Fürsteneck. Schon als kleiner Bub ist Gottfried Stegbauer in den Schulferien mit seinem Vater Wilhelm sowie weiteren Viehhändlern früh morgens vom Bayerischen Wald nach München gefahren, um Tiere an den Viehmarkt zu liefern. Zum Schlachthof, in die Isarvorstadt, wo in den 70ern noch täglich „auf Teufel komm raus mit Haglstecka und Handschlag“ über große Mengen Rinder und Schweine verhandelt wurde. Wo die alten Ziegelgebäude stehen, das ehemalige Schlachthof-Wirtshaus, bei dessen Anblick der Viehvermarkter aus Ohbruck bei Fürsteneck ganz nostalgisch wird. Auch heute besucht er noch regelmäßig das Münchener Schlachthofgelände – ebenfalls geschäftlich. Jedoch nicht mehr, um Schlachtvieh dorthin zu bringen, sondern um Großhandelskunden wie das „Frischeparadies“ , einen bundesweit führenden Gourmethändler, mit hochwertigen Steaks von der „Fetten Alten Kuh“ zu beliefern.
Gottfried Stegbauer ist mit seiner Viehhandlung, die er von seinem Vater übernommen hat, im digitalen Zeitalter angekommen. Daran konnte auch ein hartnäckiger Computer-Virus nichts ändern, der den Betrieb Anfang 2017 heimsuchte und das Unternehmen über mehrere Wochen auf Trab hielt. „Mund abwischen, weitermachen“, lautete die Devise des 48-Jährigen damals – wie heute.
Vom archetypischen Männer-Gefühl, Fleisch zu garen
Mit zur digitalen Weiterentwicklung beigetragen hat unter anderem sein wegweisender Entschluss, einen Online-Shop namens „Fleischgenießer“ ins Leben zu rufen. Der geneigte Fleisch-Gourmet kann sich hier sein Steak oder seinen Schweinebraten ganz einfach per Mouseklick bestellen und auf dem Postweg nach Hause schicken lassen. „Wir sind zufrieden“, sagt der Viehhändler und lächelt. „Wir konnten durch unseren Onlineshop zusätzlichen Umsatz für unseren Großhandel generieren und den Bekanntheitsgrad unseres Kerngeschäfts steigern.“
Bestellungen (meist mit Wunschliefertermin) gehen täglich bei ihm ein – wobei vor allem zu Hochzeiten wie Weihnachten die Online-Bestellliste größere Dimensionen annimmt. „Das gesamte Fleisch, das wir an unsere Privatkunden versenden, wird hier vor Ort gelagert.“ Dabei hatten Stegbauer und seine Mitarbeiter mit klassischen Steaks angefangen. Heute verkauft er auch andere Zuschnitte wie Rinderbraten, Tafelspitz oder Bürgermeisterstück. Alles werde „sehr gut angenommen“, berichtet er – und ergänzt: „Als der große Hype ums Grillen begann, waren Rumpsteak und Rib-Eye gefragt – nun bestellen sich die Leute ihre Loin-Ribbs, um sie dann an einem Samstagmorgen um 6 Uhr mit Marinade einzupinseln und im Anschluss den Smoker anzuheizen, damit sie abends um 6 Uhr essen können.“
Kochsendungen aus Übersee, einschlägige Grill-Werbekampagnen sowie das archetypische, dem Manne innewohnende Gefühl, Fleisch über offenem Feuer zu garen, haben Stegbauer zufolge maßgeblich zum (weiterhin anhaltenden) Grill-Hype beigetragen.
Am Bratrost wollen Männer experimentieren, sagt er – und zu besonderen Anlässen auch einmal das Kochzepter bzw. die Grillzange in Händen halten. Wenn etwa der Schwiegervater kommt, werde qualitativ-hochwertiges Fleisch auf den Rost des 700-Euro-Weber-Grills platziert. „Da geht’s dann nicht mehr nur ums Grillen, sondern ums Kredenzen“, weiß der Fleischgenießer-Gründer zu berichten.
„Da wird sich auch mal was gegönnt.“ Dazu gute Musik im Hintergrund (Rock’n’Roll) – und ein Bierchen (Pils) in der Hand – „dann gelingt alles“, ist Stegbauer überzeugt, der mittlerweile nach dem Trial-and-Error-Prinzip gelernt hat, auf was es bei der Fleischzubereitung ankommt.
Er persönlich legt sich am liebsten ein Steak von der „Fetten Alten Kuh“ (FAK) auf den Rost. Sechs Wochen lang gereift, zählt es zum Edelsten, was Stegbauers Fleisch-Sortiment hergibt. Der Kilopreis für ein FAK-Rumpsteak oder -Rib-Eye liegt bei 75 Euro. Aufgrund der hohen Nachfrage müssten seine Kunden mit Wartezeiten von drei bis vier Wochen rechnen.
