Vor zwei Jahren startete der Landkreis die Imagekampagne „MADE in FRG – Mehr als du erwartest“. Landrat Sebastian Gruber erklärte damals im Hogn-Interview, mit der Kampagne die Stärken des Landkreises (wie die hohe Lebensqualität und den hohen Freizeitwert) ins Bewusstsein der Leute rücken zu wollen. Aus einem wichtigen Grund: Die Unternehmen in Freyung-Grafenau sind auf der Suche nach gut qualifizierten Arbeitskräften. Aber wie lockt man sie hierher? Existierenden Vorurteilen und Klischees über den Bayerischen Wald wolle er mit der Kampagne aktiv begegnen, sagte Gruber.
Argumente locken niemanden, der FRG nicht sowieso schon liebt
Doch: Wie sieht die Zwischenbilanz der noch mindestens bis Ende des Jahres laufenden Werbekampagne aus? Was hat der verantwortliche Regionalmanager Stefan Schuster zusammen mit der Werbeagentur „Freunde der guten Idee“ bisher erreicht? Hehres Ziel Schusters ist es, mit der Kampagne alles auf einmal abzudecken: Er will Exil-FRG’ler zurück in die Heimat locken. Aber auch Großstädter ansprechen. Potenzielle Fachkräfte von der Lebensqualität des Landkreises überzeugen. Und er will den Landkreisbürgern zeigen, dass sie stolz auf ihre Heimat sein können (siehe Hog’n-Artikel „Nachgehakt: Mit der neuen FRG-Kampagne weg vom Provinz-Image?!“).
Als der Slogan „MADE in FRG“ vor einem Jahr erstmals auf Werbeleinwänden in der Münchner U-Bahn erschien, berichteten nicht nur regionale Medien darüber. Auch der Bayerische Rundfunk schickte ein Kamerateam in den Bayerwald. Heraus kam ein (aktuell nicht mehr verfügbarer) Bericht für die „Abendschau“, der leider genau mit den Klischees begann und hantierte, die die Imagekampagne auszuräumen versucht: Mit Kuhglocken-Gebimmel und der Feststellung, dass die Unternehmen sich schwer täten, Fachkräfte zu finden: „Dabei wäre es hier so schön beschaulich.“
Stefan Schuster wandelte als „FRG-Scout“ durch den Beitrag und zählte die Argumente auf, warum das Leben hier so viel besser ist als in München: Günstigen Baugrund, freie Kindergartenplätze, wenig Stau und viel Natur habe FRG zu bieten. Das alles gibt es aber auch in vielen anderen ländlichen Landkreisen abseits der Großstädte. Diese Argumente locken niemanden, der den Landkreis nicht sowieso schon kennt und liebt.
Ob der nächste Streich der Kampagnen-Verantwortlichen – das Filmchen, in dem Schauspielerin Lilian Prent verhindern will, dass die MADE-Kampagne München leer fegt – humorig ist, darüber lässt sich wohl trefflich streiten. Fazit nach einem Jahr des Videos auf der Google-Plattform „Youtube“ ist jedenfalls: Rund 3.500 Aufrufe hat der Clip. Mehr als die meisten anderen auf dem Youtube-Kanal der Kampagne. Eine relativ bekannte Jung-Schauspielerin aus dem Landkreis und ein Film, der polarisiert, wirken also vielleicht doch?
Es geht letztlich um ein Gefühl, um Selbstvetrauen in die Heimat
Auch über die Aktion, sogenannte FRG-Scouts nach München zu schicken und Menschen anzusprechen, um sie für ein „Testwochenende“ in Freyung-Grafenau zu begeistern, kann man geteilter Meinung sein. Wie soll man zufällig auf der Straße jemanden finden, der sich für einen Umzug nach FRG interessiert? Um auf die Imagekampagne aufmerksam zu machen, gibt es wohl effektivere Wege. Regionalmanager Stefan Schuster und Christoph Fritz von der Werbeagentur taten sich sichtlich schwer, Freiwillige zu finden, die durch München laufen und Passanten ansprechen wollten. Drei Teams konnten sie schließlich zusammenstellen – der große Bus, der sie hinbrachte, wäre wohl nicht unbedingt von Nöten gewesen.
Bis endlich Auserwählte ein Wochenende zusammen mit einem FRG-Scout im Landkreis verbringen dürfen, dauert es immer noch. Bewerben kann man sich dafür auch über die Internetseite www.mehralsduerwartest.de. Laut Schuster wolle man zuerst Bewerbungen sammeln und im kommenden Juni, Juli und August aktiv werden. Ein Jahr dauert es also, bis überhaupt genügend „Schnupperer“ vorhanden sind?
Aber eigentlich sind es nicht die vorzeigbaren Testbesucher und auch nicht Klickzahlen auf Internetseiten und Youtube, die den Erfolg der Kampagne messen können. Letztendlich geht es um ein Gefühl bei den Landkreisbürgern selbst, eine Art Selbstvertrauen in die Heimat.
