Wegscheid. „Nur mit Direktvermarktung sind Biobetriebe zukunftsfähig“, ist sich Landwirt Andreas Hödl sicher. Das habe man ihm schon in der Ausbildung immer wieder vermittelt. Deshalb will er so viele seiner Erzeugnisse wie möglich selbst vermarkten. Mit dem so genannten Cow-Sharing hat er bereits begonnen, sprich: Über die Internetseite des Biohofs kann man das Fleisch seiner Stiere für den Eigenbedarf reservieren. Geschlachtet wird erst dann, wenn genügend Käufer vorhanden sind. Aber das ist erst der Anfang. Im Herbst soll ein Hofladen mit großer Produktauswahl folgen.
85 Milchkühe stehen auf der Weide rund um den Bio-Bauernhof in der Froschau nahe Wegscheid. „Ich wollte nicht noch mal vergrößern und noch mehr Kühe halten“, sagt der 23-jährige Bio-Bauer. Milchkühe rentieren sich vor allem dann, wenn man viele hat: Denn mit jedem weiteren Tier gibt es mehr Subventionen. Auch der Verkauf der Milch an eine Großmolkerei lohnt sich dann besonders: „Man braucht immer mehr Kühe, das nimmt kein Ende mehr“, bedauert der Landwirt.
Edle Steaks vom Bio-Stier
Was ihn ebenfalls stört: „Es gibt keine Grenze mehr nach oben, was eine Milchkuh an Leistung bringen soll.“ Andreas Hödl möchte den Bio-Gedanken aber so weit wie möglich umsetzen auf seinem Hof, möchte etwa weniger Kraftfutter verfüttern. Deshalb setzt er nun das um, was er während seiner Ausbildung an der Bio-Schule im österreichischen Schlägl gelernt hat: Direktvermarktung.
Die Milch ist dabei der zweite Schritt. Den ersten hin zum Verkauf ab Hof hat der Jungbauer bereits vor fünf Jahren gemacht: Er lässt regelmäßig einen Stier schlachten und verkauft das Fleisch direkt an seine Kunden, statt an einen Metzger. „Das hat 2016 mit einer WhatsApp-Gruppe angefangen“, erinnert sich Hödl. Über den Messenger-Dienst erreichte er seine Abnehmer, die nach und nach mehr wurden.
Cow-Sharing ein Zufall
Dass er den Fleischverkauf nun größer aufzieht, regelmäßig alle vier Wochen einen Stier schlachtet und auch über seine Internetseite sowie Social-Media-Kanäle das Cow-Sharing anbietet, hat sich eher zufällig ergeben: „Ich habe mir vor ein paar Jahren mehrere Kühe in Hannover gekauft“, erzählt Andreas Hödl. Denn dort sei eine Kuh rund 600 Euro günstiger als hierzulande. Bei mehreren Dutzend Tieren rentiere es sich daher, diese so weit entfernt zu kaufen. „Und der Schwiegersohn des Verkäufers erstellt eine Webseite, über die man Direktvermarktung anbieten kann“, berichtet Hödl weiter. Daraus entstand die Idee, ein derartiges Angebot auch für den eigenen Hof zu schaffen.
Bereits zweimal hat er einen Stier via Cow-Sharing verkauft. Beim ersten Mal konnten die Kunden vorab ein gemischtes Paket reservieren, das Filet, Lende und Hackfleisch enthielt. Sobald genügend Reservierungen vorlagen, wurde das Tier geschlachtet und die Kunden erhielten ihr Fleisch. Beim zweiten Mal kam ihm und dem Schlachter die Idee, auch edlere Steaks vom Stier anzubieten: Tomahawk, T-Bone, Kluft-Steaks, Rinder-Filets. „Jeder ist grillkrank, sobald das Wetter besser wird“, sagt der Landwirt und lacht.
Learning by doing: Wann schmeckt das Fleisch ideal?
Was einfach klingt, war eingangs jedoch ein kompliziertes Unterfangen: Hödl musste in etwa abschätzen, wie viele Steaks er aus einem Stier generieren konnte. „Jeder ist aber anders“, wie er weiß. Gemeinsam mit dem Schlachter schätzte er das Schlachtgewicht des Tiers und die Mengen an Steaks, die er den Kunden anbieten konnte. Am Ende bekam der ein oder andere ein Filet mehr – und dafür ein Porterhouse-Steak weniger. „Aber fürs Erste Mal hat’s erstaunlich gut geklappt“, resümiert der 23-Jährige. Es blieben lediglich zwanzig Kilo Fleisch übrig.
