Fürsteneck-Ohbruck. Gottfried Stegbauer isst gern Fleisch. „Gutes Fleisch muss einen Eigengeschmack haben“, sagt er. Selbstverständlich sei das nicht in Zeiten von Massentierhaltung und Billigware. Um einen wahrhaftigen Genuss zu erleben, muss sich der Konsument also schon kritisch mit dem Lebensmittel auseinandersetzen. Das hat der 44-Jährige getan – er ist vom Fach: Als gelernter Metzger und Viehhändler weiß er, was er auf dem Teller haben will – und was nicht. Damit auch andere an wirklich gutes Fleisch kommen können, hat er im August 2014 fleischgeniesser.de gegründet: Per Mouseklick kann sich hier der geneigte Fleischgourmet sein Steak oder seinen Schweinsbraten bestellen.
Doch: Warum nicht einfach zum Metzger des Vertrauens gehen? Wie reagieren Vegetarier und Veganer auf seine Seite? Und wie brät man eigentlich ein Steak, ohne dass es in Geschmack und Konsistenz einer Schuhsohle ähnelt? Das alles und noch viel mehr hat uns Gottfried Stegbauer im Hogn-Interview mit Metzgerstochter und Hog’n-Redakteurin Eva Hörhammer erzählt. Ein kompletter philosophischer Diskurs übers Essen von Tieren war hierbei freilich nicht zu vermeiden – ebenso wenig wie Fachsimpeleien über wahren Fleischgenuss…
„In unserer Region gibt es keine Massentierhaltung“
Kann man denn heute noch guten Gewissens Fleisch genießen? In Zeiten von Massentierhaltung, CO2-Bilanzen und Sojafutter, für das Regenwald gerodet wird, scheint das doch gar nicht mehr möglich?
Man liest und hört es immer: Das beste Rindfleisch kommt aus Argentinien. Dabei wird uns suggeriert, dass die Rinder glücklich auf riesigen Weiden leben. Das ist eine glatte Lüge. Das Fleisch kommt aus Extrem-Massentierhaltung – ohne Tierschutzrichtlinien: Zwischen 1.000 und 20.000 Rindern werden in sogenannten Feedlots turbogemästet. Mit Soja werden die Tiere auf das Mastendgewicht innerhalb von 90 Tagen getrimmt. Bei der traditionellen Weidemast würde dies mehr als 300 Tage in Anspruch nehmen. Die Gauchos sind nichts anderes als ungelernte, billige Arbeitskräfte.
Das Niveau der Landwirtschaft in Bayern ist dagegen sehr hoch. Geprägt von Familienbetrieben mit vernünftiger Arbeitsteilung schaffen unsere gut ausgebildeten Landwirte die Basis für hochwertige Lebensmittel. In unserer Region gibt es keine Massentierhaltung – das kann man ruhigen Gewissens sagen.
Aha. Und wo beginnt Massentierhaltung…?
Das ist eine gute Frage… (überlegt) Ich bin seit 25 Jahren im Geschäft… (überlegt) Wann geht es dem Vieh gut?
„Das Vieh kam zu Lebzeiten nicht aus dem Stall“
Gibt es denn artgerechte Haltung? Oder würde Art-gerecht nicht einfach freilebend bedeuten?
Nicht unbedingt. Da könnte man ganz lange diskutieren… Landwirtschaft in den 70er- und 80er-Jahren hat ganz anders ausgeschaut. Da gab es noch viele kleine Betriebe und in jedem Dorf vier, fünf Bauern. Damals ging es den Tieren viel, viel schlechter als heute. Die Stückzahl war geringer – da reichte es aus, wenn man zehn, zwanzig Kühe hatte. Die Betriebsführung war bei weiten nicht so professionell und gut organisiert wie heute. Als Brillenträger habe ich damals die Erfahrung gemacht: Beim Reingehen in den Stall sind sofort die Gläser angelaufen. Das Vieh war angebunden, es war stockfinster und nicht belüftet. Das Vieh kam zu Lebzeiten nicht aus dem Stall heraus. Anbindehaltung war völlig normal. Damals spielte eine artgerechte Haltung so gut wie keine Rolle. Das war seinerzeit einfach so. Oder ein anderes Beispiel: Die Leute haben sich ihre Sau selbst hergefüttert. Jeder Bauer hatte zwei, drei Säue – die in einem Kammerl in einem Eck zusammengepfercht waren. Und zum Fressen gab es Küchenabfälle. Zu Weihnachten hat man die Sau geschlachtet. Tiergerecht war das nicht…
Heute haben viele Betriebe Laufstallungen. Unter konventioneller Sicht sind die Tiere artgerecht gehalten, würde ich sagen. Sie sind nicht angebunden, folgen ihrem natürlichen Herdentrieb. Freilich könnte man es kritisch sehen, wie viele Tiere sich einen Stall teilen. Oft über achtzig. Aber in der Natur wären große Herdeverbunde auch normal. Aber wenn man alles so kritisch sieht, müssten wir alle unsere Gewohnheiten umstellen und nur noch das essen was wir auch selber im Garten anbauen. Wir haben 82 Millionen Einwohner in Deutschland. Wenn die Bedingungen noch so wären wie vor 50 Jahren, würden wir zwei nicht da sitzen… Da würden wir ums Essen streiten.
