Angetrieben und im Glauben bestärkt, dass dieses Unterfangen überhaupt möglich ist, hatte mich der Erfahrungsbericht über Herrn Madl und seine 24-Stunden-Nationalpark-Durchquerung.
Ich wusste, dass mein Rucksack bei dieser Wanderung um einiges leichter sein musste als bei meinen vorherigen Abenteuern. Ich beschloss deshalb (schweren Herzens) meine 4×5-Kamera zu Hause zu lassen – und packte nur eine SX-70 sowie ein paar Impossible-PX70-Color-Protection-Filme ein (was bedeutet, dass alle im Folgenden gezeigten Fotos eben mit diesem Film aufgenommen worden sind).
Den Rucksack gepackt, die Flasche geleert, die Wanderstiefel geschnürt
Außerdem habe ich warme Unterwäsche eingepackt – von weitem sieht’s auf den Gipfeln noch recht kalt und teilweise weiß aus. Eine Fleece- und eine Regenjacke sollten mich ebenfalls trocken halten. Und nicht zu vergessen: drei Brezeln und eine Tüte voller Knusperriegel und Energie-Snacks, drei Liter Wasser und ein paar Wasserreinigungstabletten. Zusätzlich noch ein paar Heftpflaster und Verbandszeug – mein weiß ja nie was auf einen zukommt, in dieser Wildnis …
Gegen Mittag, nachdem mehrmals die Sonne hervorblitzte, entschloss ich mich dazu mein Unternehmen in Angriff zu nehmen. Meine beste Hälfte Julia brachte mich mit dem Auto zu meinem Ausgangspunkt nach Bayerisch Eisenstein. Der Rucksack war gepackt, die Flasche Cola geleert und meine Wanderstiefel geschnürt – vom Bahnhof aus ging’s los.
Mein Weg führte mich zunächst rund eineinhalb Stunden Richtung Zwieslerwaldhaus. Auf gut ausgeschilderten Pfaden sollte mein Vorankommen kein Problem darstellen – und ich genoss die wunderbare und frisch duftende Natur mit all ihren frühlingshaften Farben und Gestalten.
Der ganze Wald ließ den Geruch der vorausgegangenen Regenschauer verströmen – es war einfach herrlich. Diesen Teil des Nationalparks habe ich noch nie bewandert und ich durfte somit noch nicht bekannte Landschaften durchschreiten. Ein ebenfalls immer wieder tolles Gefühl. Entdeckerrausch.
Angekommen in Zwieslerwaldhaus ging es weiter Richtung Abzweigung Ruckowitz-Schachten/Steinbachfälle. Trotz meiner Vorliebe für die Schachten entschloss ich mich dieses mal dazu dem Steinbachfall einen Besuch abzustatten. Mit der Perspektive, dass es ein toller Abstecher auf beide Falkensteingipfel sein würde – und ich sollte recht behalten. Zum ersten Augenschmaus wurde der Wasserfall, der sich mir – gut gespeist vom Schmelzwasser der höheren Lagen, die teilweise immer noch mit Schnee bedeckt waren – von einer sehr eindrucksvollen Seite präsentierte.
Kurz darauf traf ich auf zwei Wandersleut‘, denen ich auf dem Kleinen Falkenstein nochmals begegnen sollte. Die jungen Männer waren schon den zweiten Tag unterwegs und hatten die Hütte auf dem Großen Falkenstein im Visier. Ob ich auch dorthin wolle, fragte mich einer der beiden – woraufhin ich augenzwinkernd antwortete: „Mal sehen, wie weit mich meine Beine tragen …“
Der Ausblick auf dem Kleinen Falkensteingipfel war dann einfach unwiderstehlich – und ich nahm mir ein paar Minuten Zeit für eine kurze Unterhaltung mit den beiden über diverse Tourenerlebnisse aus vergangenen Tagen. Auch das ist ein immer wiederkehrender schöner Aspekt des Wanderns: Man trifft Menschen, die genauso die Natur genießen wie man selbst. Jeder sammelt so seine ganz eigenen Eindrücke – und bei Gesprächen untereinander gibt dann jeder einen kleinen Teil seines Wissens weiter.
Der Falkensteingipfel – ein Ort völliger Stille und Einfachheit
Nach einem kurzen Verschnaufer ging es dann auch schon wieder weiter zum nächsten Ziel: Großer Falkenstein. Dort angekommen, empfing mich erneut ein herrlicher Blick über die Weiten des Bayerwalds, der sich majestätisch vor mir ausbreitete. Es fühlte sich an, als sei man nur ein Zuschauer. Jemand, der mit dem ganzen Geschehen da unten nichts zu tun hat. Trotz der großen Entfernung konnte ich das bunte Treiben der Menschen in der nahegelegenen Stadt beobachten – während ich mich an einem Ort völliger Stille und Einfachheit befand. Nicht nur ich genoss diesen Moment: Ein weiterer Wandersmann, der gerade ein kleines Nickerchen auf einer der Bänke machte, fühlte sich ebenfalls angenehm frei und beflügelt von der innigen Verbundenheit mit Mutter Natur.
Doch ich war ja nicht zum Genießen da, sondern zum Wandern – weshalb ich das Schutzhaus am Falkenstein mit der kleinen Kappelle nebenan hinter mir ließ und kurz darauf auf vom Windwurf geprägte Landschaft stieß: Soweit mein Auge blicken konnte, lagen umgestürzte Bäume und aus dem Boden gerissene Wurzeln kreuz und quer verteilt.
Wenig später kam ich auch schon am ersten Schachten vorbei, dann am zweiten, dem Albrecht-Schachten, der zu meiner Linken auftauchte. Die charakteristischen alten Bäume bereiteten mir wieder einmal einen schönen Anblick – und ich wünschte mir einmal mehr, sie könnten mir ihre Geschichten erzählen. Im Anschluss ging es zügig auf einem Schotterweg weiter, der in einer scharfen Rechtskurve endete, und mich über eine Brücke Richtung Rindelschachten führte.
Er ist einer der Schachten, die auf mich eine besonders mystische Wirkung ausüben – vielleicht einfach nur deswegen, weil ich dort noch nicht allzu oft gewesen bin. Und doch auch wegen eines anderen – mir unbekannten – Grundes. Ich entschied mich für ein kurze Rast, um eine meiner „wertvollen“ Brezeln zu verzehren. Zum Nachtisch gab’s noch einen nahrhaften Riegel für die Fitness. Und schon ging’s weiter …
Das nächste Ziel, der Jährlingsschachten, wartete schließlich auf mich. Solange es hell war, wollte ich so viel Weg wie möglich schaffen …
Ich schritt im Wissen voran, dass der nun folgende Abschnitt meiner Wanderung sehr eintönig werden würde, da es von hier bis zum Lindbergschachten ausschließlich auf Forstwegen weiterging – und das für rund eineinhalb Stunden. Gegen Abend ich füllte Trinkwasser nach und erblickte das erste wilde Tier auf meiner Tour: Ein Reh, das nur langsam aus meinem Blickfeld verschwand.
Am Lindbergschachten drohte ein Gewitter aufzuziehen. Ich aß noch schnell eine Brezel – und versuchte wiederum Weg gut zu machen. Von diesem Schachten konnte ich gut einschätzen, wie weit der Rachel noch entfernt lag.
Langsam aber sicher wurde es dunkel und die Spannung stieg: Es sollte der erste Groß-Einsatz für meine Stirnlampe werden. „Ob sie wohl funktioniert?“ fragte ich mich, während dunkle Wolken den Himmel weiter verfinsterten.
Ich durchstreifte das Gebiet der Schachten und Filze. Dies sollte auch bei Dunkelheit kein Problem darstellen, da ich mit diesem Landstrich sehr vertraut war. Womit ich jedoch nicht gerechnet hatte: dass hier teilweise immer noch Schnee lag. Es galt deshalb ein wenig vorsichtiger voranzuschreiten – und vor allem nicht zu stürzen …
Der Himmel war zappenduster – und es begann zu regnen …
Am Hochschachten erwarteten mich die ersten Schwierigkeiten: Der Himmel war nun zappenduster – und es begann zu regnen … wenigstens hatte ich meine Regenjacke nicht umsonst eingepackt. Nach rund 30 Minuten, als ich den Almschachten erreicht hatte, war der Spuk dann auch schon wieder vorbei.
Ich legte eine etwas längere und energiespendende Pause ein, in der ich mehrere Energieriegel verspeiste, viel Flüssigkeit zu mir nahm und so gut es ging entspannte. Ich wusste, was mir als nächstes bevorstand: der Aufstieg zum Rachel. Mittlerweile war es so dunkel, dass ich meine Stirnlampe anknipste. Ich war sehr froh sie dabei zu haben und werde sie auch auf meinen folgenden Touren nicht mehr missen wollen.
Dank meiner „Hirnbirn“ stellte die Überquerung des Verlorenen Schachtens keinerlei Probleme dar. Es ging stetig bergab, doch meine Gedanken kreisten immer nur um diesen einen Namen: Rachel. „Und da muss ich jetzt rauf!“ Eigentlich ein ganz interessanter Weg, recht wild und ursprünglich, was ich ja liebe. Nur: Nach den inzwischen verstrichenen Stunden, die ich schon unterwegs war, könnte das ganz schön anstrengend werden …
Ein Traumpfad sieht wahrlich anders aus …
Und ich sollte nicht ganz Unrecht behalten: Über Stock und Stein und den ein oder anderen kleinen Wasserfall (die Schneeschmelze ließ grüßen), ging es immer bergauf Richtung Rachelwiese. Als ich diese erreicht hatte, hieß es kurz: durchatmen. Der Weg bis zum Waldschmidthaus sollte nun etwas weniger anspruchsvoll sein. Doch geich danach galt es nochmals die Zähne zusammenzubeißen, bis der Gipfel erklommen war. Und mit etwas Mut und Ansporn nahm ich auch dieses Hindernis.
Oben am Gipfel angekommen, war es Schlag 23Uhr. Ich gab zu Hause Bescheid, dass ich noch frohen Mutes und am Leben war. Und nach einer kleinen Pause sowie meiner letzten energiespendenden Brezel setzte ich meine Reise durch die Nacht fort. Noch einen Schluck Wasser hier und einen Energieriegel dort – und auf geht’s!
Nach rund drei Stunden war ich an der Glasarche angelangt und froh darüber, ein kleines aber feines Schützhäuschen gefunden zu haben, in dem ich einmal mehr etwas länger entspannen und meine Kleidung wechseln konnte. Rund eine halbe Stunde später entschloss ich mich erneut aufzubrechen – obwohl es mir schon recht wohl tat, so mit geschlossenen Augen trotz Kälte und leichtem Nieselregen entspannt dazuliegen.
Hatte das Gefühl, dass die Himmelsleiter tatsächlich in den Himmel führt
Es dauerte dann noch weitere 53 Minuten bis ich am Parkplatz Waldhäuser angekommen war, wo mich die beste Chauffeurin abholte, die man sich in diesem Moment nur wünschen kann. Auch mein treuer Vierbeiner Schoko war dabei – und wir freuten uns alle drei, dass alles gut geklappt hatte.
Super Leistung!
Kann mir vorstellen wie sich die Himmelsleiter sich anfühlte…
Daher nochmals meinen Respekt!
Eine Bekannte wollte mich mal auf die fast selbe Tour mitnehmen, habe aber abgelehnt, weil mir da die Natur zu kurz kommt…
Bewundere aber die Fitness :-D
Hi Russ :-)
Ja die Natur kam in diesem Falle wirklich nicht ganz soo zur Geltung. Vor allem weil es ja dann auch noch Nacht wurde :-)
Aber es hat auch wiederum Reize sich in der Natur auf eine schnellere und unentspanntere Art und Weise zu bewegen. Man nimmt doch relativ viel wahr und manches eben auch ganz anders als im genießerischen Tempo. Es war fantastisch als in der Ferne die Lichter der Siedlungen und Ortschaften zu sehen waren. Es gibt auch Rehe im Kerngebiet und diese lassen sich wunderbar beobachten, genau wie Eulen…
Es war einfach wahnsinnig schön und vielleicht auch nicht das letzte mal :-)
Wenn du wieder mal gefragt werden solltest das zu machen überleg es dir nochmal ;-)
Beste Grüße und vielen Dank dass dir der Beitrag gefallen hat.
Bastian
Hey Basti, super Tour und super Fotos! Ich bin beeindruckt! mal sehen wann ich mal wieder den Woid durchstreife ;)
servus,
David
Bist herzlich eingeladen mit zu kommen :-)
Danke für’s gefallen David, freut mich :-)
Beste Grüße an den Aus-Wanderer ;-)
Bastian
Mei,
das war eine ganz wunderbare Frühstückslektüre für ein meniskusgeschädigtes Nordlicht.
So kann man zumindest etwas dran teilhaben –
und sich der Horizonte erfreuen.
Gruß zu euch da unten (oder droben, wie man’s nimmt ;)
g.
Guten Tag Gerald.
Freut mich wenn’s dir gefallen hat. Mir gefiel es ebenfalls :-)
Ganz schön lange war die Tour aber ich bin schon wieder motiviert neue Wege zu gehen und den Rucksack wieder zu packen ;-)
Für dein Knie kann ich dir nur das Fitnessstudio an’s Herz legen. Das bringt wirklich was um wieder auf die Beine, und vor allem auf die Berge, zu kommen!
Ich seh auch zu noch etwas fiter zu werden und dann geht’s wieder los.