Bayerisch Eisensten/Schönbrunn a. Lusen. „Eigentlich woit i nua moi schau, ob ma de Streck in oam Stück geh‘ kan“, antwortet Sascha (genannt: „Mäd“) Madl auf die Frage, was ihn an seinem außergewöhnlichen Abenteuer gereizt hat. „A bissal varruckt deaf ma ab und zua scha sa“, fügt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem Augenzwinkern hinzu. Der Hobby- und Freizeitkletterer aus Hinterschmiding hat eine wahre Mammut-Tour hinter sich, bei der die Survival-Gurus Bear Grylls, Cody Lundin und Dave Canterbury vermutlich irgendwann um Gnade gewinselt hätten: Binnen 24 Stunden von Bayerisch Eisenstein nach Schönbrunn am Lusen – und das ganze zu Fuß über den Falkenstein-, den Rachel- und den Lusengipfel.
Rund 50 Kilometer durch die raue wie wunderbare Landschaft des Bayerwoids. Wie es ihm dabei ergangen ist – vor allem beim Aufstieg auf den Rachel in stockfinsterer Nacht – hat er für Euch aufm Hog’n nach bestandener Tour zusammengefasst. Ein (unveränderter) Erlebnisbericht im Zeitraffer.
Mit vom Hoiwa-Zupfa blauen Fingern durch die Hochmoore
10:15 Uhr: Ankunft mit da Woidbahn in Bayerisch Eisenstein – und dann geht der Wahnsinn auch schon los, am Europäischen Fernwanderweg E6 – „der mit dem grünen Pfeil“ … Ich hab‘ mir schon ein gewisses Abenteuer erwartet, doch bereits auf dem Weg zum Falkenstein habe ich gemerkt, dass ich jetzt eigentlich nicht mehr tun muss, als gehen, einfach nur gehen – was mich schon etwas am erhofften Abenteuer zweifeln ließ. Also: Wandern – mehr ist’s fürs Erste nicht …
13:50 Uhr: bei strahlend blauem bayerischen Himmel Ankunft am Großen Falkenstein … dann sind’s laut Beschilderung ja „nur“ noch neun Stunden zum Rachel …
17:00 Uhr: Pause auf den Schachten mit „Hoiwa“ (bairisch: für Heidelbeeren) und am Wahnsinns-Liacht (bairisch: für Licht); ich lasse mir ordentlich Zeit, um die Atmosphäre auf den Schachten-Wiesen mit den Hoiwa-Sträuchern, den alten Bäumen und der tiefstehenden Sonne zu genießen. Dann geht der Weg mit vom Hoiwa-Zupfa blauen Fingern weiter durch die Hochmoore mit den Moorseen und dem Latschensee, in denen sich die Sonne spiegelt.
19:30 Uhr: Sonne geht langsam unter und ich bin noch nicht einmal annähernd in Gipfelnähe des Rachels; an einen Aufstieg bei Tageslicht ist jetzt nicht mehr zu denken …
Es ist teils mehr ein Stolpern als ein Wandern …
20:15 Uhr: In der Ferne sehe ich die letzte Sonne überm Hohen Bogen untergehen – ein schöner Anblick, aber auch mit einem mulmigen Gefühl verbunden und der Frage, wie wohl der Aufstieg zum Rachel bei völliger Dunkelheit werden wird …
20:30 Uhr: Jetzt is‘ stockfinster: Aufstieg zum Rachel … mit der Stirnleuchte und dem kleinen Lichtkegel sieht man wirklich nur das Nötigste; der Weg ist steinig und voller Wurzeln, es ist teils mehr ein Stolpern als ein Wandern – doch eins wird mir jetzt bewusst: seit dem Einbruch der Finsternis habe ich das, was ich mir zuvor erwartet hatte …
21:50 Uhr: Endlich: Ankunft am Rachel-Gipfelkreuz; es is a sternklare Nocht und da Wind pfeift leis – der wohl emotionalste Moment der Wanderung. Mein Gedanke: Iatzt bin i irgendwia dahoam akemma … Es gibt nur ein Problem: Obwohl ich ein Ziel erreicht habe, hab‘ ich erst die Hälfte der 24 Stunden geschafft …
22:40 bis 23:30 Uhr: Pause in da Rachelkapelle mit einer kleinen Brotzeit und am kleinen „Natzal“ (bairisch für „Power-Napping“).
Wirklich beängstigend, wos do ois zum Hören is …
00:15 Uhr: Felsenkanzel; de Geräusche im Woid han‘ echt unheimlich … ab jetzt hab i in da rechten Hand an Stock zum Aufstützen und in da linken tatsächlich an Prügel für alle Fälle; wirklich beängstigend, wos do ois zum Hören is …
02:00 Uhr: Rast an irgendeinem Bachal zwischen Rachel und Lusen zum Fiass entspanna, de i ins eiskalte Wasser hängen loss‘, weil’s einfach scho fertig han‘ …
03:05 Uhr: Teufelsloch … i hob scha g‘laubt, des kimmt nimmer; und endlich dort angelangt, muss ich schon wieder einfach weiter, „einfach“ gehen …
03:30 Uhr: Ankunft bei der Glasarche unterhalb der Himmelsleiter … prinzipiell a guade Sach, aber: Weil’s jetzt nur noch 45 Minuten zum Lusen-Gipfel san‘ und ich mir dort unbedingt den Sonnenaufgang um 6 Uhr anschau’n will, heißt es bis dahin: a Natzal (s.o.)
Als i des Gipfelkreuz seg‘, kann’d i plärr’n vor Freid…
03:45 bis 04:45 Uhr: Natzal in dem Info-Stand neben der Glasarche; als ich aufwach‘, woas i zuerst gar ned genau wo i bin; vorm Anziehen vo de Wanderstiefel graust ma g’scheid …
04:45 Uhr: Nach der Tortur über die Himmelsleiter (d‘Fiass ham jetzt einfach scha sauweh da): Ankunft am Lusen. Als i des Gipfelkreuz seg‘, kann’d i plärr’n vor Freid – so schä is da Moment.
05:45 Uhr: Des erste Morgenrot, nur a ganz dünner tiefroter Streifen is zum Seng – und dann wird’s langsam heller und heller; i lieg af meiner Iso-Matten af de Lusen-Stoa und schau ma des ganze Schauspiel an; ned so schä is‘, dass sich da Lusen-Gupf so ab 6e mit Leuten füllt, de aa den Sonnenaufgang a’schau woll’n – a wengal a unguats G’fühl, wenn ma de ganze Nocht alloa war und irgendwie g’moant hod, dass aa der Sonnenaufgang für oan alloa is …
06:45 Uhr: Sonnenaufgang am Lusen, dann Abstieg zur Sagwassersäge, der für d’Fiass de reinste Hölle is …
08:30 Uhr: Ankunft in Sagwassersäge und weiter auf der Nationalparkstraße nach Schönbrunn am Lusen.
10:00 Uhr: Kirchturm von Schönbrunn is scho zu sehen.
10:15 Uhr: Am Ziel: Schönbrunn a. Lusen; i gönn‘ ma zur Erholung a Marmalad-Brot und an Tee (irgendwie hat mi schon seit dem Teufelsloch unwahrscheinlich af a Marmaladbrot mit ganz dick Butter blangt (bairisch für: „großes Verlangen nach etwas verspüren“), was merkwürdig is, weil: Marmalad mit Butter iss i eigentlich nie …
Mein persönliches Fazit: Es war eine unvergessliche Erfahrung, a Abenteuer dahoam, aber trotzdem: So schnell mach ich des nicht wieder!
Sascha Madl