Praßreut. Dass ihr Ort einmal derart durch die regionale und überregionale Medienlandschaft geistern würde, hätten sich dessen Bewohner wohl in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Seitdem sich das Unternehmen ASB Logistics in unmittelbarer Nachbarschaft zum kleinen Dörfchen in der Marktgemeinde Röhrnbach niedergelassen hat, sorgt Praßreut immer wieder für Schlagzeilen. Vor allem, seitdem klar ist, dass der Betrieb von Unternehmer Christian Binder eine großangelegte Erweiterung plant. Es haben sich zwei Fronten gebildet: Auf der einen Seite der nach Wachstum strebende Geschäftsmann. Auf der anderen Seite besorgte Anwohner, Bürger der Kommune und Naturschützer, die sich am Flächenverbrauch stören.
„Wir wollen und werden sachlich bleiben und nicht unter der Gürtellinie agieren“, betont Michaela Lorenz. Gemeinsam mit Paul Czegenyi und Beate Lichtenauer steht sie an der Spitze einer Interessengemeinschaft, die gegen die geplante Erweiterung des Logistik-Unternehmens kämpft. Die 39-Jährige, die in Goggersreut wohnt und somit einen guten Blick auf das ASB-Gelände hat, spricht einen sehr wichtigen Punkt an: Nicht nur sie möchte bei diesem hitzigen Thema einen kühlen Kopf bewahren und Emotionen außen vor lassen. „Es bringt doch nichts, wenn wir uns Beleidigungen um die Ohren werfen“, betont Michaela Lorenz. Vielmehr möchten sie und ihre Mitstreiter mit fundierten Argumenten überzeugen.
314 Bürger haben sich der Interessengemeinschaft angeschlossen
Apropos Argumente: Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, wird Christian Binder sicher seine Gründe haben, eine Erweiterung anzustreben. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass diese vorwiegend im betriebswirtschaftlichen Bereich angesiedelt sind. In diesem Zusammenhang sind jedoch nur Mutmaßungen möglich, da der Unternehmer trotz mehrmaliger Anfragen des Onlinemagazins da Hog’n bis dato nicht darauf reagiert hat. Somit bleiben viele Fragen offen. Beispielsweise, wie der gebürtige Praßreuter mit den vielen kritischen Stimmen umgeht. Und ob er die Einwände der anderen Seite zumindest ansatzweise nachvollziehen kann.
Während sich die ASB Fahrzeuglogistic GmbH in Person ihres Geschäftsführers in Schweigen hüllt, werden die Stimmen gegen ihr Vorhaben immer mehr und immer lauter. Direkt vor der Haustüre des weitum sichtbaren Fahrzeug-Umschlagplatzes hat sich der wohl intensivste, weil unmittelbar betroffene Widerstand gebildet. „Wir sind der Meinung, dass das Gewerbegebiet nicht erweitert werden darf. Es gibt einfach zu viele Argumente dagegen“, spricht Michaela Lorenz für mehr als 300 Bürger. Sie alle haben sich im Rahmen einer Unterschriftenaktion ihrer Initiative angeschlossen. „Beispielsweise fühlen sich die Anwohner von den vielen Lkw, die Fahrzeuge an- und abtransportieren, gestört. Und natürlich wäre die Natur einer der größten Verlierer dieser Erweiterung – Stichwort: Flächenfraß.“
Michaela Lorenz: „Die Natur geht uns alle an“
Gemeinsam mit Paul Czegenyi und Beate Lichtenauer trifft sich die 39-Jährige seit über einem Monat regelmäßig, um Aktionen des Widerstands in die Wege zu leiten. Dazu zählt die Unterschriftenaktion, aber auch eine Facebook-Seite mit dem Namen „Wir für Niederbayern“ wurde ins Leben gerufen.
Im Rahmen dieser Plattform versuchen Lorenz & Co. anhand von Beispielen aus dem gesamten Bezirk Niederbayern aufzuzeigen, wie irrsinnig eine derart große Flächenversiegelung aus ihrer Sicht ist. Und welche Störungen der Umschlagplatz für die Anwohner hervorruft. Die Größe der Region, die der Name der Facebook-Seite suggeriert, ist dabei bewusst gewählt. Denn: „Diese Erweiterung ist eine erhebliche Schädigung der Natur. Davon betroffen sind nicht nur wir rund um Röhrnbach, sondern ganz Niederbayern. Die Natur geht uns alle an.“
Ein Bürgerbegehren strebt die Interessengemeinschaft vor allem wegen der bürokratischen Hürden und der Langwierigkeit derzeit noch nicht an. Demonstrationen am Ort des Geschehens haben Michaela Lorenz und ihre Mitstreiter bereits ins Auge gefasst, davon aber wieder Abstand genommen. In der aktuellen Corona-Situation mit den jeweiligen Auflagen wäre es aus ihrer Sicht das falsche Zeichen, um dem Unmut Ausdruck zu verleihen. „Wir wollen mit Argumenten überzeugen“, unterstreicht die 39-Jährige nochmals. Persönliche Gespräche mit Christian Binder haben bisher nicht stattgefunden. Die Anhänger der Initiative waren lediglich bei der jüngsten Info-Veranstaltung des Unternehmers anwesend und brachten ihre Einwände vor.
„Zuerst soll die Bevölkerung aufgeklärt und gehört werden“
Unterstützung erfährt die Bewegung nicht nur aus der Bürgerschaft. Auch der Bund Naturschutz (BN) sowie der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl argumentieren in eine ähnliche Richtung und stehen der Interessengemeinschaft bei ihren Aktionen bei – auch nach außen hin. So hat der BN bereits eine Pressemitteilungen (12. August) zum Thema sowie einen Offenen Brief an den Naturpark Bayerischer Wald (26. August) an die Medien verteilt. Diesen Weg wählte auch MdL Schuberl, der sich u.a Anfang Juli an die Öffentlichkeit wandte.
Der Widerstand gegen die Erweiterung des Logistikzentrums Praßreut hat sich also nicht nur formiert, er hat inzwischen auch ein regionales sowie überregionales Gesicht bekommen. Die kritischen Stimmen zum sogenannten Sondergebiet Praßreut-Winkeltrumm sind also deutlich vernehmbar – und kommen auch dort an, wo die entsprechenden Entscheidungen gefällt werden.
Wie Röhrnbachs Bürgermeister Leo Meier unlängst gegenüber dem Hog’n verdeutlicht hat, nehmen er, der Marktrat, der letztlich seinen Segen für das Vorhaben erteilt oder nicht, sowie die Verwaltung die Einwände der Bürger sehr ernst. „Zuerst soll die Bevölkerung vollends aufgeklärt und gehört werden, dann wird der Gemeinderat informiert. Ist dies alles mit einem positiven Ergebnis erfolgt, wird das langwierige Verfahren in die Wege geleitet“, formulierte es Meier im Hog’n-Gespräch. Worte, die aufgrund der unveränderten Sachlage nicht an Aktualität verloren haben.
Helmut Weigerstorfer