Hinterschmiding/Freyung. „Weg von der Oberflächlichkeit, hinein in die Tiefe.“ Dieses Motto hat sich in den vergangenen 25 Jahren wohl niemand so sehr auf seine Fahnen geschrieben wie die Mitglieder der Bayerwald-Kultband Landluft. Sie machen sich seit jeher ihre ganz eigenen Gedanken über das, was in der Welt gerade vor sich geht, werfen in ihren Liedern immer wieder einen kritischen Blick auf die Gesellschaft, die sich momentan in eine beunruhigende Richtung bewegt, wie Sänger Beda Pfeiffer und Gitarrist Elmar Sammer im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n feststellen.
Mal humorig, mal philosophisch geht’s zu, wenn die beiden im Hog’n-Interview einen Blick auf die Wirtshaus-Tour werfen, von der es keine Fortsetzung geben wird; wenn sie von ihrer Zusammenarbeit mit Tom & Basti berichten und davon, was sie von den Jungmusikern gelernt haben; wenn sie erklären, was in ihren Augen die Volksmusik ausmacht; wenn sie darüber sprechen, dass heute niemand mehr Zeit hat und keinem mehr etwas wert zu sein scheint; wenn es darum geht, dass insbesondere die Medien zur stetig zunehmenden Verdummung der Menschen beitragen. Dabei wirken sie manchmal wie Fossile aus längst vergangenen Tagen, altersweise Herren, die gelernt haben und verstanden haben, worum es im Leben geht – und gleichzeitig mit der schnelllebigen Neuzeit und deren Gegegebenheiten hadern…
Elmar Sammer und Beda Pfeiffer, Johannes Stadler und Wolfgang Saller brechen nach dem Weggang ihres langjährigen Schlagzeugers in eine neue Ära auf, wie sie es nennen. Eine Ära, die ihrer Ansicht nach noch einmal 25 Jahre dauern wird. Eine Ära, die wiederum ihre Veränderungen mit sich bringen wird. „Weil ois hod sei Zeit.“
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Max Maier, Landluft-Mitglied seit 1992, hat die Band mit seinem letzten Auftritt Ende Oktober 2016 im Huckenhamer Stadl verlassen. Wie kommt’s? Was ist passiert?
Beda (zögerlich): Ich denke, Max hatte sich am Ende mit dieser Art von Musik nicht mehr wirklich wohl gefühlt bei uns. Aber warum genau er Landluft verlassen hat, das weiß er, glaub ich, selbst nicht so recht…
„Das ist nicht mehr mein Ding – jetzt steig ich aus“
Wenn ein Bandmitglied nach fast 25 Jahren ausscheidet – hinterlässt das dann nicht eine sehr große Lücke? Geht da ein Stück Landluft verloren?
Elmar: Leute entwickeln sich. Und Entwicklungen laufen nie parallel. Es geht mal so (deutet in die eine Richtung), dann mal so (deutet in die andere Richtung). Vielleicht auch mal so. Und manchmal, auch nach 25 Jahren, geht’s so… und man entfernt sich immer weiter voneinander. Das ist es, was mit der Band und Max passiert ist. Seine Vorstellungen von Musik haben sich verändert und er hat irgendwann erkannt: Das ist nicht mehr mein Ding – jetzt steig ich aus.
Offen gefragt: Seid Ihr im Guten oder im Schlechten auseinander gegangen?
Elmar: Ich bin ihm auf keinen Fall böse oder so. Ich hatte ihn in die Band gebracht, hab ihn schon gekannt, lange bevor es Landluft überhaupt gegeben hat.
Beda: Bös‘ bin ich ihm überhaupt nicht. Es ist halt schade, weil’s ein Gefüge war, das meiner Meinung nach von vorne bis hinten sehr gut gepasst hat. Jedoch ist es so, dass man sich nicht nur musikalisch auseinander entwickeln kann, sondern auch auf einer persönlichen Ebene… (kurze Pause)
…ich verstehe’s nicht ganz, weil’s bei uns gerade recht gut läuft und wir aus meiner Sicht einen guten Zusammenhalt in der Band hatten. Es gab bei uns Zeiten, in denen wir nur vier-, fünfmal im Jahr aufgetreten sind. Jetzt spielen wir zwanzig, dreißig Mal – vielleicht ist auch das der Grund für seinen Weggang. Vielleicht ist es ihm einfach zu viel geworden…
„Es wird keinen dritten Teil der Wirtshaus-Tour geben“
Wie kompensiert Landluft den Wegfall von Max Maier? Wie geht’s weiter?
