Waldkirchen. Die Bogners machen das, was sie tun, aus voller Überzeugung. Und das seit mittlerweile drei Jahren. Ihre Kunden schätzen das sehr. Sie kommen gerne zu „Bogners Bio“ in die Saußmühle, um dort frisches Obst, Gemüse, Käse oder auch Fleisch zu kaufen. Alles 100 Prozent ‚Bio‘, versteht sich. Im Interview blickt der studierte Gartenbau-Ingenieur (FH) Franz Bogner gemeinsam mit seiner Frau und Hauptgeschäftsführerin Uli auf die ersten drei Betriebsjahre zurück – und geben eine Einschätzung zur geplanten Neu-Ansiedlung des Drogeriemarktriesen „dm“ kund. Außerdem erklären die beiden, warum Bio-Tomaten aus Spanien oder Afrika manchmal eher das Prädikat ‚Bio‘ verdient haben als ihre in heimischen Gefilden angebauten Artgenossen…
„Wo ‚Bio‘ draufsteht, muss ja auch ‚Bio‘ drinnen sein“
Franz: Was hältst Du von den Bio-Siegeln, die derzeit im Umlauf sind? Und: Wenn man Tomaten aus Spanien im Supermarkt kauft, die ein Bio-Siegel tragen – haben diese denn aufgrund der überaus langen Transportwege das Prädikat „Bio“ überhaupt noch verdient?
Franz: Selbstverständlich ist das ‚Bio‘ – denn wo ‚Bio‘ draufsteht, muss ja auch ‚Bio‘ drinnen sein. Das gilt ja nach wie vor. Nur ist eben so, dass es im Bereich ‚Bio‘, der ja in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist, gewisse Unterschiede gibt.
Es gibt verschiedene Bio-Siegel, wobei die Mindeststandards das EU-Bio-Siegel vorgibt. Anbauverbände wie Demeter, Naturland, Bioland etc. hingegen unterliegen noch wesentlich strengeren Kriterien. Diese haben inzwischen Betriebe in Spanien und in der ganzen Welt, die nach diesen strikten Anbauverbandsrichtlinien kontrolliert werden.
Und da fallen dann die langen Transportwege und der hohe CO2-Verbrauch nicht mehr ins Gewicht?
Franz: Man muss folgendes wissen: Wenn man, sagen wir, als Freyunger mit dem Auto mehrmals in der Woche nach Waldkirchen in den Bio-Laden fährt, um dort ein Kilo Tomaten zu kaufen, hätte man immer noch mehr CO2 verbraucht, als wenn man beispielsweise Tomaten aus Afrika, die mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug nach Europa gelangt sind, im Supermarkt erwerben würde.
„Am besten das eigene Obst im Naturkeller lagern, so wie früher“
Tatsächlich? Wie kommt man denn auf diese Rechnung?
Franz: Es gibt verschiedene Untersuchungen, die zeigen, dass etwa der CO2-Anteil pro Kilogramm Gemüse beim Transport per Schiff sehr gering ist. Gleiches gilt für den Transport mit dem Lkw. Ganz einfach deshalb, weil die beförderten Mengen sehr groß sind. Der CO2-Anteil ist hingegen bei der Einkaufsfahrt in den Supermarkt wesentlich höher. Es gilt also darauf zu achten, dass man sich beim Einkauf immer gleich größere Mengen auf einmal anschafft – und sich nicht wegen jeder Kleinigkeit ins Auto setzt und losfährt ins Geschäft. Auf diese Weise kann man viel eher zu einer positiveren CO2-Bilanz beitragen, als wenn man darauf achtet, dass Früchte, Gemüse etc. möglichst wohnortnah angebaut werden.
Zum anderen ist es ja auch so, dass bei uns die Tomaten wesentlich mehr Wärme benötigen als in Spanien – und dadurch auch der Energieverbrauch beim Anbau in Gewächshäusern erhöht wird. Oder nehmen wir Äpfel und Birnen: Diese müssen im Herbst in Kühlzellen eingelagert werden, damit sie auch im Winter verfügbar sind. Das heißt: Irgendwann dreht sich die CO2-Bilanz um zugunsten der mit dem Schiff aus Argentinien gelieferten Äpfel und Birnen. Am besten wäre natürlich die Lagerung des eigenen Obstes im Naturkeller, so wie früher üblich. Diese Möglichkeit hat aber heute kaum jemand.
Ein weiterer Punkt ist der soziale Aspekt. Es gibt zahlreiche Länder, die nicht viele wirtschaftliche Alternativen haben, sondern meist eben nur die Landwirtschaft. Die Bewohner benötigen jedoch auch Arbeitsplätze und die Chance, ihr Einkommen zu erzielen. Ich denke, dass man diesen Ländern, die auf das Wenige, was sie haben, angewiesen sind, nicht auch noch diese Einkommens-Möglichkeiten nehmen sollte.
Absolut. Nur wissen das leider auch die großindustriellen Lebensmittelproduzenten, die dementsprechend Druck auf die Arbeiter und deren Löhne und Arbeitsbedingungen ausüben können.
Franz: Richtig. Doch dem setzen die Bio-Anbauverbände etwas entgegen, weil diese auch den sozialen Aspekt in den Mittelpunkt rücken. Das heißt: Sie achten darauf, dass die gesamte Produktionskette fair abläuft.