Der Grundgedanke vom Landwirtschaftsministerium war nach dem Krieg: Die Ernährung der Bevölkerung muss gesichert und erschwinglich sein. Darum die vielen staatlichen Beihilfen. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass die Lebensmittel billig bleiben. Ich war schon in Ländern wie Rumänien oder Bosnien – da haben die Leute das Essen nicht im Überfluss. Die haben nicht alle Tage Fleisch auf dem Teller…
Braucht’s das überhaupt?
Nein. Wir essen zu Hause auch nicht jeden Tag Fleisch. Vielleicht zwei, drei Mal die Woche. Durch die Subventionen, durch die Massentierhaltung, ist es so billig, dass es möglich wäre jeden Tag Fleisch zu essen. Durch die Dumpingpreise der Supermärkte und Discounter sind viele Bauern einfach dazu verdammt immer mehr und mehr Vieh zu halten. Immer mehr Getreide aus einem Hektar Acker rauszuholen. Ein ewiger Teufelskreis. Aber der Verbraucher hat es selbst in der Hand.
„Ob es schmeckt, ist den meisten Leuten eh wurscht“
Und der Überschuss wird einfach weggeworfen…
Ja, das ist auch nicht in Ordnung. Würde es die Agrarsubventionen nicht geben, wäre die Erzeugung von Lebensmitteln – egal ob Getreide, Gemüse, Obst oder Fleisch – wesentlich teurer und das würde wohl nicht passieren. Aldi, Lidl und sämtliche Discounter werben ja damit. Wenn das Schnitzel 3,99 Euro kostet – was kann da dahinter stecken? Das kann ja nix Gutes sein. Meine Frau hat neulich Äpfel für 99 Cent pro Kilo gekauft. Das schmeckt nicht – das ist nur Wasser. Und beim Fleisch ist es ähnlich.
Das ist dann kein Fleischgenuss…
Nein. Für mich ist es erstaunlich, wie niedrig das Niveau des deutschen Verbrauchers ist. Als junger Kerl war ich im Pariser Großmarkt Rungis. Damals war ich 18, 19 Jahre. Dort hat man mir gesagt: „Das, was schön ausschaut, liefern wir nach Deutschland. Das, was schmeckt, bleibt in Frankreich.“ Bei uns ist ja ein Apfel nichts mehr wert, wenn er nur ein kleines, schwarzes Tupferl hat… Mit Fleisch ist es auch so: Der Verbraucher mag schön abgepacktes Fleisch. Rind muss hellrot sein. So ein Fleisch bekomme ich nur von Tieren, die schnell gewachsen sind. Ob das schmeckt oder nicht, ist vielen Leuten ohnehin wurscht. Schön muss es sein. Und zu allererst muss der Preis stimmen.
Haben denn die Deutschen keinen Geschmack?
Allgemein ist das Niveau nicht hoch. Maggi & Co. steht fast in jeder Küche. Laboroptimierte Geschmacksverbesserer sind in jeder Fertigsoße und Gewürzmischung. Erst kürzlich hab ich im Fernsehen eine Werbung gesehen „Soße Bolognese – jetzt mit mehr Tomatengeschmack…“. Glaubst Du wirklich, dass jetzt mehr Tomaten in der Fertigpackung drin sind? Die Mehrheit schaut zuerst auf den Preis. Aber es gibt auch immer mehr Leute die auf gesunde Ernährung achten und sich die Zeit nehmen selbst zu kochen. Kochsendungen und –bücher boomen. Es ist auch Lifestyle gutes Essen selbst zu kochen.
