FRG. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist ein Thema, mit dem sich der Landkreis Freyung-Grafenau bereits seit längerer Zeit beschäftigt – und das teils hitzig innerhalb der Bevölkerung diskutiert wurde bzw. wird. Zum 1. September soll das neue ÖPNV-Konzept nun flächendeckend im gesamten Landkreis angewendet werden. Im Vorfeld der Umsetzungsphase spricht Landrat Sebastian Gruber im Hog’n-Interview über die Inhalte des neuen Systems, die damit verbundenen Schwierigkeiten sowie den ÖPNV der Zukunft.
Herr Gruber: Der 1. September 2018 stellt für Freyung-Grafenau einen wichtigen Stichtag in Sachen ÖPNV dar. Denn dann gilt das neue Nahverkehrskonzept flächendeckend für den gesamten Landkreis. Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Der öffentliche Personennahverkehr ist in ländlichen Regionen eine herausfordernde Angelegenheit. So auch im Landkreis Freyung-Grafenau. Im Vergleich zu städtisch geprägten Bereichen müssen wenige Menschen auf verhältnismäßig langen Strecken befördert werden. Das Angebot konzentrierte sich vor September 2017 daher traditionell auf den Schülerverkehr. Die Fahrpläne im ländlichen Raum waren auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. In der Konsequenz verkehrten viele Linienbusse nur unter der Woche und nur zu Schulzeiten – an Wochenenden und in den Schulferien war das ÖPNV-Angebot bei uns sehr dünn.
„Mobilität ist ein zentrales Gut unserer Gesellschaft“
Mit der Umstellungsphase in diesem Jahr wird nun der gesamte Landkreis Freyung-Grafenau von einem besseren, innovativen ÖPNV-Angebot profitieren. Das heißt:
- Mehr Fahrtmöglichkeiten auf den Hauptlinien außerhalb des Schülerverkehrs im Takt
- Kürzere Fahrzeiten
- Erstmals Verbindungen auch für kleinere Orte und Ortsteile zu den Gemeindehauptorten
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mobilität ein zentrales Gut ist. Senioren wollen mobil bleiben, Jugendliche wollen Freizeitangebote nicht mehr nur am Wohnort nutzen, Pendler suchen häufiger als früher Alternativen zum Auto. Eben diese Verknüpfungen stellen wir mit der Umsetzung des neuen Linienbündelungskonzeptes im Gesamtlandkreis her.
Warum wurde das neue ÖPNV-Konzept nicht unmittelbar sofort für den gesamten Landkreis umgesetzt?
Um das ÖPNV-Angebot künftig möglichst bedarfsgerecht steuern zu können, wurde der Landkreis zunächst in fünf Teilräume untergliedert. Innerhalb dieser Bereiche sind die Linien – unabhängig von ihrer jeweiligen Wirtschaftlichkeit – zu einem einheitlichen Bündel zusammengefasst worden.
Da die Konzessionen unterschiedliche Laufzeiten haben, konnten die Bündel erst in zwei Schritten umgesetzt werden. Im vergangenen Jahr waren das die Konzessionen für die Linie 100, für den Bereich Wolfsteiner Waldheimat und im Bereich Ilzer Land West. Die Konzessionen in den Bereichen Ilzer Land Ost, Abteiland und Nationalpark-Gemeinden laufen in diesem Jahr aus. Daher ist der Zeitpunkt für die Umsetzung der neuen Linienbündel optimal.
„Das flächendeckende Netz steht nun allen zur Verfügung“
In einem früheren Hog’n-Interview zu diesem Thema hatten Sie betont, einen „ÖPNV zu erwarten, der diesen Namen verdient hat“. Ist dieser Wunsch durch das neue Konzept Wirklichkeit geworden?
Durch die Integration von Schülerverkehr und Jedermannverkehr werden nun beispielsweise Senioren und Pendler mobiler. Ein Beispiel: Die ältere Dame, die in der Früh zum Arzt in die Stadt muss, darf nun endlich morgens im Bus mitfahren. Das praktisch flächendeckende Netz des Schülerverkehrs steht nun allen zur Verfügung.
Hinzu kommen weitere Maßnahmen, um möglichst vielen Menschen im Landkreis Mobilität durch ÖPNV anbieten zu können. Es ist nicht nur ein Netz aus Hauptlinien in dichtem Takt und weiteren Linien als Ergänzungsachsen geschaffen worden. Ergänzt wird dieses noch durch bedarfsgesteuerte Verkehrsangebote wie Rufbusse. Dadurch ist es möglich in den Randzeitlagen getaktete Verbindungen zu schaffen, sodass auch an den Wochenenden und in den Ferien ein Angebot mit guter Taktung und aufeinander abgestimmten Verbindungen vorhanden ist.
