München/Fürsteneck. Rund 60 Kilogramm Fleisch verzehrt der Durchschnitts-Deutsche jährlich, 36 davon stammen vom Schwein. Der Preis, zu dem Schweinefleisch in manchen Supermärkten feilgeboten wird, gibt einem oftmals eine Vorahnung davon, wie so ein Schweineleben vor der Kühltheke ausgesehen hat. Das beginnt bei der (aus Kostengründen betäubungslosen) Kastration der Ferkel bis hin zum Transport unter tierunwürdigen Bedingungen. All das soll sich jetzt ändern. Zunächst für Schweine, später für alle anderen Schlachtvieh-Sorten. 13 Punkte umfasst der Vorschlag von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) für ein neues „Tierwohl-Label“, das mehr Tierschutz garantieren soll – von der Geburt bis zum Tod.
Im Kern sieht der Vorschlag Klöckners, die jüngst die internationale „Grüne Woche“ in Berlin eröffnete, ein dreistufiges Kennzeichnungsmodell vor. Von der Einstiegsstufe, die geringfügige Verbesserungen vorsieht, bis hin zur Premiumklasse. Dabei soll die Zertifizierung – anders als bei gängigen Labels – nicht nur das Schlachten ins Auge fassen, sondern auch den Transport, das Futter oder auch den zur Verfügung gestellten Lebensraum der Schweine mitbeachten. Das Verbot betäubungsloser Kastration soll für alle drei Stufen gelten – das ist durchaus ein Fortschritt, hatte man doch diese Regelung über Jahre hinweg immer wieder neuverhandelt, um sie dann dennoch beizubehalten. Die maximale Transportzeit von lebendigen Schweinen soll nach dem neuen Konzept acht Stunden nicht übersteigen. Beim Schlachten selbst soll, etwa mittels Videoüberwachung, sichergestellt werden, dass die Tiere nicht unnötig zu leiden haben.
Tierwohl hat seinen Preis
Verabschiedet wird das Gesetz voraussichtlich Ende 2019. Zur Anwendung soll es dann 2020 kommen – jedoch nur auf freiwilliger Basis. Für verpflichtende Labels müsste erst eine EU-rechtliche Basis geschaffen werden. Das dauert nach Angaben des Agrarministeriums jedoch zu lange, man wolle zunächst nationale Maßnahmen einleiten. Man hoffe, so heißt es von offizieller Seite, dass mindestens 20 bis 30 Prozent der betroffenen Produkte mit dem Label gekennzeichnet sind. Diesbezüglich sei im Vorfeld eine großangelegte Werbekampagne geplant.
Wer sich als Konsument ums Tierwohl sorgt, wird künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. Zwanzig Prozent mehr soll Schweinefleisch in der Einstiegsstufe kosten – in der Premiumklasse wird der Aufpreis wohl noch um einiges höher ausfallen. Es steht jedoch die Überlegung im Raum, das Ganze mit öffentlichen Geldern zu subventionieren. Eine entsprechende Beschlussfassung liegt bis dato allerdings nicht vor.
Doch auch abseits staatlicher Regelungen haben Produzenten Wege gefunden, mehr Tierwohl zu garantieren. Viehvermarkter wie Gottfried Stegbauer aus Ohbruck bei Fürsteneck etwa wissen schon heute, wie man mit Tierschutz nicht nur beim Vieh, sondern auch beim Konsumenten punkten kann. Stegbauer hat seine eigenen Mittel und Wege gefunden, bessere Lebensumstände für Tiere zu gewährleisten. Beispielsweise werden in seinem Betrieb zuliefernde Landwirte als Teilnehmer am sog „Best Beef Programm“ für gute Haltungsbedingungen honoriert, wie der 48 jährige Bayerwäldler erklärt. Sogar einen eigenen „Tierschutzbeauftragten“ gebe es. Zudem sei sein Betrieb Mitglied bei diversen Zertifizierungs- und Qualitätssicherungsprogrammen und unterziehe sich regelmäßig freiwilligen wie unangekündigten Kontrollen.
Die (Ohn-)Macht des Konsumenten?
Es sei durchaus ein Problem, erklärt Stegbauer, dass sich zwar viele Konsumenten vermehrt Fleisch von „glücklichen Tieren“ wünschen – jedoch seien „nur die wenigsten bereit, dafür mehr zu bezahlen“. Für den Viehvermarkter soll gutes Fleisch jedoch auch seinen Preis haben: Durch eine Regulierung der „Bestandsdichte bei den Landwirten“, so seine Hoffnung, käme auch weniger Fleisch auf den Markt. Somit wäre das Angebot geringer – und die Ware dementsprechend teurer. Eine derartige „gesunde Preiserhöhung für Fleisch und Fleischprodukte“ käme dem Wohl der Tiere „sehr zugute“.
Dass derartige Vorschläge keine Utopie sind, zeigt eine Studie der Uni Göttingen aus dem Jahr 2016. Bekanntermaßen ist Tierschutz den Deutschen ein Anliegen. Rund 80 Prozent, so das Ergebnis der Erhebung, wären zum Wohl der Tiere auch bereit tiefer in die Tasche zu greifen. Allerdings wüsste knapp die Hälfte der Konsumenten nicht, woran sie „gutes“ Fleisch erkennen könnten. Ebenso interessant: Knapp jeder Vierte Befragte glaubt, dass er „als einzelner Verbraucher am Tierschutz ohnehin nichts ändern könne.“
Zur Kühltheke geht’s nur über den Schlachter
Und nicht nur Metzgereien oder Schlachtbetriebe gehen in die Offensive. Mittlerweile wollen auch größere Supermarkt-Ketten nicht mehr abwarten, bis auf politischer Ebene etwas vorangeht. Edeka, Aldi, Rewe und Lidl planen deshalb für 1. April ein eigenes Kennzeichnungssystem. In einem vierstufigen Modell soll die Haltung der Schlachttiere kategorisiert werden. Der Nachteil im Vergleich zum Vorschlag des Agrarministeriums: Nur die Haltung der Tiere wird dabei in die Bewertung mitaufgenommen. Thomas Schröder, Präsident des Tierschutzverbandes, beklagte deshalb gegenüber der Osnabrücker Zeitung: Würden es die Supermarktketten tatsächlich ernst meinen, sollten sie auch auf Werbung für Billigfleisch gänzlich verzichten – oder dieses am besten ganz aus den Regalen verbannen.
Auch wenn der Weg ein langer und zäher zu sein scheint, zeigt sich doch, dass die Sorge ums Tier in unserer Gesellschaft einen zunehmend prominenteren Platz einnimmt. Nicht nur die Bundesbehörde, sondern auch private Produzenten und Supermarkt-Ketten setzen mittlerweile vermehrt auf Qualität statt Quantität, auf Tierwohl statt Billigfleisch. Doch bleibt festzuhalten – egal, unter welchen Bedingungen das Vieh aufgewachsen ist und egal, welches Label am Ende auf der Packung prangt: (Industriell) geschlachtet werden sie am Ende alle.
Johannes Gress
Anmerkung: Da Hog’n fragte auch bei einigen regionalen Metzgerei-Betrieben nach, wie sie zum Thema neues Tierwohl-Label stehen. Diese waren am Ende jedoch zu keiner Stellungnahme bereit.