Isst Du Billigfleisch?
Eigentlich nicht, nein. Nur mal zum Probieren, wie es schmeckt. Nur, damit man das Niveau einschätzen kann. Grundsätzlich esse ich das Fleisch, das wir in unserem Unternehmen herstellen.
Woher kommt das Fleisch, das Du verkaufst?
Von Landwirten aus der Region. Und die Region ist klar definiert: Die Landkreise Freyung-Grafenau, Passau und Regen. Ausgenommen ist Angus-Rind, das aus Mutterkuh-Betrieben stammt. Das ist bei uns nicht stark verbreitet. Das Angus-Rind eignet sich für ganzjährige Weidehaltung, da es die Fähigkeit hat, den intramuskulären Fettanteil in der extensiven Mast anzureichern. Unser Angus-Rind kommt aus Bayern, zum Großteil aus Pfaffenhofen, und wird im Schlachthof Traunstein geschlachtet. Durch das Markenfleischprogramm „Certified Angus Beef Germany“ wird das so gebündelt, dass Angus-Rinder eben nur in Traunstein geschlachtet werden.
„Der Transport dauert immer vier, fünf Stunden“
Oft werden ja die langen Lebend-Transporte kritisiert…
Es ist ein Märchen zu sagen, der Transport würde nur eine halbe Stunde dauern. Das Aufladen, der Papierkram, die Anfahrt, das Abladen… Das dauert. Unter vier, fünf Stunden geht das nie. Das ist oft stressig für das Vieh. Wichtig ist, dass die Gruppen beim Transport zusammenbleiben. Die kennen sich untereinander. Und: Jeder Schlachthof hat mittlerweile einen unabhängigen Tierschutzbeauftragten. Der schaut, dass alles beim Abladen passt. Früher musste es schnell-schnell gehen – da wurden die Tiere mit Stöcken traktiert. Das ist nicht mehr so. Die Tierschutzstandards sind sehr hoch. Zeitdruck ist außerdem schlecht fürs Fleisch. Der Stress wirkt sich sofort auf die Qualität aus.
Wo werden denn die anderen Tiere geschlachtet?
Im Schlachthof Passau. Oder regional in einem kleinen Schlachthaus. Wir holen die geschlachteten Tiere ab, zerlegen sie bei uns und verarbeiten sie weiter. Und vor der Schlachtung holen wir die Tiere selbst beim Bauern ab.
Wie sterben Rinder, wie Schweine?
Rinder werden mit dem Bolzenschussapparat betäubt und dann gestochen, Schweine werden mit Strom oder CO2 betäubt und dann gestochen. Nur durchs Entbluten stirbt das Tier schließlich.
„Wenn jeder sein Tier selbst erlegen müsste, …“
Gut, dass wir mal ins Detail gehen. Soll ja jeder erfahren, wie sein Fleisch auf den Teller kommt…
Ja. Wenn jeder sein Tier selbst erlegen müsste, gäbe es in der heutigen Zeit noch mehr Vegetarier und Veganer. Und das Wort „Fast Food“ würde nicht existieren.
Jetzt erst mal zu Dir: Was hast Du denn gelernt?
Ich bin gelernter Metzger.
Was sind Deine Aufgaben?
Ich mache den Einkauf und den Verkauf. Überprüfe und beurteile die Qualität. Dabei beziehen wir schon seit Jahren das Vieh direkt bei den Bauern aus unserer Region. Das sind langgewachsene Geschäftsbeziehungen. Mein Vater war auch schon Vieh- und Fleischhändler. Das Geschäft ist also ein reiner Familienbetrieb.
Wolltest Du schon immer Metzger und Viehhändler werden?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Nach der Realschule wäre ich normalerweise ins Finanzamt in den mittleren nichttechnischen Dienst gekommen. Dann war mein Papa mal krank und meine Mama hat mir folgenden Auftrag gegeben: „Fahr zu dem Bauern, der hat Stiere zum Verkaufen – kauf sie ihm ab.“ Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung und hab tausend Mark kaputt gemacht, weil ich sie viel zu teuer gekauft hab. Das passiert. Mich hat das aber ziemlich geärgert und ich hab mit dem Bauern einen weiteren Handel vereinbart, bei dem ich ihm Kälber verkaufen konnte. Da hab ich die 1000 Mark wieder zurückerwirtschaftet. Dadurch bin ich auf den Geschmack gekommen. Mein Papa hat mir dann eine Metzgerlehre nahe gelegt, damit ich ganz von unten anfange. Nicht als Sohn, sondern als Lehrbub und hab das Geschäft von der Pieke auf erlernt.
