Mauth/Freyung. Franz Staller ein ehrendes Andenken zu bewahren – das war die Absicht von Inge Poxleitner,(Jahrgang 1927), die als Mädchen und junge Frau den Mauther Kunstmaler und dessen Frau Sophia persönlich kennengelernt hat. Im Sommer 2007, neun Jahr vor ihrem Tod, schrieb sie daher ihre Erinnerungen an das kärgliche Leben des Ehepaars in jenem Bayerwald-Dorf an der bayerisch-böhmischen Grenze auf, die im Folgenden ein weiteres Mal – dank des Engagements des Freyunger Heimatkundlers Max Raab – weitestgehend wortgetreu wiedergegeben werden können.
Einsam und völlig allein ging er seinen Lebensweg weiter. Von den Menschen des Dorfes gemieden, verachtet, weil er nur Armut kannte. Wie heißt es doch so treffend: Bist du arm, bist du nichts. Doch er liebte die Bewohner des Dorfes. Er freute sich, wenn er einmal einen Gruß bekam. Niemals kam Franz Staller mit der Polizei in Konflikt. Und wenn er ab und zu was in seinem Umhang verschwinden ließ, was ihm nicht gehörte, so machte er das nur in der größten Notlage.
Wir vermissten ihn gar
Nach dem Krieg, nach 1945, verarmte der Künstler noch mehr. Die Lebensmittel waren knapp, Geldnot herrschte, das Notgeld während der Besatzungszeit, dann die Währungsreform zur D-Mark, die 40 Mark Kopfgeld pro Person. Wer sollte in dieser Zeit noch Staller-Bilder kaufen? Das wenige Geld von der Gemeindefürsorge reicht ihm nur für ein paar Tage im Monat. Dann stillte er ausgiebig seinen Hunger und kaufte sich auch Tee und Tabak. Seine Ration einteilen, das konnte er nicht, da brach seine reiche Jugendzeit wieder hervor, das einst bessere Leben. So gestaltete sich das Leben von Franz Staller im weiteren Verlauf.
Unvergessen blieben mir die guten Werke meiner Mutter am Ehepaar Staller. Später aber wollte oder konnte sie die vielen Bilder als Gegenleistung für Lebensmittel und andere Waren nicht mehr akzeptieren. Im Nachhinein betrachtet ein Fehler meiner Mutter – dem Menschen Staller und der Kunst gegenüber.
Im Jahr 1952 heiratete ich meinen Mann, Alfons Poxleitner. Er schätzte Franz Staller sehr. Dieser kam weiterhin in all den Jahren in unseren Gemischtwarenladen und besorgte sich seine Waren. Unsere Familie gewöhnte sich an sein regelmäßiges Kommen, vermissten ihn gar, wenn er einmal längere Zeit nicht kam. Doch mein Sohn Josef (geb. 1952) hatte als Kind schreckliche Angst vor ihm. Schon wenn er ihn sah, versteckte sich der Bub. Auch die anderen Kinder des Dorfes sahen in Franz Staller den gefürchteten „Schwarzen Mann“. Nicht zuletzt wegen seiner schwarzen „Zaubererkleidung“, wie sie meinten. Sicher schmerzte den Künstler die Angst der Kinder, da er sie sehr mochte.
Die geheimnisvolle Höhle des Zaubermeisters
Einige von ihnen durften Franz Staller in seiner Wohnung manchmal besuchen. Mit Angst betrachteten die Buben und Mädchen den dunklen Zauberbereich des „Stallermann“. In ihrer Fantasie erlebten sie die geheimnisvolle Höhle des Zaubermeisters mit der
unheimlichen, dunklen Umgebung seiner Werkstatt.
Meine Nachbarin erzählte mir einmal, welche Angst sie ausstand, als sie als Kind Franz Staller besuchte. Auch erwachsene Leute haben, nachdem sie in Stallers Zimmer schauten, die Türe wieder schnell zugemacht. Der Wohnzustand lässt sich kaum schildern. Zu Stallers Zeiten gab es hinter dem Mauth-Haus ein altes, aus Holz gebautes Haus. Es lag am Rand des Blöchl-Waldes. In diesem Haus befand sich eine Wagnerwerkstatt. Besitzer war damals Sepp Hable. Später wurde das alte, romantische Haus verkauft und zu einer Jugendherberge umgebaut. Ein schönes Bild dieser alten Jugendherberge wurde von Franz Staller angefertigt. Es ist im Besitz des Ehepaars Brämer.
Ein weiteres Bild aus der Malerwerkstatt Stallers ist – so denke ich zumindest – ein altes Heilig-Bruder-Konrad-Bildnis in der Pfarrkirche Finsterau. Ein sehr gut gemaltes Portrait. Da Franz Staller keines seiner Werke signierte, bin ich mir über die endgültige Herkunft des Bildes aber nicht ganz sicher.
Der Staller ist tot
Mit den Jahren hatte Franz Staller an Krankheiten gelitten. Aber er klagte nie. Ein eiserner Wille lebte in ihm. Er behielt immer seinen aufrechten Gang. Seine Haare wurden nicht grau. Doch durch die Jahre mit andauernden Entbehrungen verlor er allmählich seine zähe, körperliche Kraft. In den Wintermonaten verließ er immer seltener seine armselige, kalte Behausung. Das Brennholz war knapp. Holz zu holen in der Umgebung fiel ihm immer schwerer. Manchmal lag er tagelang im Bett, nur um sich warm zu halten. Der Ofen war kalt, der Wind pfiff durch alle Ritzen. An solchen Tagen fror und hungerte Franz Staller sehr. Doch im Dorf kümmerte dies niemanden. Meine Nachbarin und Freundin, Berta Kandlbinder, bemühte sich öfter um ihn und versorgte ihn mit Essen.
Plötzlich lief eines Tages die Nachricht durchs Dorf: Der Staller ist tot. Meine Mutter und ich und auch die Leute im Dorf waren sehr betroffen und auch traurig. Es lag eine unausgesprochene Schuld über uns allen im Dorf. Franz Staller starb an Kälte und Unterernährung am 11. Februar 1956 im Krankenhaus Freyung. Nach seinem Tod wurde die Wohnstätte geräumt. Gerne hätte ich den Wohnraum des Künstlers noch einmal besichtigt. Auf der anderen Seite zögerte ich wegen der Verschmutzung und des Dramas, das sich in der Wohnung ereignete.
Meine Freundin, Berta Kandlbinder, half bei der Entsorgung der Möbel und Wohnutensilien und fand dabei als Erinnerungsstücke einige Bilder. Die abschließenden Räumarbeiten wurden vom Hausbesitzer Blöchl durchgeführt. Seine Habseligkeiten, sein Eigentum, Malutensilien und die Staffelei gelangten auf die Schutthalde der Gemeinde Mauth und wurden dort verbrannt.
Kein Vergessen
So ging die Ära Franz Stallers, eines tapferen Mannes und bemerkenswerten Künstlers und einem der letzten Originale des hinteren Bayerischen Waldes, zu Ende. Ich schreibe, weil Franz Staller und seine Ehefrau Sophia nicht vergessen werden sollen. Alle, die diesen Bericht lesen, mögen in aller Stille dieser beiden bemerkenswerten Menschen in Liebe und Achtung gedenken.
Max Raab/ da Hog’n
Im neunten und letzten Teil unserer Serie über Franz Staller berichtet der Mauther Bürger Sepp Beer über seine Erinnerungen an den (fast) vergessenen Kunstmaler. Ebenso wirft Heimatkundler Max Raab einen resümierenden Blick auf sein Leben.