwirtschaft in FRG – gemeinsam was bewegen“ – so heißt die neue Sparte der Imagekampagne des Landkreises Freyung-Grafenau, die kürzlich ins Leben gerufen worden ist. Erklärt uns doch zunächst einmal, worum es sich dabei genau handelt.
Florian Götz: Im März sind viele FRG-Bauern gleichzeitig darauf gekommen, unsere Landwirtschaft ins rechte Licht rücken zu wollen. Diese Sparte kann vielmehr, als man denkt. Wir haben uns deshalb mit Regionalmanager Stefan Schuster zusammengesetzt und später auch noch mit den einzelnen Verbänden. Zunächst ging es mal darum, eine Art Bestandsaufnahme zu machen. Wir wollten wissen, wie die Landwirtschaft in Freyung-Grafenau aufgestellt ist. Gleichzeitig haben wir erarbeitet, welche Ziele wir verfolgen. FRG braucht sich, was die Landwirtschaft betrifft, nicht zu verstecken. Doch genau das tut unser Landkreis. Deshalb wollen wir das Profil der Bauern wieder schärfen.
Der FRG-Vorteil: „Wir haben noch kleine Strukturen“
Wie viele Landwirte gibt es denn im Landkreis FRG?
Marina Haas: Um die 1.500. Dazu zählt der Geflügelbauer genauso wie der Grundbesitzer, der eine kleine Fläche selbst bewirtschaftet, bis hin zum Großbetrieb. Milchviehhalter sind es zirka 400.
Eine Imagekampagne braucht man nur, wenn das Image aufpoliert werden muss. Stimmt Ihr dem zu?
Marina Haas: Nein, denn wenn das Image aufpoliert werden muss, ist es eigentlich schon zu spät. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Früher hatte fast jeder irgendeine Verbindung zur Landwirtschaft. Heute ist das nicht mehr der Fall. Deshalb ist es nötig, die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, was es heißt, Bauer zu sein.
Woher kommt denn das eher negative Image der Landwirtschaft?
Florian Götz: Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Eine verallgemeinernde Darstellung vieler negativer Aspekte der Landwirtschaft in den Medien, die bei uns allein schon wegen der Topographie nicht zutreffen, haben dafür gesorgt, dass der Ruf gelitten hat. Hinzu kommt die persönliche Betroffenheit vieler Menschen, die außerhalb der Agrar-Branche tätig sind. Es stößt auf größtes Unverständnis, wenn im Sommer bei bestem Wetter die Ernte stattfinden muss. Es gibt aber nun mal nur ein begrenztes Fenster für diese Tätigkeiten.
Inwiefern unterscheidet sich die Landwirtschaft in FRG von der in, sagen wir mal, Oberbayern? Was macht die hiesige Landwirtschaft aus?
Florian Götz: Wir haben noch relativ kleine Strukturen. In Freyung-Grafenau gibt es sehr wenige Großbetriebe und viele kleine und kleinste Höfe. Der Hauptanteil der Landwirte bewirtschaftet fünf bis zehn Hektar. Im Gegensatz zu den riesen Äckern – beispielsweise im Gäuboden – haben wir sehr viel Grünland-Anteil, was zur Attraktivität unserer Region beiträgt. Unsere Bauern erledigen praktisch ihre Grundaufgabe, die Versorgung mit hochwertigen, regionalen Lebensmitteln, und tragen nebenher dazu bei, dass unsere unvergleichliche Landschaft so bleibt, wie sie ist.
„Bei uns herrscht noch heile Welt“
Marina Haas: Wir haben auch mit komplett anderen geographischen und meteorologischen Voraussetzungen zu kämpfen als etwa die Bauern im Gäuboden oder im Rottal. Die Fruchtbarkeit unserer Böden ist überschaubar, die Flächen sind nicht unbedingt eben – folglich ist der Grünland-Anteil hoch. Es gibt sogar noch Weidehaltung, was in anderen Regionen nicht mehr der Fall ist. Unsere Bauern arbeiten unter erschwerten Bedingungen, sorgen aber damit dafür, dass bei uns noch vieles so ist, wie man es sich in der Landwirtschaft vorstellt.
Das Image der Landwirtschaft hat zuletzt gelitten, nicht nur regional, sondern generell. Seid Ihr bereit, dass wir Euch mit einigen Aussagen rund um Euren Arbeitsbereich konfrontieren?
Beide unisono: Ja, sind wir.
Aussage 1: Die Romantik früherer Bauern-Tage ist längst vorbei. Die Tiere sind keine Lebewesen mehr, sondern nur noch Nummern, die beliebig ausgetauscht werden, wenn sie keine Leistung mehr bringen bzw. schlachtreif sind.