Beda: Wir haben mit Georg Dorfner bereits einen neuen Schlagzeuger in die Band geholt. Er kommt aus Haus im Wald und ist der Inhaber der gleichnamigen Musikwerkstatt. Er ist unter anderem auch Kapellmeister der Blaskapelle Tittling.
Elmar: Georg Dorfner ist ein langjähriger Kollege von mir, ich arbeite seit 1997 mit ihm zusammen und er hat bei Landluft schon vor zehn Jahren das erste Mal ausgeholfen. Er ist ein sauguter Schlagzeuger und ein unheimlich netter Kerl – und ich hoffe, er bringt uns musikalisch wieder ein Stückerl weiter. Wenn auch auf eine ganz andere Art als Max. Georg hat Schlagzeug-Seminare in Amerika belegt und ist sehr fit auf seinem Instrument. Er ist sehr vielseitig und auf jeden Fall fachkompetent.
Wie schwierig ist es für Georg Dorfner, nun Teil der eingeschworenen Landluft-Truppe zu werden?
Beda: Er redt genauso bled daher wia mia, wenn net na bleda (lacht)… Meiner Meinung nach wird die Integration für ihn sehr einfach von statten gehen.
Elmar: Ich sehe das auch so. Er ist Profi genug, dass er sich optimal darauf vorbereitet. Mir ist wichtig, festzustellen, dass mit dem neuen Jahr auch eine neue Ära bei Landluft anbrechen wird. Das ist nicht zu hoch gegriffen, denn wenn so ein wichtiger Mann wie der Schlagzeuger ausgetauscht wird, dann ändert sich alles, das ist klar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Georg das, was von Max Maier vorgegeben war, kopiert. 2017 wird aber ein Landluft-Jahr werden, in dem ein neues Programm mit neuen Songs entstehen wird – es wird keinen dritten Teil der Wirtshaus-Tour mehr geben. Da wird dann ganz klar der Einschlag von Georg Dorfner zu hören sein. Dann wird er auch musikalisch voll und ganz zur Band stoßen.
„Tom & Basti machen Volksmusik, wir machen Volksmusik“
Wisst Ihr schon, was die neue Landluft-Ära sonst noch konkret mit sich bringen wird?
Elmar: 25 Jahre hat die bisherige Ära angedauert. Ich hoffe, dass die neue Ära nochmals genauso lange dauern wird. Da bin ich dann 80… (schmunzelt)
Beda: …ich bin dann noch nicht ganz 80 (lacht)… Nein, im Ernst: Wir hatten ja zwei Live-Alben von unserer Wirtshaus-Tour veröffentlicht. Die Tour war für uns von Anfang an ein Experiment. Musik mit Geschichten gemischt – das ist bei den Leuten gut angekommen. Aber, wie gesagt, wird es keinen dritten Teil der Wirtshaus-Tour mehr geben – wobei genügend Material da wäre. Der Grund: Egal, wie gut das Konzept war bzw. ist – wenn man’s überreizt, verlieren die Leute irgendwann mal die Freude daran. Und das spürt man selber auch.
Ich habe da schon so meine Ideen für die neue Landluft-Ära. Ich kann bzw. mag dazu aber noch nichts sagen, weil’s noch nicht einmal die Bandmitglieder wissen… Genauso, wie die Band nie einen Text von mir zu hören bekommt, bevor er nicht direkt im Proberaum vorgesungen wird. Ich habe das die letzten 25 Jahre so gehandhabt – daran wird sich nix ändern.
Ihr hattet Euch für Eure Wirtshaus-Tour mit Tom & Basti prominente Verstärkung mit ins Boot geholt. Wie lief die Zusammenarbeit aus Eurer Sicht?