„Je langsamer das Rind wächst, umso besser der Geschmack“
Kommen wir mal zum Fleisch. Wie muss es denn sein, dass Du es genießen kannst?
Es muss einen Eigengeschmack haben. Es muss so gut sein, dass man es theoretisch ohne Gewürze, Salz und Pfeffer geniessen kann. Man sollte schmecken können, ob es sich um Rind, Schwein oder Hühnchen handelt.
Was sagst Du zum anhaltenden Geflügelfleisch-Boom – zu Salat mit Putenstreifen etc.?
Geflügelfleisch hat oftmals eine ganz schwache Qualität. Das ist das Fleisch, das man am billigsten produzieren kann. Darum ist es auch in Asien sehr verbreitet. Das zweitbilligste ist Schweinefleisch. Teuer ist Rindfleisch. Ein Hühnchen muss wenig fressen, damit es eine Tageszunahme hat. Und es ist nach 28 Tagen schlachtreif. Mir schmeckt das nicht. Das ist das Geheimnis von gutem Rindfleisch: Je langsamer das Tier wächst, umso besser ist der Geschmack. Unsere Rinder sind bei der Schlachtung gut 30 Monate alt. Und die alte, fette Kuh…
Wie bitte?
…die kann auch zwölf Jahre alt sein und schmeckt hervorragend. Der intramuskuläre Fettanteil im Fleisch ist ganz wichtig. Und bei der fetten alten Kuh hat sich dieser eben langsam entwickeln können.
„Reifen und Verwesen – das ist eine Gratwanderung“
Wir haben ein Rib Eye Steak, Dry Aged, vom Angus-Rind probiert. Im Rohzustand hat es wunderbar gerochen – fast wie Serrano-Schinken, so fein-würzig. Warum das?
‚Dry Aged‘ bedeutet, dass das Fleisch am Knochen abhängt. Praktisch trocken gealtert. Es gibt verschiedene Reifeformen: Seit den 60er Jahren ist vakuumgereiftes Fleisch sehr verbreitet. Das hat den Vorteil, dass das Fleisch nicht an Gewicht verliert. Es reift also im eigenen Saft. Das riecht dann sehr metallisch. Viele glauben der metallische Geschmack sei typisch für Rindfleisch. Das ist aber nicht der Fall. Unser Fleisch riecht anders – das kommt von der Trockenreifung. Die äußere Schicht trocknet aus und innen reift das Fleisch heran.
Reifen nennt man das also. Wo ist der Unterschied zur Verwesung?
Das ist eine Gratwanderung. Man kann das mit einer Banane vergleichen. Vorgestern war sie grün, gestern war sie optimal und heute ist sie braun… Bevor wir mit fleischgeniesser.de gestartet sind, hatten wir eine Vorlaufzeit von etwa drei Jahren. Mit der Methode „Dry Aged“ haben wir Versuche gemacht und Proben ins Labor geschickt. Nicht immer war das Fleisch einwandfrei. In einem langen Prozess haben wir das perfektioniert. Durch die Reifung verliert das Fleisch täglich bis zu ein Prozent an Gewicht in Form von Wasser. Dadurch entsteht ein dynamischer Eigengeschmack. Die äußere Schicht schneiden wir weg, in der Summe ist der Gewichtsverlust bei gut 30 Prozent. Wie bei einem guten Serrano-Schinken. Darum ist Dry-Aged-Fleisch auch hochpreisiger und mit Fleisch vom Discounter nicht zu vergleichen.
Unser Biofleisch vom Schwäbisch Hällischen Landschwein hat auch einen ganz anderen Geschmack. Eine Kundin zum Beispiel hat uns in einem E-Mail geschrieben, dass sie Schweinebraten nicht mag. Von dem Fleisch hat sie dann aber sogar das Wammerl gegessen, so richtig fett. Fett ist ja ein wichtiger Geschmacksträger, egal ob bei Rind- oder Schweinefleisch.
