Aicha vorm Wald. Eigentlich ist er ja Kameramann. Einer, der bei Filmdrehs stets all das im Fokus hat, was sich vor seinem Objektiv abspielt. So wie etwa bei „Restalkohol„, der mit regionalen Laiendarstellern besetzten Low-Budget-Produktion aus dem Jahr 2014, die mit viel Herzblut und Idealismus realisiert wurde und beim heimischen Publikum für große Begeisterung sorgte. Nun ist seine Rolle eine andere: Benjamin Strobel führt erstmals Regie. Der Titel seines Debüts: „Restguthaben – Zeit, die einem bleibt“.
Einer von drei offiziellen Trailern zum Film „Restguthaben – Zeit, die einem bleibt“:
Und auch dieser Film, der am 12. März im Freyunger Cineplex-Kino Premiere feiert, überzeugt durch starke Bilder, viel Heimatgefühl und Antworten auf tiefgreifende Fragen des Lebens, die sich wohl jeder schon einmal gestellt hat. Eine Tragikomödie, die neben professionellen Darstellern wiederum so manch bekanntes Gesicht aus der Region auf die Leinwand bannt und die unter Mithilfe vieler Befürworter und Sponsoren in die Tat umgesetzt wurde. „Ich bin allen Unterstützern sehr dankbar – ohne sie hätte ich mein Regie-Debüt nicht realisieren können“, sagt der in Aicha vorm Wald lebende 40-Jährige, mit dem sich da Hog’n über sein neues (Gemeinschafts-)Projekt unterhalten hat:
Benjamin: Nachdem du bei „Restalkohol“ bereits als Co-Regisseur mitgewirkt hattest, ist „Restguthaben“ der erste Film, bei dem die Regie gänzlich in deinen Händen lag. Wie war’s für Dich erstmals alleinverantwortlich die Fäden am Set zu ziehen?
Grundsätzlich musste „Restguthaben“ wesentlich professioneller geplant und durchgeführt werden als „Restalkohol“, was wir dann mit meinen professionellen Kollegen auch machen konnten. Mir war von Anfang an klar: Wenn ich die Regie bei diesem Projekt mache, muss ich eine Geschichte schreiben, die ich zum einen erzählen kann – und die zum anderen etwas mit den Fragen zu tun hat, die ich mir selbst im Leben stelle.
„Als mir das klar war, konnte ich loslegen“
Gedanken, die mich in meinem persönlichen Leben umtreiben. Als mir das klar war, konnte ich loslegen. Das heißt, zuvor musste ich noch eine Frage klären: Wenn ich Regie mache, wer macht dann die Kamera? Zum Glück stellte sich ein lieber Freund dieser Herausforderung: Stefan Stelzer aus Röhrnbach, der als Kameramann mit seiner Familie mittlerweile in München lebt und arbeitet.
Gibt es denn eine gewisse Nähe zu „Restalkohol“? Der Titel des neuen Films lässt das zumindest vermuten.
Das könnte man meinen, ja – allerdings hat „Restguthaben“ in der Tat inhaltlich nichts mit „Restalkohol“ zu tun und ist auch kein zweiter Teil oder so. Die Namensähnlichkeit kommt daher, dass Mike Werner und Hubert Denk, die Macher hinter „LowerBavariaFilms“, einst eine „Trilogie“ im Kopf hatten. „Restguthaben“ war zuerst also nur ein Arbeitstitel für diesen Film und als „Restguthaben“ auf dem Bankkonto zu verstehen.
Als ich mich dann um das Drehbuch kümmerte, dramaturgische bzw. emotionale Strukturen festlegte und mehr eine Geschichte über Freundschaft, Zeit für wichtige Dinge und Zufriedenheit im Leben zu schreiben begann, fanden wir den Titel nach wie vor passend – und behielten ihn bei. Allerdings mit dem Zusatz: „Zeit, die einem bleibt“.
„Wir alle sind irgendwann einmal Zweifler“
Im Film geht’s um die Situation von Fritz Unrecht, der sich fragt, an welchem Ort er wohl Zufriedenheit und Glück im Leben finden wird. Wie kam’s zu dieser Idee?