Beda: Tom & Basti machen Volksmusik, wir machen Volksmusik – beide jedoch aus einer unterschiedlichen Zeit. Tom & Basti fahren eher die bodenständig-traditionelle Schiene – wir hingegen eine etwas modernere, zeitgemäßere. Es war daher die logische Konsequenz, dass wir irgendwann mal zusammenfinden. Für uns war’s ein Versuch, der hätte scheitern können. Ist er aber nicht.
Wir werden jetzt noch ein paar Mal gemeinsam auftreten – doch dann wird’s wieder was Neues geben, weil man auch dieses Konzept nicht ewig ausreizen kann…
Elmar: Was Tom & Basti ausmacht, ist der Mix aus Liedern und Geschichten. Genau da ist die Parallele zu uns, deshalb ist’s auch aus meiner Sicht der logische Schulterschluss, der früher oder später zu erwarten war. Die beiden stellen sich nicht auf die Bühne und leiern ein Lied nach dem anderen runter, sondern erzählen dazwischen ihre Geschichten. Meist was total Humorvolles, bei dem die Leute ordentlich ablachen können. Was ich Lachkrämpfe mit den beiden auf der Bühne erlebt habe, das war teilweise nicht mehr feierlich… (lacht)
„Kein normales Leben mehr – es befindet sich alles im Sturzflug“
Volksmusik wird häufig verwechselt mit Alpenglühen, Heimatweh und Bacherl-Rauschen. Doch das hat mit Volksmusik nichts zu tun. Sie hat vielmehr immer schon von Dingen wie der Schmugglerei gehandelt, von Messerstechern, von Pornografie – damals halt anders verpackt, dass es nicht so offensichtlich ist…
Volksmusik war für mich immer die Musik, die aus dem Volk entsteht und den momentanen Zustand einer Gesellschaft analysiert und widerspiegelt. Dass dies 1915 andere Inhalte waren als 2015 liegt auf der Hand.
Eine Nummer von uns mit dem Titel Sturzflug ist rein textlich total am Puls der Zeit und trifft den Zustand unserer Gesellschaft voll auf den Punkt – es kann sich dabei also nur um Volksmusik handeln.
Für alle, die das Lied nicht kennen: Was ist denn der momentane Zustand unserer Gesellschaft?
Beda: Schau Dich um, schau rundum… (schüttelt den Kopf)
Elmar: …keiner hat mehr Zeit, jeder schaut nur noch auf sein Smartphone, keiner blickt mehr seinem Gegenüber in die Augen beim Reden…
Beda: Das Hauptproblem ist die Zeit. Jeder versucht den ganzen Tag über bei irgendwelchen Dingen Zeit zu sparen. Keiner kocht zum Beispiel mehr zu Hause, weil dafür keine Zeit mehr ist. Da wird stattdessen irgendwas aus der Tiefkühltruhe serviert. Und was macht man dann mit der gewonnenen Zeit? Man verbummelt sie vorm Fernseher oder im Internet. Wir sind noch in einer Zeit aufgewachsen, da gab’s noch kein Internet, kein Handy. Da hatte man, im Gegensatz zu heute, noch Zeit für den anderen.
Elmar: Früher ist man abends am Dorfplatz zusammengehockt, hat Pfeife geraucht, gemeinsam ein Bierchen getrunken. Man ist beisammen gesessen, hat geratscht, hat das Leben miteinander gelebt und erlebt. Heute schaut’s so aus: Raus aus der Arbeit, rein in den A6 um 60.000 Euro, nach Hause geschossen mit 400 PS, rein ins Haus, Fernsehen an, die Alte muss die Mikrowelle anwerfen, die Kinder müssen ins Bett… und dann hockst Du alleine vor der blöden Flimmerkiste… aber ein gesellschaftliches Leben im ursprünglichen Sinne findet nicht mehr statt. Das findet nur noch auf irgendwelchen Events statt, wie man’s heute nennt. Und je bescheuerter das Event, desto mehr sind dabei.