Während die medienwirksamen Aktionen wie die Werbung in der Münchner U-Bahn oder die FRG-Scouts wohl kaum viele neue Landkreisbürger anlocken werden, gibt es im Rahmen der Kampagne aber auch Messeauftritte, eine mittlerweile inhaltlich breit gefächerte Internetseite und eine ansprechende Zeitschrift namens „Daheimvorteil„, die für die Unternehmen der Region durchaus wertvoll sein können. Denn hier präsentieren sich die Arbeitgeber, hier zeigt die Kampagne, welche Jobs der Landkreis zu bieten hat – und hier erfahren diejenigen Exil-FRG’ler, die sowieso zurück in die Heimat möchten, welche Chancen sich hier bieten.
Der Landkreis hat sich in den letzten Jahren tatsächlich verändert
Regionalmanager Stefan Schuster ist außerdem viel an heimischen Schulen unterwegs. Hier findet die wichtigste Arbeit in Sachen Zukunft des Landkreises statt: Wenn Schüler in der Heimat eine Ausbildung beginnen oder ihr Studium auch unter dem Gesichtspunkt auswählen, ob sie danach in einem Unternehmen der Region arbeiten können, ist das Meiste schon gewonnen.
Ob daneben auch das Image des Landkreises außerhalb des Bayerischen Waldes verändert wird, ist zweitrangig. Die Süddeutsche Zeitung berichtete kürzlich vom „Gründerstädtchen Freyung“. Im Artikel mit dem Titel „Freyung: Wir leben hier schon im Paradies“ (Online-Version) bzw. „Glasfaser im Wolfsland“ (Print-Version) führt der Autor einige Vorzeigebeispiele erfolgreicher Neugründungen und zukunftsfähiger Forschung „MADE in FRG“ auf. Freyung ist kein verschlafenes Städtchen „am Ende der Republik“ mehr, will uns der Autor sagen, sondern richtig hip geworden, ein Nährboden für coole Start-up-Gründer. Der Autor zeichnet also genau das Bild des Landkreises, das die Imagekampagne MADE vermitteln will – indem er sich u.a. mit den Machern der Werbekampagne unterhält, die selbst zu den Existenzgründern gehören.
Der Landkreis hat sich durch das Engagement und die Ideen mehrerer junger Politiker in den letzten Jahren tatsächlich verändert. Aus Freyung wird aber – zum Glück – nie München, Berlin oder Köln werden. Hier spricht man niederbairischen Dialekt. Hier muss man weite Wege in Kauf nehmen, wenn man ins Theater, in die Oper oder zu einem Konzert gehen möchte. Hier kennt jeder jeden – anonym sein Ding zu machen, ohne dass der Nachbar Bescheid weiß, ist kaum möglich.
Ein künstlich-cooles Image für den Landkreis zu kreieren bringt auf Dauer nichts. Denn wer hierher kommt und mit den „Waidlern“ eigentlich nichts anfangen kann, wer hier nach denen sucht, die „anders“ sind als die „normalen Leute“ – der bleibt nicht. Wer nach der Schule in die Großstadt geflohen ist, weil er anonymer leben wollte, weil er es nicht gerade gerne sah, dass der Nachbar ständig über alles Bescheid weiß, dass die Familie immer in der Nähe ist und sich in alles einmischt, dass es zwar ein paar coole Kneipen gibt, aber auch hier immer wieder dieselben Leute dort aufschlagen, der kommt wohl auch für einen tollen Job nicht zurück nach Freyung-Grafenau.
Denn FRG bleibt dann in den Köpfen hängen…
Wer dagegen hier aufgewachsen ist und – wie die Autorin dieses Artikels selbst – diese Dinge nie schlimm fand, nie die „große Stadt“ und das „hippe Leben“ oder das „riesige Kulturangebot“ dort vermisst hat, wer nach der Schulzeit nur weggegangen ist, weil das Fach, das man studieren wollte, eben in Passau oder in Deggendorf nicht angeboten wurde, wer sein Geld schon während des Studiums lieber für Zugtickets in die Heimat ausgegeben hat als für Abende in Bars und Szenekneipen – ja, der wird gerne zurück nach FRG kommen und die Großstadt nicht vermissen.
„Und dann gibt es noch wild lebende Wölfe und Luchse. Die Bären sind immerhin im Gehege“, schreibt der SZ-Autor etwas weiter unten in seinem Artikel. Da ist es wieder: das Klischee vom Bayerischen Wald. Es lebt trotz Imagekampagne weiter. Aber wenn die Macher der Kampagne verstärkt auf interessante Geschichten, Portraits von erfolgreichen Firmen und Start-ups, effektvolle Bilder von Natur und Menschen setzen, ist das Geld, das in „MADE“ steckt, trotzdem gut investiert. Denn FRG bleibt dann in den Köpfen hängen. Und die ein oder andere Fachkraft findet sich – vielleicht. Und Exil-FRG’ler überlegen, ob es hier nicht doch einen Job gäbe, für den sich die Rückkehr lohnt – vielleicht…
Kommentar: Sabine Simon