Praßreut/Röhrnbach. Zunächst einmal ist es eine positive Nachricht, wenn im einstigen „Armenhaus“ Bayerischer Wald ein Betrieb erweitern möchte – und somit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen sowie Gewerbesteuern generiert werden. Doch bekanntlich ist nicht gleich alles Gold, was glänzt. Denn wirtschaftliche Interessen stehen heute nicht allein auf weiter Flur. Ebenso müssen etwa Natur- und Lärmschutzbelange bei derartigen Vorhaben beachtet werden, weshalb es oftmals zu Kontroversen kommt. Das Gewerbegebiet Praßreut-Winkeltrumm ist in dieser Hinsicht ein Musterbeispiel. Dort steht, wie jüngst berichtet, eine neuerliche Erweiterung des Logistikunternehmens im Raum – ein entsprechender Antrag soll frühestens im April im Marktgemeinderat Röhrnbach behandelt werden. Die dazugehörigen Diskussionen sind jedoch längst im Gange…
Auf der einen Seite ist da Christian Binder, Geschäftsführer von ASB Logistics, der eine Erweiterung seines Betriebes anstrebt. Auf der anderen Seite sind da die Interessengemeinschaft „Ja zur schönen Heimat! Nein zur Erweiterung des Gewerbegebiets“ um Michaela Lorenz, die um die Lebensqualität ihrer Heimat bangt, sowie die Naturschützer, die vor einem zerstörerischen Eingriff in Flora und Fauna warnen. Und irgendwie dazwischen drin steht Röhrnbachs Bürgermeister Leo Meier, der einerseits seinen Wählern gegenüber verpflichtet ist, deren Sorgen und Wünsche zu beachten. Der aber andererseits natürlich um die (wirtschaftliche) Weiterentwicklung seiner Kommune kämpft.
Gibt es wirklich keine geeigneteren Alternativstandorte?
Diese unmittelbar betroffenen Parteien sind im Rahmen der Hog’n-Berichterstattung zu diesem Thema Ende Februar bereits ausführlich gehört worden. Doch gibt es inzwischen mehrere Blöcke, die sich mit dieser Angelegenheit auseinandersetzen. Allen voran auch der Bund Naturschutz in Bayern (BN).
„Nach der langwierigen und leider wieder aufgelebten Diskussionen um das Gewerbegebiet Praßreut zeigt nun auch die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets Prombach vor allem eines: Die Gemeinden sind bei der Planung von Gewerbeflächen allein gelassen und haben keine brauchbaren Instrumente an der Hand“, lässt Dr. Peter Mayer, Vorsitzender der Kreisgruppe Freyung-Grafenau des BN, via Presseinformation mitteilen.
„Wir brauchen endlich ernsthafte Bemühungen, den Flächenfraß zu reduzieren. Warum sollte nicht ausgerechnet der Landkreis Freyung-Grafenau ein Musterbeispiel dafür liefern, wie man es besser machen kann? Dafür liefert die Bürgerinitiative ‚Grüne Gewerbeparks in FRG‘ Vorschläge von überregionaler Bedeutung.“
In der Meldung heißt es weiter: „Wir stehen – auch in Freyung-Grafenau – vor der großen Herausforderung, den rasant fortschreitenden Flächenfraß zu verlangsamen. Dafür braucht es zukunftsgerichtete, am besten landkreisweite – vielleicht auch landkreisübergreifende – Konzepte statt kleinteiliger Zersiedelung.“ Im Fall eines Gewerbegebietes für Gemeinden im Landkreis hieße das konkret: „Gibt es Leerstände? Gibt es Konversionsflächen, die genutzt werden können? Gibt es wirklich keine geeigneteren Alternativstandorte? Gab es eine landkreisweite Gewerbeflächenpotentialerhebung? Besteht der Bedarf wirklich?“
Wie sind wirtschaftliche Interessen, Lärm- und Naturschutz vereinbar – diese Frage hat das Onlinemagazin da Hog’n den regionalen Landtagsabgeordneten gestellt:
„Es ist gewährleistet, dass alle Belange berücksichtigt werden“
Max Gibis (CSU): „Es liegt in der Planungshoheit der Gemeinde, ob und wie Flächen entwickelt werden. Sollte sich eine Gemeinde dazu entscheiden, irgendwelche Flächen zu entwickeln – egal, ob als Wohnbaugebiet oder als Gewerbegebiet – äußert sie diesen Willen in einem Aufstellungsbeschluss. Im Anschluss daran erfolgt eine umfangreiche Anhörung aller relevanten Fachstellen und auch der Bevölkerung. Dabei müssen alle bestehenden gesetzlichen Regelungen beachtet und alle Einwände fundiert abgewogen werden. Deshalb ist es oft ein langer Weg bis zur endgültigen Genehmigung.
Gerade die Bedeutung und Berücksichtigung aller umweltrelevanten Fragen hat dabei in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Oft ist es den Gemeinden deshalb gar nicht mehr möglich, sich baulich in ausreichenden Maße zu entwickeln. Diese Problematik sehen wir gerade in wirtschaftlich starken Regionen, in denen die Wohnraumschaffung ein riesiges Problem darstellt, was zu Folge hat, dass die Bau- und Mietpreise fast explodieren. Durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise bei der Aufstellung eines Bebauungsplans ist gewährleistet, dass alle Belange genügend berücksichtigt werden.“
„Ich stehe an der Seite der Bürgerinitiative“
Toni Schuberl (Grüne): „Es war eigentlich fast zu erwarten. Das ist die typische Taktik, dass man auslotet, was möglich ist und dann je nach Widerstand das Projekt auf mehrere Einzelschritte aufteilt. Der Bayerische Wald ist zu wertvoll, um als Lagerplatz für Autokonzerne missbraucht zu werden. Auch klimapolitisch ist es Unsinn, Fahrzeuge auf Laster in den Bayerischen Wald zu transportieren, um sie dann wieder abzuholen, nur damit die Firmen sich den teureren Grund neben ihren Werken sparen können.
Wenn es die Autokonzerne nicht schaffen, durch kluge Planung den Lagerbestand an Fahrzeugen zu reduzieren, sollen sie bei ihren Werken platzsparende Parkhäuser errichten. Das wird aber so lange nicht gemacht, so lange unser Boden zu billig ist. Wenn die Firma Platz für ihre Lkw braucht, dann soll sie die Lkw auf die jetzigen Pkw-Parkplätze stellen, da hat sie einen Platz von vier Hektar. Das dürfte für 40 Lkw leicht genügen und es haben dann sogar noch ein paar Autos Platz. Wenn eine Firma alles tut, um an einem völlig ungeeigneten Ort ein Gewerbe hinstellen zu können, dann darf sie sich nicht wundern, wenn Erweiterungen dort nicht mehr funktionieren. Ich stehe an der Seite der Bürgerinitiative und werde sie unterstützen.“
„Der Marktrat muss entscheiden, welchen Weg er gehen will“
Alexander Muthmann (FDP): „Statt Gewerbegebiete an allen möglichen Standorten auszuweisen, sollten die Kommunen durchaus auch über Gemeindegrenzen hinweg gemeinsam entsprechende Flächen festlegen, um ansiedlungs- und erweiterungswilligen Unternehmen im Bedarfsfall ein Angebot machen zu können. Eine maßvolle Entwicklung muss auch in Zukunft möglich sein. Das erfordert eine vorausschauende, das ganze Gemeindegebiet in den Blick nehmende Planung, ist aber der einzig sinnvolle Weg, um zu einer zukunftsträchtigen und ökologisch verträglichen Lösung zu kommen.
Das Gewerbegebiet Praßreut ist ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen soll: exponierte Lage mitten in der Landschaft, keine leistungsfähige Verkehrsanbindung, entstanden aufgrund des Wunsches eines einzelnen Unternehmers aus der Umgebung. Diese Grund-Entscheidung ist dort vor einigen Jahren gefallen und jetzt steht der Gemeinderat vor der Entscheidung, ob er Stück für Stück weiter nachgibt oder die Konsequenzen aus der höchst problematischen Standortentscheidung zieht. Für die handelnden Akteure wird es schwer werden, die Entwicklungsperspektiven des Unternehmers mit den Anliegen der Nachbarn in Einklang zu bringen. Der Marktrat von Röhrnbach muss jetzt entscheiden, welchen Weg er gehen will.“
„Wirtschaftliche Entwicklung und Naturschutz kein Gegensatz“
Manfred Eibl (Freie Wähler): „Die neuerliche Aktivität des Antragstellers kann meinerseits derzeit nicht so ganz nachvollzogen werden. Auch liegen mir dazu keine Informationen vor. Die Bedenken der Anlieger hinsichtlich der beabsichtigen Inanspruchnahme der gegenständlichen Grünfläche sind durchaus nachvollziehbar. Gleichwohl ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und hier konkret eine gewerblichen Entwicklung des Marktes Röhrnbach möglich sein muss. Eine scheibchenweise Entwicklung des genannten Gewerbestandorts finde ich persönlich als nicht zielführend. Denn Siedlungsentwicklungen sollten nach Möglichkeit in enger Abstimmung mit den Betroffenen erfolgen.
Diesbezüglich ist der Markt Röhrnbach gut beraten einen Interessensausgleich mit den Betroffenen wie auch Antragsteller herbeizuführen. Speziell im Fall Praßreut geht es jedoch um mehr als das Thema Flächenverbrauch – nämlich Verkehrsbelastung und -Sicherheit wie auch eventuelle Lärmimmissionen. Mit der Fortschreibung des Landesplanungsgesetzes wurde seitens der Bayerischen Staatsregierung ein umfänglicher Instrumentenkasten entwickelt, mit dem Flächensparmanager an der Höheren Landesplanungsbehörde bei Regierung von Niederbayern eingerichtet wurden. Speziell diese Fachleute sind nun mit in Vorhaben von Kommunen bei der Neuschaffung von Siedlungs- und Gewerbeflächen mit einzubinden. Die generelle Ausrichtung einer wirtschaftlichen Entwicklung von Kommunen in Konsens mit Natur und Umweltschutz muss keinen Gegensatz darstellen.“
Christian Flisek (SPD) war nicht dazu zu bereit, sich gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n zu diesem Thema zu äußern.
Helmut Weigerstorfer