„Meine Frau war früher Vegetarierin“
Unser Steak war in etwa fünf Zentimeter dick, schön marmoriert und ich dachte: Oje, wie soll ich das nur zubereiten? Dank der guten beiliegenden Anleitung war das kein Problem. Hast Du die selbst geschrieben?
Ja – zusammen mit meiner Frau Simone. Meine Frau isst sehr wenig Fleisch – sie war früher sogar Vegetarierin. Eine fette alte Kuh isst sie nicht, die hat doch einen sehr eigenen Geschmack. Simone kann Steaks aber auf den Punkt zubereiten.
Kann man so gutes Fleisch überhaupt kaputt braten?
Ja, das geht schon. Das ist mir auch schon passiert…
Unser Steak hat sich jedenfalls überhaupt nicht verformt…
Ja, weil Du eben gut grillen kannst und die Bindefähigkeit im Steak durch den intramuskulären Fettanteil gegeben ist.
Deine Kunden haben sicher Ahnung vom Fleischbraten?
Auf jeden Fall. Wer sich so hochwertiges Fleisch weit jenseits der Discounterpreise kauft, hat Ahnung.
Sirloin Cap, Dry Aged, Entrecôte – da muss man sich schon auskennen…
Entrecôte und Rib Eye ist sozusagen das gleiche Stück. In Frankreich sagt man Entrecôte, also „Zwischen der Rippe“. Und Rib Eye beschreibt im englischen das Fettauge im Zwischenrippenstück. Je weiter man Richtung Nacken geht, umso größer wird das Fettauge.
Wie unterscheidet sich denn das Fleisch von Angus-Rind und Simmentaler-Rind?
Angus ist ein bissl feinfasriger. Geschmacklich ist wenig Unterschied. Angus schmeckt vielleicht etwas intensiver nach Rind.
Wie muss ein gutes Steak für Dich sein?
Medium, zart im Biss und mit Eigengeschmack. Allenfalls mit Pfeffer und Salz verfeinert. Sonst nichts.
„Den Metzger vor Ort gibt’s fast nicht mehr“
Läuft der Laden denn gut?
Zuerst lief es ganz zäh. Wir dachten, wir klicken auf „Online schalten“ und der Laden läuft. Das ist aber nicht so. Google ist riesengroß. Damit man gefunden wird, muss man Geld investieren. So viel wie in einen echten Laden. Mit der Passauer Agentur Gipfelstolz hat das gut geklappt. Die haben www.fleischgeniesser.de suchmaschinenoptimiert und sehr gute Arbeit geleistet.
Wie kommt es denn, dass Du Fleisch online vertreibst? Warum kaufen Deine Kunden bei Dir und nicht im Discounter oder beim Metzger vor Ort?
Den Metzger vor Ort gibt´s fast nicht mehr. Im Bayerischen Wald schon noch – aber deutschlandweit betrachtet nicht. Neben dem Trend der veganen Ernährung gibt es auch im mehr Leute die wirklich gutes Fleisch schätzen. Die wollen lieber weniger oft Fleisch essen, aber dann was Gescheites. Und an jedem Eck gibt es keinen Metzger, der gutes Fleisch anbietet. Die Dorfbäcker und -metzger mit den Geschmackvielfalten und Familienrezepten verschwinden. Darum bin ich gemeinsam mit meiner Frau auf die Idee gekommen, dass wir auch online Fleisch verkaufen könnten. Damals sind wir beim Grillen mit Freunden zusammengesessen, die das gute Fleisch gelobt haben – übrigens von der fetten alten Kuh. Die waren ganz erstaunt und konnten es gar nicht glauben.
Du machst mich fertig mit Deiner fetten alten Kuh. Das ist doch nicht Dein Ernst?
Doch, genauso heißt das Fleisch. Das ist auch kein Übersetzungsfehler. Unsere Kunden wissen das auch und bestellen gezielt die fette alte Kuh. Es schmeckt sehr intensiv, urig, fleischig.
„Viele Handgriffe kosten Geld“
Dein Fleisch ist teuer. Hat der Landwirt auch was davon?