Florian Götz: Meine Tiere haben alle Namen. Sie sind Individuen, deren Eigenheiten ich kenne und auf die ich mich einstelle. Ich bin in diesem Zusammenhang gewiss kein Einzelfall in Freyung-Grafenau. Der Boden und das Vieh sind das Kapital jedes Bauern, das er schätzt und pflegt.
Marina Haas: Es hört sich vielleicht blöd an, aber: Ein krankes Tier bringt keinen Ertrag. Deshalb schauen die Bauern drauf, dass es den Kühen, Schweinen, Hühnern etc. gut geht. Die Kleinteiligkeit und die Tradition der Landwirtschaft in unserem Landkreis tragen dazu bei, dass nicht nur der Profit im Fokus steht, sondern eben auch das Wohl des Lebewesens. Ich kenne keinen Bauern, der gerne seine Kuh verkauft. Im Vergleich zu anderen Regionen herrscht bei uns noch ein kleines Stückchen heile Welt.
Aussage 2: Die heutige Landwirtschaft hat nur noch wenig mit einem der ältesten Berufe überhaupt zu tun. Inzwischen bestellen Industrie-Betriebe unsere Felder und produzieren Fleisch, Milch, Eier & Co..
Marina Haas: Wie bereits vorher von Florian und mir erklärt, ist das eben bei uns nicht der Fall, was ein schönes und deutliches Alleinstellungsmerkmal ist. In Freyung-Grafenau gibt es keine Agrar-Konzerne, der Grundgedanke der Landwirtschaft ist deshalb erhalten geblieben.
„Keiner will Agrar-Industrie oder Giggerl-KZs“
Aussage 3: Aufgrund der zuvor angesprochenen Entwicklung hat die kleinteilige Landwirtschaft, die ohnehin nach und nach ausstirbt, erst gar keine Chance mehr. Der Nebenerwerbs-Bauer, der drei bis fünf Stück Vieh hat, wird deshalb bald nur noch in Bilderbüchern existieren.
Florian Götz: Wenn die Politik und die Gesellschaft weiterhin darauf drängt, dann ist das leider durchaus vorstellbar. Keiner will die Agrar-Industrie, keiner will ein Giggerl-KZ – doch wir selber konsumieren so, dass genau diese Entwicklung die einzig logische ist. Streng nach dem Motto: Wachse oder weiche. Findet hier kein Umdenken statt, werden noch viele weitere kleine Betriebe aufgeben müssen. Auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen, ist genau unsere Aufgabe im Rahmen der Imagekampagne. Generell befindet sich die Landwirtschaft im Wandel. Die Regionalität steht vermehrt im Fokus. Es ist in der Folge viel Potenzial für Direktvermarkter da. Es geht also in die richtige Richtung.
Aussage 4: Regionalität ist in der Landwirtschaft gar nicht erst möglich, was am Beispiel der Milch deutlich wird. Diese wird von den Großmolkereien mit den Tanklastwagen eingesammelt und mit Milch aus dem EU-Ausland vermischt.
Florian Götz: Ja, es gibt das Gerücht, dass Molkereien Milch aus dem EU-Ausland dazu mischen. Und das ist überhaupt nicht gut. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass es bei uns immer mehr Direktvermarkter gibt, wie beispielsweise die Familie Wilhelm in Kronwinkel bei Grainet.
Marina Haas: Wie Florian schon gesagt hat, ist das durchaus ein Problem. Es gibt aber inzwischen Alternativen zu diesen Molkerei-Konzernen. Einerseits die angesprochene Direktvermarktung. Andererseits entsprechende Siegel auf den Produkten. Aber dann sind wir schon wieder beim Konsumverhalten angelangt. Qualität und Regionalität haben ihren Preis und ist somit gegensätzlich zum Immer-billiger-Wahn.
„Dann können wir einheitlich auftreten“
Wie wird sich die Landwirtschaft in Freyung-Grafenau in der Zukunft entwickeln?
Florian Götz: Ein endgültiges Ziel, das wir uns setzen, werden wir mit unserer Kampagne nicht erreichen. Es geht einfach darum, die Wahrnehmung für die Landwirtschaft im Landkreis Freyung-Grafenau zu verbessern. Einen großen Schritt haben wir dann vollzogen, wenn sich einmal alle landwirtschaftlichen Betriebe – egal, ob bio oder konventionell, Milch- oder Mutterkuhhaltung – unserer Initiative angeschlossen haben. Denn dann können wir einheitlich auftreten und handeln.
Vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg bei Eurem Vorhaben und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer