Haidmühle/Passau. Shish Kebab neben Schweinebraten: Die Speisekarte des „Kranabith – Farm2Table“ vereint typisch bayerische Gerichte mit arabischen Köstlichkeiten. Hinter dem eher unauffälligen Restaurant in der Nähe des Passauer Rathauses steckt eine inspirierende Geschichte sowie ein interessantes Konzept.
Wer durch Frauenberg in der Gemeinde Haidmühle fährt, kennt sie: „Unsere Verkehrsberuhigung“ nennt Jürg Sommer die Gänse, die gerne auf der Straße vor dem Biobauernhof liegen und partout nicht weichen wollen, wenn mal ein Auto vorbeikommt. Was diese Gänse, die übrigen Tiere auf dem Hof sowie das Gemüse und Obst, das hier wächst, mit einem bayerisch-arabischen Restaurant in Passau zu tun haben? Ganz einfach: Vieles, was dort auf der Speisekarte steht, kommt von jenem Frauenberger Bauernhof: Der Kürbis für die Kürbissuppe genauso wie das Rindfleisch für das Gulasch – oder auch das Ziegenkitzfleisch für das arabische Gericht „Safiha“.
Alte Haustierrassen und ganz besonderes Weiderind
„Farm 2 Table“ – so nennt sich das Konzept des Restaurants „Kranabith“. Die Inhaber Jürg Sommer und Hubert Müller bieten dort ihren Gästen all das an, was sich aus den Produkten ihres eigenen Biobauernhofes zaubern lässt. Doch sie verfolgen mit ihrer Gaststätte auch ein soziales Ziel: Hier finden Menschen Arbeit, die aus ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet sind. Auf der Speisekarte stehen daher neben bayerischen Gerichten auch arabische. Denn in der Küche des „Kranabith“ arbeiten zwei Syrerinnen. „Arabisch-bayerisch – das hat sonst keiner“, sagt der 57-jährige Hubert Müller und lacht.
Müller ist gebürtiger Haidmühler, Jürg Sommer (64) kam vor gut zwanzig Jahren hierher. Gemeinsam haben die beiden ein fast dreihundert Jahre altes Anwesen in Frauenberg gekauft. „Kranabith“ ist der Hausname des Hofes. „Ein altes Wort für Wacholder“, erklärt Jürg. „Das Bauernhaus stand seit Ende der Siebziger leer“, ergänzt Hubert. Sie mussten es von Grund auf renovieren, sprich: die Mauern im Inneren neu aufziehen, die Elektroinstallationen komplett erneuern, das Gebäude an die Wasserversorgung anschließen uvm. Huberts Bruder, ein Zimmerer, half dabei, das Haus in Holzständerbauweise nahezu gänzlich neu aufzustellen. Mit dem Ergebnis sind die beiden mehr als zufrieden: „Wenn du reinkommst, fühlst du dich einfach wohl“, befindet Jürg. „Im Holzhaus gibt es keine abgestandene, schlechte Luft. Nur den Stall riechst du natürlich überall“, sagt Hubert und schmunzelt.
Diesen haben sie ebenfalls renoviert und erweitert – und sich dann nach und nach ihre Tiere unters Dach geholt: „Mit vier Geißen haben wir angefangen“, erinnert sich der 57-Jährige. Und Jürg fügt hinzu: „Am Anfang haben wir im Winter das Wasser für die Geißen in Eimern aus dem Teich geschöpft. Auch bei zwei Metern Schneehöhe.“
Mittlerweile streifen rund um den Biohof etwa hundert Hühner, fünfzehn Gänse, zwanzig Ziegen und einige Katzen herum. Die beiden Hausherrn halten vor allem Tiere, die auf der roten Liste stehen – etwa alte Haustierrassen, die man in der konventionellen Landwirtschaft längst nicht mehr findet. Auch ihre zwanzig Rinder genießen rund um den Hof ihren „Freilauf“: Sie können vom offenen Stall jederzeit raus auf die angrenzenden Weideflächen wechseln.