Wir kaufen ja das ganze Vieh und nicht nur ein Steak. Von einem 300-Kilo-Rind gehen vielleicht 15-20 Kilo Steaks raus. Er hat was davon, weil sein Tier so gut wie vor Ort geschlachtet wird und keine weiten Transporte anstehen. Der hohe Preis kommt davon: Billigfleisch vom Discounter ist sehr frisch und nicht abgehangen. Darum ist es schön hell. Jungbullenfleisch zum Beispiel kommt aus Intensivmast, es ist von der Stange produziert, zack-bumm. Die Fleischreifung ist aber eine komplizierte Sache. Eine Stunde nach der Tötung beginnt die Reifung schon. Unser Fleisch hängt lange ab – 28 Tage. Eine Woche nach der Schlachtung wird es grob zerlegt und bleibt dann nochmal 21 Tage hängen. Je nach Bestellung schneiden wir – lauter Fachkräfte – die Steaks zurecht, verpacken und verschicken sie. Das sind viele Handgriffe – und das kostet Geld. Bei uns läuft nichts maschinell.
Wie geht das denn, dass die Ware unterwegs nicht zum Gammelfleisch wird?
Wir verschicken die Ware mit Kühlakkus, die lange halten. 36 Stunden lang kann die Temperatur unter sieben Grad Celsius gehalten werden – unabhängig von der Außentemperatur. Im Sommer kommt noch zusätzlich Trockeneis dazu. Da haben wir auch lange rumgetüftelt – gefrieren soll das Fleisch ja auch nicht…
Wurde schon mal Ware beanstandet?
Am Anfang haben wir mit dem gelben Riesen verschickt. Das war unzuverlässig. Von zehn Packerl sind neun gut angekommen. Dann sind wir auf die Braunen umgestiegen – die arbeiten hundertprozentig. Das kostet für uns etwas mehr, die Kunden sind aber sehr zufrieden. Und bevor wir ein Steak von einem Rind verschicken, wird eins ‚probegegrillt‘. Und nur wenn´s passt, gebe ich die Charge frei. Es können alle Parameter wie ph-Wert und Reifezeit stimmen. Letztendlich ist das Fleisch ein unbehandeltes Naturprodukt und daher das probegrillen.
„Für mich sind Veganer Extremisten“
Woher kommen denn Deine Kunden?
Ganz viele aus Ostdeutschland – und aus dem Ruhrgebiet. Aus Bayern weniger, da gibt es noch mehr regionale Metzger.
Themawechsel: Bekommst Du denn auch böse Mails von Vegetariern und Veganern?
Jeden Tag. Vor allem auf der Facebook-Seite kommen permanent Kommentare.
Wie gehst Du damit um?
Gar nicht. Ich hab mal reingeschrieben: „Love & Peace & Rock ’n‘ Roll.“ Was soll ich sonst dazu sagen? Die Veganer schimpfen auf die „Fleischesser“ und dann geht’s rund… Ich lösche auch nichts raus. Es herrscht Meinungsfreiheit. Für mich sind Veganer Extremisten. Ich würde mich nie anmaßen, zu einem Vegetarier zu sagen: „Du bist ein böser Bube“. Umgekehrt ist das aber leider der Fall. Evolutionsbiologisch betrachtet ist die Menschheit so weit gekommen, weil wir eben Allesesser sind. Persönlich habe ich mit Vegetariern und Veganern aber keine Probleme.
„Der Tod gehört auch zum Leben“
Hast Du sie bekehrt?
Nein, unsere Tochter. Als Simone schwanger war, hat sie zum Wohl des Kindes Fleisch gegessen. Unsere Tochter ist jetzt 17 und hat sich prächtig entwickelt (lacht).
Wie viele Kinder hast Du? Wissen die, wie das Fleisch auf dem Teller kommt? Viele Erwachsene sind ja der Meinung, man solle den Nachwuchs vor der blutigen Wahrheit verschonen…
Wir haben drei Kinder und die wissen Bescheid. Die Kleinste noch nicht, die ist erst drei. Sie mag auch lieber Gemüse als Wurst. Die Wahrheit sollte man Kindern nicht vorenthalten, das ist weltfremd. Der Tod gehört auch zum Leben. Ich verstehe auch Leute nicht, die ihre Kinder nicht auf Beerdigungen mitnehmen, aus Angst, sie könnten das nicht verarbeiten. Kindern kann man das aber schon vermitteln – die Wirklichkeit kann man nicht zurückhalten.
Interview und Fotos: Eva Hörhammer