Doch dass die Leute etwas miteinander zu tun haben, dass sie sich Zeit nehmen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und miteinander zu reden – das passiert im Großen und Ganzen heute nicht mehr. Jeder hängt für sich allein in seiner Höhle drinnen, schaut dass er möglichst viel Geld in möglichst wenig Zeit verdient. Mit dem Geld kauft er sich dann irgendwelchen Mist, von dem er glaubt, dass er ihn kurzfristig glücklicher macht, wie das 400-PS-Auto oder der Urlaub in Dubai im 5-Sterne-Hotel. Aber ein normales Leben ist das nicht mehr – es befindet sich alles im Sturzflug…
„Und so geht eins nach dem anderen verloren…“
Viele, die tagtäglich im Hamsterrad laufen und für das kurze Glück hackeln wie die Irren, erkennen diese Problematik in gewissen Momenten vermutlich sehr wohl. Dass das so irgendwie nicht richtig ist, was da gesellschaftlich gerade vor sich geht. Doch irgendwie scheinen sie kein Mittel zu finden, die Dinge zu verändern. Woran scheitert’s?
Elmar: …weil der Mensch so erzogen wird – in aller erster Linie von den Medien…
Beda: …und weil es sich dabei um einen schleichenden Prozess handelt. Unsere Generation hat im Kindesalter noch den ganzen Tag über draußen rumgespielt; die Generation nach uns hat es schon weniger gemacht – die heutige schon gar nicht mehr. Gewisse Werte haben sich verschoben. Viele Kinder machen heute Dinge, die sie von ihrer Elterngeneration her gar nicht mehr kennen bzw. mitbekommen. Und so geht eins nach dem anderen verloren.
Live: Die Band Landluft mit ihrem Blues vom Oid-Werd’n:
Ich bin keiner, der ständig der sogenannten guten alten Zeit hinterher trauert. Trotzdem gibt es auch keine gute neue Zeit. Wenn man sich anschaut, was heute alles passiert, was vor 30, 40 Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre: Wenn ich etwa einen Amoklauf in einer Schule betrachte – das hat’s damals einfach nicht gegeben.
Es gibt Leute, die behaupten, wenn man mit Gewalt erzogen worden ist, dann reagiert man auch als Erwachsener mit Gewalt. Wir sind in der Schule und zu Hause gewatscht worden. Aber auf die Idee, Amok zu laufen, wäre keiner gekommen…
Hat das alles in erster Linie mit einer Art Generationenkonflikt zu tun – oder steckt da mehr dahinter?
Elmar: Es wird automatisch zu einem Generationenkonflikt, weil sich die Medien ändern. In der Zeit, in der wir aufgewachsen sind, gab’s drei Fernsehsender. Bei uns im Bayerischen Wald waren’s mit den beiden Österreichern sogar fünf, wir waren da recht luxuriös ausgestattet. Irgendwann ist dann das Privat-Fernsehen dazugekommen – und die Sender sind immer mehr geworden.
Insofern ist es kein Problem der Generationen im eigentlichen Sinne, sondern ist in der Entwicklung der Medien begründet, im technologischen Fortschritt… Die öffentlich-rechtlichen haben einen Staatsvertrag unterschrieben, in dem der Auftrag zur Bildung des Volkes vertraglich festgeschrieben steht. Diesen Bildungsauftrag haben die Privaten nicht. Sie haben den Auftrag, möglichst viel Geld mit möglichst viel Werbung zu verdienen.
„Das ist die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt…“
Meiner Meinung nach wird das Volk ganz systematisch und bewusst verblödet, sodass immer mehr den Mist à la RTL2 anschauen und immer mehr den Grampf kaufen, der in der TV-Werbung zu sehen ist. Es findet also eine schleichende Verblödung der Gesellschaft statt, weshalb ich’s nicht als Generationsproblem sehe, sondern vielmehr als gefährliche, subversive Entwicklung. Wenn man heute junge Eltern mit 25 Jahren betrachtet, die den ganzen Tag Sat1 und RTL im Fernsehen schauen, dann ist’s völlig klar, was deren Kinder einmal tun werden – weil sie’s eben genauso vorgelebt bekommen.