Bestellen kann man das Fleisch über die Internetseite des Biohofes – immer dann, wenn ein Stier schlachtreif ist. Per Newsletter informiert Andreas Hödl dann seine Stammkunden. Sobald neunzig Prozent des Rinds verkauft sind, wird es geschlachtet. Je nach Steak-Art muss der Kunde bis zu 45 Euro pro Kilo Bio-Vieh bezahlen. Vielen Kunden ist es das wert. Schließlich wissen sie genau, wo ihr Fleisch herkommt.
„Weidehaltung, Strohmästung etc. – das kostet alles Geld“, sagt Andreas Hödl. Mindestens zwei Jahre muss er einen Stier mästen, bevor er ihn schlachten kann. Das verkaufte Fleisch soll dafür auch höchste Ansprüche erfüllen. Der Jungbauer hat viel herumexperimentiert, um die Qualität immer mehr zu steigern. „Das ist learning by doing“, erklärt er dazu. „Die letzten vier Wochen vor der Schlachtung bekommen die Stiere zum Beispiel Kraftfutter verabreicht, das verbessert die Qualität.“ Ihr Leben lang mästen muss er die Tiere aber nicht, um gutes Fleisch zu bekommen. Ein Grund dafür sei, dass seine Stiere mehrere Wochen mit den Kühen mitlaufen dürfen.
Direktvermarktung statt Viehbestand vergrößern
Andreas Hödl bewirtschaftet den Familienbetrieb bereits in der dritten Generation. „Mein Opa hat in den 80er-Jahren den Hof hier aufgebaut“, berichtet er. Zuvor hatte der Großvater einen kleineren Bauernhof im benachbarten Dorf Kasberg mit lediglich acht Kühen. Nachdem er in der Froschau einen größeren Stall errichtet hatte, vergrößerte er seinen Viehbestand nach und nach auf etwa 30 Tiere.
Nach dem Opa übernahm Andreas Hödls Vater die Landwirtschaft. Als dieser wiederum seinen Sohn fragte, ob er in seine Fußstapfen treten wolle, antwortete Andreas damals: „Ja, wenn wir den Betrieb vergrößern.“ Dies geschah dann in den Jahren 2012 bis 2014: Sie stockten den Stall auf, zum Großteil in Eigenarbeit. „Das Angebot der Baufirmen war einfach zu teuer“, blickt Andreas Hödl mit einem Lächeln zurück.
Wichtig war dem jungen Landwirt aber nicht nur ein größerer Viehbestand, sondern dass er so biologisch und naturnah wie möglich arbeiten kann. Bio-zertifiziert ist der Hof seit der Jahrtausendwende. „Vor zwei Jahren hatte ich noch 97 Kühe“, erzählt Hödl. „Seit wir uns wieder etwas verkleinert haben, kann ich den Bio-Gedanken wirklich leben.“
Für ihn war immer schon selbstverständlich, dass auf der Weide ein Stier mit den Kühen mitläuft. „Künstliche Befruchtung machen wir nicht.“ Mitunter deshalb besitzt er neben den Milchkühen auch 25 Stiere. Das Geld, das er mit ihrem Fleisch verdient, verwendet er als „Notgroschen“ – für größere Anschaffungen, wenn mal am Traktor etwas kaputt geht. Und für den Aufbau der Direktvermarktung.
Hofladen mit breiter Produktpalette geplant
Denn beim Cow-Sharing enden seine Ideen noch lange nicht. „Im Herbst wollen wir unseren Hofladen eröffnen“, sagt der Bio-Bauer. Mit der Milch seiner Kühe natürlich, mit Wurst und mit Käse, den er von einer Lohnkäserei herstellen lassen will. „Bald leben hier auch 150 Hühner“, blickt Hödl voraus. Eier sind dann ebenfalls im Angebot des Hofladens mit dabei.
Auf einem Tablet soll man direkt im Hofladen auch das Stier-Fleisch vorbestellen können. „Außerdem gibt es dort die Kartoffeln, die wir anbauen.“ Weitere Gemüsesorten will Andreas Hödl in Zusammenarbeit mit einem benachbarten Betrieb anbieten. Genauso wie Honig. „Mein Ziel ist es, irgendwann ungefähr achtzig Prozent von dem, was ich auf dem Hof produziere, direkt zu vermarkten. Und dann den Biogedanken rundum zu leben.“
Sabine Simon