Grafenau. Wie viel essbare Pilze findet man im Böhmerwald? An welchem Baum wächst der Rotrandige Baumschwamm? Und wie verbreitet ist der Blutmilch-Schleimpilz? Antworten auf diese Fragen gibt die neue Webseite pilze-ohne-grenzen.eu. Interessierte finden dort 12.000 Bilder und Verbreitungskarten von 4.200 Pilzarten sowie 3.000 Artbeschreibungen. Entstanden ist die Internetseite im Rahmen des nun abgeschlossenen Interreg-Projekts „Pilze des Böhmerwalds“ (da Hog’n berichtete), in dem der Nationalpark Bayerischer Wald als Leadpartner verantwortlich ist.
Seit dem Jahr 2017 war ein internationales Forscherteam um die Projektleiter Prof. Claus Bässler und Peter Karasch im Böhmerwald unterwegs, um die dort wachsenden Pilzarten zu kartieren, zu fotografieren und zu beschreiben. Das Projektgebiet läuft auf bayerischer Seite von der Waldnaab in der Oberpfalz entlang der Donau bis nach Passau und Linz, auf tschechischer Seite geht es bis zum Gratzener Bergland. Die beiden Nationalparks mit ihrer wilden Natur bilden das Herzstück des Forschungsgebiets.
„Pilze sind mehr als hundert Jahre vernachlässigt worden“
Nun, im Jahr 2020, ist das Projekt mit der Erstellung der neuen Webseite in deutscher, englischer und tschechischer Sprache abgeschlossen. „Wir sind mit unserer Arbeit sehr zufrieden und konnten mit 170.000 Funddaten von über 4.200 Pilzarten auch deutlich mehr zusammentragen, als wir uns vorgenommen hatten“, erklärt Peter Karasch. Aber gänzlich erforscht ist die Pilzwelt im Böhmerwald noch nicht. „Im Vergleich zu Pflanzen und Tieren sind die Pilze mehr als hundert Jahre vernachlässigt worden. Das braucht schon noch seine Zeit, um hier aufzuschließen.“
Mit der Datenbank, die nun zur Verfügung steht, habe man eine gute Wissensbasis, auf der man aufbauen könne. Besonders wertvoll für die Arbeit ist laut Karasch auch die gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn im Nationalpark Šumava und aus Österreich. „Es hat richtig Spaß gemacht. Die Kollegen sind fachlich sehr versiert und so haben wir uns kennen und schätzen gelernt.“ Vor allem dann, wenn es besondere und seltene Funde gab. „Davon hatten wir bestimmt mehrere Dutzend“, so Karasch. Auch die Entdeckungen des Buchenwald-Zärtlings oder des Bleichen Schüpplings gehören dazu. „Das sind Naturnähezeiger, die fast nur noch in Naturschutzgebieten, Naturwaldreservaten und eben in den Nationalparken zu finden sind.“
Eine deutsch-tschechisch-österreichische Zusammenarbeit
Auch Dr. Franz Leibl, Leiter des Nationalparks, freut sich über die vielen interessanten Entdeckungen, die im Laufe der Untersuchungen gemacht wurden. „Das Projekt war eine einmalige Gelegenheit, um das Wissen zur Pilzwelt im Böhmerwald länderübergreifend zu erfassen und auszubauen.“ Schließlich seien diese faszinierenden Organismen essenziell wichtig in allen natürlichen Stoffkreisläufen.
Dies sieht auch Pavel Hubený, Direktor der Nationalparkverwaltung Šumava, so. Das Projekt sei ein wichtiger Beitrag um nicht nur die Nationalparks, sondern die Region zu erkunden. „Diese Datenbank mit Tausenden von Pilzarten ist eine einzigartige Leistung. Ich bin überzeugt, dass es sowohl von Mykologen als auch von Pilzbegeisterten verwendet wird, von denen es in der Tschechischen Republik eine große Anzahl gibt.“ Dieses Projekt zeige, dass die Landesgrenzen keine Barrieren mehr darstellen. „Gemeinsam mit dem Nationalpark Bayerischer Wald und mit den Partnern aus Österreich können wir sinnvolle Projekte mit großem Mehrwert realisieren.“
Neben der Webseite ist im Rahmen der Kooperation auch die Broschüre „Pilze im Böhmerwald“ in deutscher und tschechischer Sprache entstanden. In dieser finden sich eine Übersicht der häufigsten Gift- und Speisepilze, Kurzporträts sogenannter Naturnähezeiger-Pilze sowie einige Raritäten. Die Broschüre ist in den Besucherzentren des Nationalparks kostenlos erhältlich.
da Hog’n