Ich hatte zu Beginn der Reise gar nicht vor, Regie zu führen. Ich wollte ja mit diesem Film meinen ersten Kinofilm als Kameramann machen, weshalb ich mich anfangs nicht so intensiv mit dem Titel „Restguthaben“ und der Ursprungsfrage „Wieviel Geld braucht man, um glücklich zu sein?“ auseinandergesetzt habe. Denn um diese Idee eines weiteren Filmes nach „Restalkohol“ kreisten die Gedanken von Mike Werner und Hubert Denk, den Produzenten von „Restalkohol“.
Als das Unterfangen „Restguthaben“ stagnierte und zu scheitern drohte, machte ich mich daran, das Drehbuch selbst in Angriff zu nehmen. Da war für mich klar, dass ich eine Definition für „Restguthaben“ finden musste, sollte es bei diesem Titel bleiben. Natürlich habe ich da auch bei mir gesucht und mir die Frage gestellt: Was heißt es, eine Art Restguthaben in Bezug auf Lebenszeit und Zufriedenheit zu besitzen? Ich bin freiberuflich als Kameramann und Regisseur tätig – da muss man sich oftmals die Frage stellen, wie man sich seine Zeit richtig einteilt.
Wir alle sind irgendwann einmal Zweifler. Wir zweifeln an uns und viel zu oft zweifeln wir an anderen, an Menschen oder Umständen, die uns betreffen und uns womöglich einschränken könnten, anstatt das Problem bei den Wurzeln, also bei sich selbst zu packen. Ich habe mich gefragt, was ist, wenn wir zu lange zweifeln und dann nicht mehr zurück können? Das Buch greift dieses Thema auf: Wann merken wir, dass es Zeit ist umzudenken oder umzukehren, bevor wir wirklich etwas verlieren, das uns wichtig ist? Ich habe die Frage an einer Beziehung aufgehängt, an der Liebe und Freundschaft der beiden Filmfiguren Fritz und Irmi und dem Ringen von Fritz um die Entscheidung, was wirklich wichtig ist. Das ist der zentrale Konflikt.
Als Folge der intensiven Arbeit mit der Geschichte habe ich dann überlegt, selbst Regie zu führen. Meine Produktionspartner Thomas Gottschall, Mike Werner und Hubert Denk stimmten dem freudig zu – und der Rest ist ab sofort im Kino zu sehen (schmunzelt).
„Dank Landluft ist der Film noch stimmungsvoller“
Wie lange hat der Dreh gedauert, wie lange die Fertigstellung des Films? Und: An welchen Orten habt ihr gedreht?
Die Dreharbeiten fanden von September bis Oktober 2018 an insgesamt 26 Drehtagen statt. Gedreht haben wir im Landkreis Passau in den Gemeinden Aicha vorm Wald, Alkofen, Eging am See, Tittling, Hutthurm und Windorf. Zudem waren wir in Waldkirchen zugange. Im Januar 2019 haben mein Münchner Kollege Tobias Beul und ich angefangen zu schneiden und in Blöcken an der Montage der Geschichte gearbeitet.
Da wir nicht durchgehend daran arbeiten konnten, vergingen annähernd sechs Monate bis der Schnitt fertig war. Nun hatten wir zwar einen Film, der aber noch einen guten Ton brauchte. Außerdem Geräusche und vor allem Musik. Die Wahl der Komponisten bzw. der Band, die die Musik zu „Restguthaben“ beisteuern sollte, habe ich bereits recht früh getroffen: Ich wollte unbedingt „Landluft“ mit dabei haben. Die Art und Weise, wie Landluft bzw. die Texte von Beda Pfeiffer die Geschichten zu ihrer Musik erzählen, ähnelte der Situation mit dem Drehbuch zu „Restguthaben“: Eine Geschichte, die das Leben so abbildet, wie es passieren könnte, wenn sich manche Begegnungen so ereignen wie im Film.
Dank der Begeisterung, mit der Hannes Stadler und Maximilian Maier ans Werk gingen, kann man ein Stück unserer Heimat nicht nur sehen, sondern auch hören. Einige Lieder der Band sowie ein paar neue instrumentale Kompositionen machen den Film noch stimmungsvoller. Was für ein Fest, wenn Passauer und Freyung-Grafenauer künstlerisch zusammenarbeiten!
„Ich bin ein großer Freund von leisen Momenten im Film“
Mit Reinhard Schröckinger, Rupert Wick oder Hubert Denk sind Leute aus der Region Bayerwald mit von der Partie, die keine professionelle bzw. professionelle Schauspielausbildung haben. Wie war’s für Dich mit ihnen zu arbeiten?