Beda: Das ist die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt…
Nachdem der moderne Mensch, wie wir festgestellt haben, sehr viel durch äußere Einflüsse abgelenkt und unterschwellig beeinflusst, vielleicht sogar gelenkt wird – wie findet er wieder zurück zu sich selbst? Wie kann er’s schaffen, die Orientierung zu behalten bzw. sie wiederzufinden?
Beda: Ganz ehrlich: Ich habe mittlerweile große Bedenken, ob die Menschheit etwa das, was in Sachen Umweltverschmutzung abläuft, noch auf die Reihe bekommt. Wenn man sich verschiedene Hochkulturen anschaut, die aufgrund ihrer eigenen Dekadenz zugrunde gegangen sind, sehe ich, dass auch wir uns in diese Richtung bewegen.
Ein eher pessimistisches Weltbild, das da zu erkennen ist…
Beda: Nein, ich würd’s eher realistisch nennen.
„Denke, dass wir uns mittlerweile alle selbst sehr überfordern“
Mal angenommen, es gäbe noch kein Social Media, keine 1.000 TV-Sender, sondern wir wären immer noch bei den fünf Fernseh-Programmen. Wäre das Leben dann leichter? Wär’s überschaubarer? Weniger abgelenkt?
Beda: Früher, wenn etwa eine neue Rolling-Stones-Platte rausgekommen ist, lief das meistens recht überschaubar ab: Man hat monatelang drauf gewartet, einer hat sich die Scheibe gekauft, fünf haben sie sich auf Kassette überspielt. Dann hat der nächste sich die neue von den Beatles zugelegt…
…und zu Weihnachten hat’s Lebkuchen gegeben und an Ostern Ostereier. Heute kannst Du all diese Sachen das ganze Jahr über kaufen. Das soll jetzt nicht so rüberkommen, als wenn wir ewig-gestrig wären. Aber man hatte sich damals einfach immer wieder auf gewisse Dinge freuen können, weil sie eben nicht permanent verfügbar waren. Und so hat man diese Dinge auch schätzen gelernt. Heute schätzt man so gut wie gar nichts mehr. Heute ist nichts mehr was wert…
Wer passt sich denn noch groß auf seine Sachen auf? Wenn es ein neues Handy gibt, kauft man sich das sofort – nicht, weil das alte nicht mehr funktionieren würde, sondern weil man immer wieder in die Konsum-Falle tritt. Weil man immer wieder versucht, sich auf diese Weise kurzzeitige Befriedigung zu verschaffen. Ich denke, dass die Leute früher, als sie generell weniger hatten, auch weniger vermisst haben. Heute, da die Leute immer mehr haben, fehlt ihnen auch immer mehr zum Glücklichsein.
Darum haben sie immer häufiger Burnout oder Depressionen. Das kommt davon, weil es uns so gut geht. Vom Schlecht gehen kann’s nicht kommen, weil dann hätten unsere Eltern Depressionen haben müssen. Unsere Eltern, die im Krieg waren, in der Gefangenschaft, Armut und Not erlebt haben. Sie hätten einen Grund dafür gehabt. Doch sie hatten keine Depression, weil sie schauen mussten, dass sie überleben, dass sie ihre Kinder ernähren können usw.
Nochmal: Ich lehne es ab, der guten alten Zeit hinterher zu trauern. Dafür bin ich, dafür sind wir noch zu jung, um davon sprechen zu können. Was ich möchte, ist jedoch ein bisschen Rückbesinnung. Einfach wieder normal tun, normal sein…
Ein wichtiges Wort in diesem Zusammenhang ist Verlässlichkeit. Viele Leute sehnen sich danach.
Beda: Das sehe ich auch so. Ich denke, dass wir uns mittlerweile alle selbst sehr überfordern. Früher hatte man dies und jenes an einem Tag geplant – heute weißt Du vor lauter Terminen und Ablenkungen nicht mal mehr, wo Dir der Kopf steht. Ich denke, dass wir uns damit alle selbst keinen Gefallen tun, wenn wir da mitspielen.
