Tiefenbach. Vielfach ist von den „fleißigen Bienen“ die Rede, vom Fleiß der Imker hört man hingegen seltener. Das klingt ein bisschen so, als könne so ein Bienenzüchter den lieben langen Tag auf der faulen Haut liegen, um am Ende nur noch das zu ernten, was seine schwarz-gelben Helferlein von der Nektarjagd mitbringen. Das Gegenteil ist der Fall, weiß Fritz Schürzinger: „Im Sommer ist das Imkern ein Full-Time-Job – ohne Urlaub, ohne alles, zwölf oder 13 Stunden pro Tag.“ Bis heute betreut der 70-Jährige in seiner Bio-Imkerei in Tiefenbach 50 Bienenvölker, auch wenn er eigentlich bereits vor zehn Jahren in Rente gegangen ist.
Dass Schürzingers Imkerei das Zertifikat „Bio“ tragen darf, ist an strenge Auflagen gekoppelt. Genauer gesagt an die EU-Verordnung 889/2008 und 834/2007 „des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle“. Auf satten 122 Seiten wird hier aufgeführt, was so einen Bio-Honig eigentlich von einem „normalen“ unterscheidet. Schürzinger selbst weiß das alles etwas knackiger zu formulieren. Für den Imker aus Tiefenbach bedeutet 889/2008 und 834/2007 zuvorderst, dass er in seiner Arbeit ohne „Chemie“ auskommen muss. Ein Glas Honig aus dem Hause Schürzinger kostet somit in der Produktion rund einen Euro mehr, weil er zur Fütterung statt normalem Zucker Bio-Zucker verwendet. Bei 20 Kilo Futter pro Volk und Jahr kommt da einiges zusammen. Im Handel ist ein Glas Bio-Honig somit teurer, für einen Imker aber nicht zwingend lukrativer.
„Wenn eine Krankheit eintritt, muss man sofort eingreifen!“
Außerdem muss Schürzinger für ein artgerechtes Umfeld sorgen. Seine Bienenstöcke stehen neben den Feldern eines Bio-Bauern, die nur zwei bis drei Mal pro Jahr gemäht werden. Standplätze neben einem Industriegebiet oder einer Hauptstraße kommen nicht in Frage, das wäre mit der Bio-Zertifizierung nicht vereinbar. Was so einfach gar nicht ist, wenn man bedenkt, dass Bienen bis zu drei Kilometer weit fliegen, um Nektar zu sammeln. Pro Jahr liefert ein Volk 20 Kilo Honig – „im Schnitt“, wie der 70-Jährige betont. Denn in besonders schlechten Jahren können es auch mal nur fünf, in besonders guten Jahren auch mal 50 Kilo sein. Bio-Imkerei, weiß der Experte, „bedeutet, dass das Tierwohl an erster Stelle steht – geht es den Bienen schlecht, leidet auch der Imker“.
Nun, da der Sommer langsam zu Ende geht, beginnt für Fritz Schürzinger die ruhigere Zeit des Jahres. Von Ende März an wollen die Bienen betreut und gefüttert werden, müssen regelmäßig kontrolliert, neue Königinnen müssen gezüchtet und der Honig geerntet werden. „Es ist nie jeden Tag dieselbe Arbeit, man muss sich einfach nach der Natur richten“, erklärt er. Immer wichtiger wird die Kontrolle der eigenen Völker, denn Bienen werden heute häufiger krank als früher – „und wenn eine Krankheit eintritt, muss man sofort eingreifen“. Ein positiver Trend, den Schürzinger beobachtet, ist ihm zufolge der, dass Imker heute zunehmend besser geschult werden und auch bei Landwirten das Bewusstsein für den Bienenschutz steige. Die Behauptung, dass allein die Bauern am Bienensterben schuld seien, will er nicht gelten lassen.
„Heute kann jeder Imker werden“
Dass sich Schürzinger überhaupt an dem klebrigen Geschäft versuchte, war ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt worden – „bei mir war das eine Generationenfrage“. Nach Kriegsende begann sein Vater 1950 mit einer eigenen Bienenzucht.
Kurze Zeit später folgte auch der Sohn. „Meinen ersten Imkerkurs habe ich mit zwölf gemacht – und mittlerweile bin ich seit 58 Jahren dabei“, erzählt Schürzinger nicht ohne Stolz. Von 1972 an arbeitete er hauptberuflich als Bienenzüchter. Aus den 50 Bienenvölkern, die er von seinem Vater übernommen hatte, machte er 100. Ab 1985 arbeitete er dann am staatlichen Bienenprüfhof Kringell und betreute in Spitzenzeiten bis zu 300 Völker.
Um heutzutage Bienenzüchter werden zu können, muss man Talent samt Volk nicht mehr zwingend von den eigenen Eltern erben. „Heute kann jeder Imker werden“, betont Schürzinger. Hierzu bieten Imkervereine, wie etwa jener in Freyung, eigene Ausbildungen an. Rund 30 Einheiten, Theorie und Praxis braucht es, um das Handwerk mit den Bienen und den Blüten zu erlernen. Meist gibt’s dann als kleine Starthilfe auch ein Bienenvolk mit dazu. Wie in jedem anderen landwirtschaftlichen Beruf kann man – wie Fritz Schürzinger – auch die Ausbildung zum Imkermeister machen.
Winterruhe gibt’s nur für die Bienen
Wie das Interesse am Imkern selbst werde auch das Interesse an biologisch-produziertem Honig in den vergangenen Jahren ständig mehr, beobachtet der Tiefenbacher. Seinen Honig verkauft er privat sowie an die Biobäckerei Wagner. Auch in den Regalen von Edeka Schwaiberger etwa stößt man auf das Bio-Produkt aus Niederbayern. Kurzum: über Beschäftigungsmangel kann sich der 70-Jährige nicht beklagen.
Wenn es um diese Jahreszeit nun wieder kühler wird, neigt sich auch das Bienenjahr dem Ende zu. „Solange es nicht kälter als zehn Grad ist, fliegen die Bienen noch“, erläutert Schürzinger. Danach verkriechen sie sich in ihren Stöcken zur Winterruhe. Und während die fleißigen Bienen in diesen Monaten von ihren Vorräten zehren, beginnt der fleißige Imker – und das nicht nur in der Bio-Imkerei – bereits mit den Vorbereitungen fürs nächste Jahr.
Johannes Greß