„Im ganzen Leben gilt: Man soll stets kritisch sein“
Als Verbraucher ist man da ja gerne mal etwas skeptisch – und fragt sich, ob das dann auch tatsächlich so ist…
Uli: Stimmt. Aber ich denke, es gilt fürs ganze Leben, dass man selbst stets kritisch sein soll. Nur: Irgendwann ist eine Grenze erreicht und ich kann nicht mehr alles selbst überprüfen. Ich muss mich dann auf das, was ich irgendwo gehört oder gelesen habe, auch verlassen. Zu dem Punkt kommt man irgendwann eben mal..
Anderes Thema: Nach Waldkirchen wird demnächst ein Drogeriemarkt der Kette „dm“ kommen – mit sehr vielen Bio-Produkten im Sortiment. Seht Ihr das als Konkurrenz zu Eurem Geschäft?
Franz: Einerseits ist es mir ja aufgrund meiner Grundüberzeugung am liebsten, wenn 100 Prozent ‚Bio‘ im gesamten Lebensmittelbereich angeboten werden würde. Von meiner Einstellung her kann mir das also nur recht sein, wenn möglichst viele Bio-Produkte gekauft werden. Wenn viel Nachfrage nach ‚Bio‘ vorhanden ist, besteht die Aussicht, dass mehr Bauern auch auf ‚Bio‘ umstellen.
Andererseits bezweifele ich, dass ein großer Lebensmittel-Discounter wie dm all die Bio-Kriterien, die vor allem den sozialen, fairen und umwelttechnischen Bereich betreffen, einhalten kann. ‚Bio‘ hat für mich ab einer gewissen Geschäftsgröße eine kritische Grenze erreicht. Einzelne Firmen können meiner Meinung nach nicht unendlich wirtschaftlich weiterwachsen und prosperieren – und gleichzeitig immer noch ‚Bio‘-Standards einhalten. Das funktioniert nicht.
Dm hatte lange Zeit eine Allianz mit dem Bio-Händler Alnatura, einem der größten Bio-Händler in ganz Deutschland. Diese ist ja vor Kurzem zu Ende gegangen. Das Unternehmen dm will nun, nach der Trennung von Alnatura – wie auch viele andere Discounter – immer mehr dazu übergehen, eigene Biomarken zu entwickeln. Diese Eigenmarken sehe ich als Problem, weil diese zwar von teils namhaften Bio-Firmen hergestellt, dann aber zu einem billigeren Preis im Laden verkauft werden. Weniger Gewinn heißt billigerer Einkauf von Rohstoffen. Somit gelangt der Druck letzten Endes auch zum Hersteller, zum Landwirt – und das sehe ich kritisch, weil das ja die gleichen Fehler sind, die auch im ‚herkömmlichen Discount-Bereich‘ ebenfalls schon gemacht worden sind.
„Nicht am Preis orientiert, sondern an der Qualität“
Ihr betreibt seit drei Jahren gemeinsam Euren Bio-Laden. Wenn Ihr zurückblickt: Hättest Ihr gedacht, dass Eure „Bio-Idee“ so erfolgreich sein wird?
Uli: Ich denke schon, weil sonst hätten wir’s nicht gemacht (lacht). Ein gewisses Risiko war dabei, doch wir haben von Anfang an dran geglaubt – und Gott sei Dank ist dann auch alles so eingetroffen, wie erhofft. Nicht erwartet haben wir, dass es gleich von Anfang an so gut läuft – und wir so viele Kunden gewinnen können.
Warum war das so? Was glaubt Ihr?
Uli: Es liegt mit Sicherheit am besonderen Einkaufsambiente, das wir unseren Kunden in dem denkmalgeschützten Gebäude in der Saußmühle bieten können. Unser Laden ist inhabergeführt – aus Überzeugung, von mir, meinem Mann und der gesamten Familie. Ein weiteres Kriterium: Wir stehen hinter den Produkten und haben eine Auswahl, die nicht am Preis orientiert ist, sondern an der Qualität der Produkte und am Bio-Gedanken. Wir haben – bis auf zwei oder drei Ausnahmen – 100 Prozent ‚Bio‘ im Sortiment.
Kann sich ‚Bio‘ eigentlich jeder Mensch leisten?
Uli: Ja, weil es hierbei um eine Werteeinstellung geht. Es gibt verschiedene Bereiche, auf die man sein Gesamteinkommen aufteilen kann. Ich kann viel Geld in die jährliche Urlaubsreise investieren, ich kann ein großes Auto fahren, eine große Wohnung besitzen – aber ich kann natürlich auch für Lebensmittel mein Geld ausgeben. Das hat mit der Einstellung zu tun.
„Wir unterstützen die, die zu Hause was anbauen wollen“
Sich zu Hause wieder mehr auf ‚Bio‘ einzustellen, indem man etwa Gemüse und Obst im eigenen Garten anpflanzt – viele Leute tendieren wieder mehr dazu. Baut Ihr selbst auch daheim etwas an?
Franz: Eigentlich ist es ja a bisserl dumm, wenn ich mir selbst zu Hause Obst und Gemüse in Bio-Qualität anpflanze… (lacht). Aber ich mach’s nach wie vor, was vermutlich damit zusammenhängt, dass ich die Gärtnerei gelernt und viel mit Pflanzen zu tun habe. Im heimischen Garten bau ich dann meist Sorten an, die jetzt nicht so geläufig sind, wie etwa den sibirischen Kohl. Ich probier gerne was aus.
Wir unterstützen die Leute, die zu uns in den Laden kommen, auch dabei und geben ihnen Tipps, wie sie was anbauen können. Das gehört einfach dazu.
Dann wünschen wir Euch weiterhin viel Erfolg mit Eurem Bio-Laden und sagen danke fürs Gespräch.
Interview: Stephan Hörhammer