Mit Laiendarstellern zu arbeiten ist immer dann gut möglich, wenn wir im Dialekt erzählen können. Denn dann haben die Leute die Chance so zu sein und zu sprechen, wie sie es gewohnt sind und wie man sie kennt. Der Hauptunterschied zwischen einem Profi und einem Laien ist, dass es einem Profi aufgrund seines gelernten Handwerks gelingt, in jede Figur zu schlüpfen, die ein Drehbuch bzw. der Regisseur für ihn vorsieht. Ein Laie hingegen braucht eine Figur, die ihm selbst und seiner Art sehr nahe kommt. Wenn man Laien gut einsetzt, sind sie von Profis kaum zu unterscheiden.
Und natürlich unterscheidet sich die Arbeit am Set bzw. in der Vorbereitung der Leute für die Figuren. Mit Laien arbeite ich eher ergebnisorientiert, das heißt: Ich beschreibe ihnen die aktuelle Situation sehr bildlich und versuche sie dabei soweit zu bringen, dass ich ihre Reaktionen auf die Situation in der Szene einfangen kann. Dann habe ich eine Art künstliche Realität geschaffen, die gut funktioniert. Mit Profis arbeite ich prozessorientiert, also an einer Entwicklung im Leben der Figur, das die Zuschauer dann auf der Leinwand mitverfolgen können – und sie somit auch die Möglichkeit haben „mit zu leiden“. Bei „Restguthaben“ war ich sehr dankbar, dass sich die richtigen Leute für die mit Laien besetzten Rollen gefunden haben und den Film somit in puncto Echtheit deutlich bereichern konnten.
Was war der schönste Moment während der Dreharbeiten, was ein weniger schöner?
Ich bin ein großer Freund von leisen Momenten im Film – und da gab es so einige. Es gab so viele schöne Momente, dass es echt schwer ist, einen Favoriten zu benennen. Doch der Moment, als Josef Eder als Charly am Lagerfeuer sitzt und Geige spielt, berührt mich nach wie vor, da es ein echter Moment ist. Josef kann Geige spielen und hat diesen Teil auch in der Postproduktion selbst eingespielt. Die Stelle ist für mich auch im Film sehr magisch.
„Alle haben zusammengehalten – und das war wunderbar“
Weniger schön war die Tatsache, dass ich den Drehplan an die Verfügbarkeiten insbesondere der Hauptrollen anpassen musste, um diese möglichst effektiv am Set zu haben, da wir sie nicht völlig von anderen Produktionen loskaufen konnten – und sie dadurch nicht ständig zu meiner Verfügung standen. Somit musste ich exakt in der Zeit mit ihren Szenen fertig sein, die ich disponiert habe, da ich so gut wie keine Ausweichmöglichkeiten im Drehplan hatte. Wichtig war dabei auch die Tage nicht unnötig lang werden zu lassen, um das Team nicht überzustrapazieren, da es ohnehin nur ein Drittel der Größe hatte, die man normalerweise an einem Kino-Set braucht. Alle haben zusammengehalten für diesen Film – und das war wunderbar.
Welche Botschaft hat Dein Film? Was möchtest Du damit den Leuten da draußen mitteilen?
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass man die wunderbaren Dinge, die einem das Leben schenkt, stets als etwas nicht Selbstverständliches wertschätzen soll. Oftmals ist das Glück bereits da, wir haben es nur kurzzeitig aus den Augen verloren. Das passiert jedem einmal. Wichtig ist nur, dass wir wieder auf den Weg zurückfinden. Dafür haben wir dann zum Glück Freunde, die für einen da sind, oder – wie in meinem Film – die gute Fee, die übrigens nicht immer weiblich sein muss (grinst).
Abschließend: Welche filmischen Schmankerl hast Du als nächstes geplant?
Man soll ja bekanntlich nicht über ungelegte Eier sprechen – aber ja, die Idee für den nächsten Film habe ich bereits im Kopf und möchte dieses Jahr noch mit dem Drehbuch starten. Viel soll noch nicht verraten werden – bis auf die Tatsache, dass die Geschichte in der Passauer Musikszene spielen wird und ich beim nächsten mal den Schritt in die „große Stadt“ als Handlungsschauplatz wagen werde.
Danke für Deine Zeit und Deine Antworten – und weiterhin alles Gute.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer