Ringelai. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Das Wirtshaussterben ist längst in der Realität angekommen – auch in der Gemeinde Ringelai. Die Kommune im Schmalzdobl hat dieses Problem nicht nur erkannt, sondern auch eine Lösung parat: Über die Energiegenossenschaft Ringelai e.G., deren Mitglied die „Gmoa“ ist, wurde das insolvente „Landhotel Koller“ aus einer Zwangsversteigerung heraus gekauft. Und auf den 2.100 Quadratmetern werden gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen…
Dass Bürgermeisterin Dr. Carolin Pecho nun unter Umständen also auch als Wirtin fungiert, lässt sie selbst schmunzeln. „Ja, das ist ein bisschen eigenartig“, gibt sie offen zu. „Aber dieses Haus ist eine große Chance für die gesamte Gemeinde.“ In erster Linie meint sie damit den sozialen Aspekt des Gebäudes. Sie gesteht aber auch ein, dass gewisse Emotionen eine Rolle spielen. „Dieses Wirtshaus fehlt einfach. Das tut weh. Vor allem, weil ich hier selber meine Taufe und meine Kommunion gefeiert habe.“ Der nachhaltige Gedanke dieses Projektes rundet das Vorhaben ab. Aber der Reihe nach.
Die Gelegenheit durch einen Kniff genutzt
Das Hotel Groß im Ortskern ist vorläufig Geschichte. Und als auch noch „da Koller“ den Betrieb einstellte, standen die Ortsvereine genauso vor verschlossenen Türen wie der gewöhnliche Ringelaier, der eine Lokalität für größere Feierlichkeiten suchte. Das Ende beider Traditionshäuser hatte zur Folge, dass kein größerer Saal mehr in der 2000-Seelen-Gemeinde zur Verfügung stand. Dann aber tat sich eine Gelegenheit auf, die die Bürgermeisterin sofort erkannte. Sie schlug zu – mit einen Kniff.
„Als Ende Dezember bekannt wurde, dass eine Zwangsversteigerung des Landhotels Koller durchgeführt wird, haben wir sofort Interesse bekundet“, blickt Carolin Pecho zurück. Die Gemeinde selber konnte den Kauf in so kurzer Zeit nicht stemmen, wäre man doch auf Fördergelder angewiesen gewesen, deren Zuteilung jedoch bekanntlich länger dauert. Die Energiegenossenschaft Ringelai e.G., zu deren Mitgliedern auch die Gemeinde zählt und an deren Nahwärmenetz auch das Wirtshaus angeschlossen ist, sprang jedoch ein. „Sie sind vorerst einmal die Besitzer, die Gemeinde ist Pächter. Sind alle Genehmigungen durch, wird der Großteil der Kommune gehören“, erklärt die Rathaus-Chefin.
Heimat für die Mittagsbetreuung der Grundschule
Das einstige Bettenhaus wird weiter in der Hand der Energiegenossenschaft bleiben. „Dort entstehen Wohnungen. Wohnraum, den wir sehr, sehr dringend brauchen“, wie das Gemeindeoberhaupt betont. Den Teil des Objektes, das direkt an der Perlesreuter Straße liegt, wird die Kommune (indirekt) selber nutzen. Das Obergeschoss soll Heimstatt der Mittagsbetreuung der benachbarten Grundschule werden. „Ab 2026 ist das verpflichtend. Dann hätten wir uns ohnehin etwas überlegen müssen. Und lieber nutze ich einen Bestand, als neu zu bauen.“ Das Erdgeschoss soll das bleiben, was es ist: ein Wirtshaus. Eine Einkehrmöglichkeit für Wanderer, Urlaubsgäste, Einheimische und Vereine.
„Man könnte morgen wieder aufsperren“, ist Bürgermeisterin Carolin Pecho überzeugt
Bereits kurzfristig ist es derzeit möglich, den Saal mit rund 140 Plätzen zu mieten. Vorerst noch „auf Eigenregie“, also ohne Bewirtung. Auf Dauer strebt die Gemeinde eine Nutzung an, wie sie in vergangenen Tagen der Fall gewesen ist. Was vor einiger Zeit noch Normalität war, wäre dann eine Art Luxus. „Uns war schon lange klar, dass es im Gastrobereich irgendwann einmal schwierig wird“, berichtet Pecho. Dass es aber so schnell zum gastronomischen Super-GAU kommt, überraschte dann aber nicht nur sie. Und plötzlich war es Fakt, dass die Feuerwehr keine Lokalität mehr für ihre Generalversammlung hatte, dass der Kinderfasching nicht mehr hat stattfinden können…
„Brutale Dimension, die Druck aufbaut – aber Sinn macht“
Obwohl ein derartiges Projekt natürlich nicht zu den Pflichtaufgaben einer Kommune gehört, sah sich Dr. Carolin Pecho im Sinne ihrer Bürger sehr wohl in der Pflicht, zu handeln. „Aber das ist natürlich eine brutale Dimension, die Druck aufbaut“, macht sie angesichts einer Summe im hohen sechsstelligen Bereich, die für das Unterfangen bewegt worden ist, deutlich. Hierbei handelt es sich immerhin um fast ein Drittel des Jahresetats der Gemeinde Ringelai. „Es macht aber Sinn“, betont die Bürgermeisterin noch einmal.
Der Großteil der Gemeinde sehe das ebenfalls so, versichert sie. Der Gemeinderat hat der Investition zugestimmt. „Wir brauchen auf alle Fälle wieder einen Wirt. Dieser ist nicht nur für das Vereinsleben wichtig, sondern auch für die Veranstaltungen“, stellt Simon Toso mit überzeugtem Brustton fest. Der 31-Jährige ist einer von drei ersten Vorsitzenden des TSV Ringelai, mit 582 Mitgliedern der größte Verein im Ort – und somit ein wichtiges Sprachrohr. Toso betont: „Es gehört aus meiner Sicht zu den Aufgaben einer Gemeinde, sich auch um die Gastronomie zu kümmern. Ein Wirtshaus ist wichtig für ein Dorf.“
Bisher hat sich noch kein Interessent gemeldet
Worte, die die Bürgermeisterin und ihre Mitstreiter in der Verwaltung und im Gemeinderat bestätigen können. Und Worte, die sie weiter motivieren. Derzeit läuft die Suche nach einem Pächter. „Das ist nicht einfach – bisher hat sich keiner gemeldet“, informiert die Rathaus-Chefin. Dass dieses Unterfangen schwierig werden könnte, wusste sie bereits vorher, weshalb sie einen Notfallplan parat hat. Zeitnah soll nun ein Getränkeautomat aufgestellt werden, sodass sich Wanderer in den Biergarten setzen und zumindest selber versorgen können. Sollte sich länger kein Betreiber finden, kann sich Pecho vorstellen, proaktiv zu werden.
„Zur Not machen wir es selber. Vielleicht betreiben wir das Wirtshaus dann über ein Kommunalunternehmen“, blickt sie zuversichtlich in die Zukunft. Schmunzelnd fügt sie hinzu, dass es ohnehin bereits Gerüchte im Dorf gebe, die Verwaltung werde in den Gastraum umziehen – und dort nebenher Bier zapfen. „Durch die Mittagsbetreuung müssen wir sowieso einen Koch einstellen, wenn sich kein externer Auftragnehmer findet.“ Der Bogen hin zur Bürgermeisterin und Quasi-Wirtin ist dann gleich gespannt. Dr. Carolin Pecho geht ihrem Amt so oder so nur „ehrenamtliche“ nach…
Helmut Weigerstorfer
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