„Die Fette Alte Kuh ist eigentlich ein Betriebsunfall“
„Die Fette Alte Kuh ist eigentlich ein Betriebsunfall“, erklärt der Fürstenecker und schmunzelt. „Der Bauer denkt, die Kuh ist gerade trächtig. Deshalb füttert er sie häufig, um so dem Nachwuchs im Kuhleib etwas Gutes zu tun. Doch: Sie trägt eben nicht – und kalbt somit auch nicht. Das gute Futter bleibt bei der Kuh, die sich zu einer fetten Kuh mit 800 bis 1.000 Kilogramm Gewicht entwickelt hat. Schließlich ist sie irgendwann zu alt für die Fortpflanzung – und wird zum Schlachter gebracht.“ Daher der Name.
Das Fleisch der „Fetten Alte Kuh“ stamme ausschließlich von bayerischen Bauern, betont Gottfried Stegbauer – aus der Region Ostbayern, Rottal-Inn und dem Voralpenland.
„Geschlachtet werden die Tiere im Schlachthof in Passau oder Traunstein. Daher sind die Transportwege kurz.“ Die Hochzeit der FAK-Fleischgewinnung sei im Herbst des jeweiligen Jahres. „Nach dem Weideabtrieb, dann gibt es stets sehr viele gut-gefütterte Exemplare.“
Rund 1.500 Kilogramm jenes fleischlichen Gaumenschmauses in kleinen Steak-Behältnissen verpackt, hat Vieh- und Fleischhändler Stegbauer zum Kooperationseinstand für den Großhandelskunden „Frischeparadies“ nach München liefern dürfen. Der auf dem Schlachthofgelände ansässige Spezial-Markt und Lieferant für Lebensmittel besitzt deutschlandweit zehn Niederlassungen, beschäftigt mehr als 650 Mitarbeiter und bewegt sich ausschließlich im qualitativ-hochwertigen Segment. „Sie haben die Fette Alte Kuh in ihr Sortiment aufgenommen, was uns natürlich sehr freut“, sagt der 48-Jährige, der nicht nur München beliefert, sondern auch die übrigen Frischeparadies-Standorte in Frankfurt, Leipizig etc.
Stegbauer weiß, wem er bei der Fleischqualität vertrauen kann
Stegbauers Netzwerk als Viehvermarkter ist groß. Aufgrund seiner Arbeit kennt er zahlreiche regionale und überregionale Landwirte – und weiß genau, wem er in Sachen Fleischqualität vertrauen kann und wie es auf dem jeweiligen Hof zugeht.
Ein großes Plus in der Branche, das ihn als ersten privaten Viehhändler zur Aufnahme ins „Best-Beef„-Markenfleisch-Programm verholfen hat. Dahinter verbirgt sich ein „Bündnis für Exzellenz, Sicherheit und Transparenz“, das sich für einen hohen Qualitätsanspruch auf dem Rindfleischsektor einsetzt und vor einigen Jahren vom Fast-Food-Konzern McDonald’s initiiert wurde.
„Unter der Vorgabe, dass gute landwirtschaftliche Praktiken im Bereich Rindfleisch honoriert werden“, wie Stegbauer erklärt. Das heißt: Landwirte erhalten auf den Rindfleisch-Kilopreis gewisse Zuschläge, sofern sie bestimmte Qualitätskriterien (Hygiene, Futter, Viehhaltung etc.) erfüllen können.
„Keiner hat so hohe Qualitätsansprüche an seine Fleischlieferanten wie McDonald’s“, berichtet Stegbauer, der sich eigenen Angaben zufolge vom Qualitätsmangement des Fast-Food-Riesen bei einem Betriebsbesuch bereits sehenden Auges überzeugen konnte.
„Da wird zu 100 Prozent reines Rindfleisch verwendet“, sagt der 48-Jährige – und ergänzt: „In Deutschland möchte nahezu jeder fleischverarbeitende Betrieb Zulieferer von McDonald’s werden – doch die Anforderungen dafür sind sehr hoch. In der Produktion, in der Warenannahme sowie allen weiteren Bereichen sind die Standards top, Verstöße gegen Qualitätskriterien oder gegen den Tierschutz werden knallhart geahndet.“
„Unsere Region kann weltweit in Sachen Fleisch gut mithalten“
Danach gefragt, ob es Fleischssorten gebe, die er gerne in seinem Fleischgenießer-Onlineshop integrieren möchte, antwortet Gottfried Stegbauer – ohne zu zögern – mit einem klaren Nein. „Wir bekommen wöchentlich Angebote aus Irland, Japan, Argentinien und den USA. Doch das reizt mich überhaupt nicht. Meine Frau und ich haben die World Steak Challenge besucht, eine internationale Großveranstaltung, bei der sich alles um Steaks und deren Zubereitung dreht. Wir haben fast alles durchprobiert, doch da war keins dabei, das mich zu 100 Prozent überzeugt hätte“, sagt der Fürstenecker – und fügt mit Nachdruck an: „Ich bin der Meinung, dass unsere Region weltweit in Sachen Fleisch gut mithalten kann.“
Stephan Hörhammer