„Weg von der Oberflächlichkeit, hinein in die Tiefe“
Oberflächlichkeit bringt keinen weiter – sei es bei der Wahl seines Essens, seiner Kleidung, egal. Das Pfund Fleisch für fünf Euro. T-Shirts für 2,99 Euro. Wo sind wir hingekommen? Das muss doch nicht sein… grundsätzlich ist’s mir völlig egal, wenn sich einer Fleisch aus der Tiefkühltruhe beim Aldi kauft. Aber wenn ich sehe, dass eine Schachtel Pralinen mehr Geld kostet als ein Suppenhuhn, dann versteh ich die Welt nicht mehr. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, dass ein bisschen Plastik, ein bisschen Schokolade gemischt mit ein bisschen Palmfett für mehr Geld verkauft wird als ein Tier, das wachsen musste, gefüttert wurde, geschlachtet wurde…
Das Gespräch mit Euch hat eine besondere Wendung genommen – vom eigentlich musikalischen Kernthema zu einem hochphilosophischen Austausch über die Gesellschaft…
Elmar: Das ist Landluft.
Beda: Wir diskutieren häufig über solche Themen. Weg von der Oberflächlichkeit, hinein in die Tiefe. Wir verlieren uns da auch manchmal gerne in solchen Diskussionen – und finden uns in unseren Liedern, die daraus entstehen, wieder.
Dass wir dann aber doch noch einmal zurück zu Tom & Basti kommen: Habt Ihr was von den beiden gelernt während Eurer gemeinsamen Tour? Sie selbst waren ja total begeistert, weil sie mit Euch „Legenden“ auf der Bühne stehen durften.
Beda: Lernen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Was mir jedoch – abgesehen davon, dass die beiden saugute Musiker sind – sehr gefallen hat, ist, dass wir es mit zwei Musikern zu tun hatten, die das Musikgeschäft noch nicht so verbissen sehen wie wir alten Hasen. Sie haben sehr viel Lockerheit mitgebracht, die uns allen gut getan hat.
Elmar: Musikalisch gesehen sind Tom & Basti zwei absolute Virtuosen auf ihren Instrumenten – hochprofessionelle Musiker. Sie nehmen ihren Job sehr ernst – was bei uns vielleicht nicht immer so der Fall war… und auch heute noch nicht so der Fall ist (lacht). Das professionelle Arbeiten kann man von ihnen lernen.
Beda: Sie sind noch unverbraucht – wir haben durch die zwei eine Frischekur erhalten.
„Weiß nicht, ob mir damals die Landluft von heute gefallen hätte“
Kommen wir zum Schluss: Landluft 2016 im Vergleich zu Landluft 1987 – was hat sich verändert, was ist gleichgeblieben?
Beda: Da liegen Welten dazwischen, würd ich sagen…
Elmar: Wir sind erwachsen geworden. Reifer… (Beda nickt zustimmend).
Beda: Wir haben im Endeffekt genau die Entwicklung durchlaufen, wie sie Tom & Basti sicherlich auch durchlaufen werden. Wir haben als langhaarige, rauchende, saufende Rockband angefangen. Heute hat nur noch der Elmar lange Haare… (lacht).
Elmar (insistierend) …ich bin reifer geworden …
Beda: …ich weiß nicht, ob mir damals als 26-Jähriger die Landluft von heute gefallen hätte. Wahrscheinlich zwei, drei Lieder – aber dann wär’s auch wieder gut gewesen. Und das ist es auch, was sich geändert hat. Es wär ja schlimm, wenn wir heute noch so unterwegs wären wie mit 30 – und mit engen Stretch-Hosen auf der Bühne stehen würden… (lacht).
Elmar: Es gibt in der Musik den Ausdruck sophisticated. Ich würd’s mit ausgefeilt oder überkandidelt übersetzen. Für die Landluft von 1987 wäre das, was wir heute machen, viel zu sophisticated. Zu wenig Rock’n’Roll… ich habe mir und der Band irgendwann einmal geschworen, dass ich noch mit 70 als Landluft-Bandmitglied auf der Bühne stehe – und diesen Schwur halte ich ein… sind ja nur noch 15 Jahre…
Vielen Dank für das einmal mehr interessante Gespräch – wir sehen uns spätestens in 25 Jahren wieder…
Interview: Stephan Hörhammer
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