Und es sind nicht irgendwelche Rinder, die in Frauenberg auf der Wiese stehen: „Wir wollten unbedingt das so genannte Höhenrotvieh haben“, berichtet Jürg. Eine Rasse, die sich perfekt für die Bedingungen in der rund 850 Meter hoch gelegenen Ortschaft im Unteren Bayerischen Wald eignet. Diese Rinder zu bekommen, sei jedoch mehr als kompliziert gewesen: Denn es gebe nur einen einzigen weiteren Hof in Bayern – in der Oberpfalz -, der diese Tiere hält. Von dort habe man schließlich die ersten Rinder bekommen – aus eigener Zucht ist mittlerweile eine ganze Herde in dem Haidmühler Ortsteil entstanden.
Arabisch-bayerische Küche: einzigartig in der Region
Das Fleisch der Tiere in einem Hofladen zu verkaufen, genauso wie die anderen Produkte, die ihr bio-zertifizierter Hof abwirft, das wollten die beiden Männer schon lange. Doch auch das sei überaus schwierig gewesen, was der Lage des Hofes außerhalb einer größeren Ortschaft geschuldet war. Und da sich ihr Angebot stets saisonal gestalte, müsse sich der Kunde überraschen lassen, was eben gerade zur Auswahl stehe und wie hoch die jeweilige Ernte ausgefallen ist. Denn sie betreiben extensive Landwirtschaft und arbeiten sehr naturnah: „Was mir die Natur gibt, hole ich raus. Mehr will ich nicht“, sagt Hubert.
„Dann haben wir zufällig in Passau das Restaurant gesehen und erfahren, dass der Betreiber bald ein neues Lokal eröffnen und ausziehen will“, erzählt Jürg. Und so entstand sie: Die Idee in der Schrottgasse 10 ein bayerisch-syrisches Restaurant zu eröffnen, wo sie mit Erzeugnissen hantieren können, die sie auf dem eigenen Biohof produzieren. Aber auch hier gilt der Grundsatz: Es gibt nur das, was der Hof und die Zucht der alten Rassen hergibt. Wenn der Bedarf für das Restaurant höher ist, kaufen sie von anderen Höfen zu.
Gleichzeitig wollte Hubert einen weiteren Gedanken mit dem Restaurant verwirklichen: für geflüchtete Menschen, die in Deutschland ein neues Leben beginnen wollen, einen Arbeitsplatz zu schaffen. Er engagiert sich bereits seit 30 Jahren für Flüchtlinge, die in Haidmühle gelandet sind. „Anfang der 90er, während der ersten größeren Welle, kamen vor allem Menschen aus Afrika zu uns“, erinnert er sich. Schon damals habe er ihnen bei Behördengängen und bei der Bewältigung des Papierkrams geholfen. Als dann 2015 Menschen aus Syrien in das Bayerwalddorf an der bayerisch-tschechischen Grenze kamen, war er von Anfang an beim Helferkreis aktiv – und ist immer noch für die Flüchtlinge erreichbar, die Haidmühle längst wieder verlassen haben. Ein junger Syrer wohnt seit einigen Wochen bei Hubert und Jürg im Bauernhaus.
Flüchtlinge sollen das Restaurant irgendwann übernehmen
Jürg und Hubert können sich gut vorstellen, dass sie die Leitung des Restaurants einmal in die Hände ihrer Mitarbeiter legen – sie selbst würden sich gerne ganz zurückziehen. Denn Hubert managt neben Biohof und Restaurant auch noch ein Hotel in Haidmühle – und ist dadurch sieben Tage die Woche voll eingespannt. Und Jürg ist eigentlich schon im Ruhestand, er hat zuvor viele Jahre am Münchner Flughafen gearbeitet und ist häufig zwischen Job und Hof in Frauenberg hin und her gependelt.
Nun arbeitet er im „Kranabith“ im Service und pendelt wieder: jeden Tag hin und zurück etwa 90 Kilometer. Trotz der Fahrerei sagen die beiden Inhaber übereinstimmend, dass ein Restaurant mit diesem Konzept in Haidmühle keine Chance gehabt hätte, dass Passau genau der richtige Standort sei: „Es gibt einfach zu wenig Leute hier in der Gemeinde.“ Und: In Passau seien die Menschen sehr aufgeschlossen gegenüber Neuem: „Die arabischen Gerichte, vor allem auch die vegetarischen, gehen besser als das typisch Bayerische“, freut sich Jürg.
Sabine Simon