Außerdem ist seit dem 01. August 2018 die Preiszone 1 (Entfernung 0-2 km) für alle Fahrgäste der Regionalbusse kostenlos. Zeitnah soll dies auch für die Stadtverkehre in Freyung, Waldkirchen und Grafenau gelten. Hier müssen aber noch rechtliche Bedingungen geklärt werden. Alle Schüler erhalten die Möglichkeit, mit ihrer Upgrade-Card außerhalb der Schulzeiten (am Nachmittag, am Wochenende und in den Ferien) das gesamte Netz im Landkreis kostenlos zu nutzen. Dadurch wird neben dem besseren Fahrtenangebot auch ein attraktiver Tarif für die Hauptzielgruppen geboten, die auf den ÖPNV angewiesen sind.
Ein erster Teil des neuen Nahverkehrsnetzes in FRG wurde, wie von Ihnen angesprochen, bereits im Spätsommer 2017 angewendet – begleitet von heftigen Protesten der Eltern von Schulbus-Schülern. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Die Proteste, die im vergangenen Jahr herrschten, waren durchaus berechtigt. Bedingt waren die Probleme dadurch, dass die Prüfung der Anträge durch die Regierung von Niederbayern bis zum 31. August 2017 gedauert hat – und den Genehmigungen ein langwieriger Abstimmungsprozess vorausgegangen ist. Bei der Umsetzung zum 1. September war es daher erstaunlich, dass überhaupt Busse gefahren sind – eine große Leistung der Busunternehmer. Die Kinderkrankheiten des Systems waren dabei natürlich auch nicht zu übersehen. Da der Fahrplan jedoch ein lernender ist, konnten auch diese relativ schnell behoben werden.
Künftig sollen die Busse untereinander kommunizieren
Hat sich in dieser Hinsicht die Lage wieder beruhigt? Wie hat es das Landratsamt geschafft, die Gemüter wieder zu beruhigen?
Den Problemen, unter anderem in Oberndorf am Busbahnhof, ist man umgehend nachgegangen. In Zusammenarbeit mit der Polizei sowie mit den Schulen und Gemeinden sind Ärgernisse schnell übermittelt worden. Fahrpläne konnten so zeitnah optimiert, Umläufe angepasst, Buskapazitäten verändert und Verstärkerbusse eingesetzt werden. Um das Schulzentrum in Oberndorf zu entlasten, fahren seitdem Linien ab dem Busbahnhof in Freyung ab. Dadurch wurde die Verkehrssituation am Schulzentrum spürbar verbessert. Beschwerden und Kundenanregungen, die in der Mobilitätszentrale aufgelaufen sind, wurden tagesaktuell bearbeitet und in Fahrplanänderungen oder Änderungen der Wageneinsätze umgesetzt. Seitdem sind die Beschwerden auch stark zurückgegangen.
Ist mit der Umsetzung des kompletten ÖPNV-Netzes zum 1. September die Neustrukturierung des Nahverkehrs im Landkreis abgeschlossen – oder sind weitere Neuerungen geplant?
Mit der Umsetzung des ÖPNV-Konzeptes sind die reinen Linien umgesetzt. Zukünftig ist jedoch geplant, ein System einzuführen, mit dem die Busse untereinander kommunizieren. Somit ist eine Echtzeit-Auskunft gewährleistet und die digitale Reiseauskunft wird ausgebaut. Außerdem werden die Fahrpläne insgesamt optisch besser aufbereitet, damit diese einfacher zu lesen sind.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Nahverkehr im ländlichen Raum, insbesondere im Bayerischen Wald und dem Landkreis FRG, in den kommenden Jahren entwickeln?
Mit den Linienbündeln im gesamten Landkreis haben wir den Grundstein für einen zukunftsorientierten ÖPNV gelegt. Dieser kann nun jedes Jahr überprüft und optimiert werden. Zusammen mit den geplanten Maßnahmen im Rahmen der Digitalisierung haben wir ein solides System, dass auch in der Zukunft Schüler, Pendler, Senioren, Touristen und alle Fahrgäste verlässlich in und durch den Landkreis fahren lässt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Helmut Weigerstorfer