Röhrnbach/Praßreut. Einen besonders „krassen Fall von Flächenfraß und Versagen von Politik und Verwaltung beim sorgsamen Umgang mit Boden und Landwirtschaftsfläche im Vorfeld des Nationalparks Bayerischer Wald“ prangert der Bund Naturschutz (BN) an, wie dieser per Pressemeldung mitteilt. Trotz umfangreicher Einwände von Anwohnern habe die Gemeinde Röhrnbach die Änderung des Flächennutzungsplans „Sondergebiet Praßreut-Winkeltrumm“ beschlossen und bereits mit den Erdarbeiten zur Geländenivellierung begonnen, obwohl weitere benötigte Baugenehmigungen vom Landratsamt bis dato nicht erteilt seien. Der BN lehnt das geplante „Sondergebiet Fahrzeug- und Transportlogistik Praßreut -Winkeltrumm“ auf der grünen Wiese entschieden ab – und wirft Politik und Behörden Tatenlosigkeit beim Flächen- und Landschaftsschutz vor.
„Die Ziele der Staatsregierung zum Schutz von Natur und Landschaft sowie wertvollem Ackerland sind wertlos, wenn ohne Alternativenprüfung rücksichtlos private Gewinninteressen von den kommunalen Entscheidungsträgern in der Gemeinde und dem Landratsamt durchgesetzt werden“, kritisiert BN-Landesbeauftragter Richard Mergner. „Wir hoffen, dass dieser Landschaftsverbrauch noch gestoppt werden kann“, pflichtet ihm Freyung-Grafenaus BN-Kreisvorsitzender Peter Mayer bei.
BN befürchtet negative Präzedenzwirkung für gesamten Woid
Landesverband und Kreisgruppe des Bund Naturschutz hatten sich von Anfang an gegen dieses Vorhaben ausgesprochen und den Widerstand der betroffenen Dorfbewohner unterstützt. Bereits in den Stellungnahmen lehnte die BN-Kreisgruppe die Änderung im Flächennutzungsplan ab. „Denn die negativen Auswirkungen für die Menschen, wie etwa die Verkehrszunahme auf den engen Zufahrtsstraßen zum Sondergebiet wären erheblich“, heißt es von BN-Seite. Im Februar seien bei einem Ortstermin die drohenden Schädigungen der wertvollen Lebensräume am Freibach thematisiert worden.
Den Hauptkritikpunkt des BN stelle die Verschandelung des Landschaftsbilds aufgrund der exponierten Hanglage an einem landschaftsprägenden Höhenrücken dar, was mit den Vorgaben des Naturparks nicht zu vereinbaren sei. Auch von einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung könne keine Rede sein, wenn ein „Industriegebiet“, um das es sich dem BN zufolge de facto handelt, fast so groß sei wie das direkt angrenzende Dorf. Zudem sei die Gemeinde bereits im Besitz von sechs Gewerbegebieten.
„Wenn dieses Vorhaben realisiert werden sollte, befürchten wir eine negative Präzedenzwirkung für den Naturpark und den Landschaftsschutz insgesamt im Bayerischen Wald“, erklärt Peter Mayer. Der BN habe sich deshalb im März mit entsprechenden Schreiben an die zuständigen Behörden und Politiker gewandt und sie dazu aufgefordert, das Vorhaben am Standort Praßreut zu verhindern. Zumindest müsse aber eine ernsthafte erneute Prüfung von Alternativen in bestehenden, noch freien Gewerbegebieten der Region sichergestellt werden.
Landrat Gruber: „Umstritten, aber: Planungshoheit bei Gemeinde“
Landrat Sebastian Gruber habe dazu zwar mit dem Satz geantwortet: „Das Vorhaben ist zweifellos umstritten.“ Er weise jedoch darauf hin, dass Planungshoheit und -ermessen bei der Gemeinde liege. Weiter habe er mitgeteilt, dass der Abwägungsprozess der Gemeinde überprüft werden würde. Auch das Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ALE) habe zugesichert: „Gleichwohl wird das ALE Niederbayern auf den Markt Röhrnbach zugehen, um in Gesprächen die derzeit noch gegebenen Möglichkeiten einer zugleich wirtschaftlichen und ökologischen nachhaltigen Lösung für das Transport- und Logistikzentrum auszuloten.“
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bedauere indes: „Insbesondere die Untere Naturschutzbehörde hat sich kritisch zur gemeindlichen Planung geäußert. Solange sich die Gemeinde im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen garantierten Planungshoheit bewegt, hat der Staat keine rechtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme auf einen gemeindliche Bauleitplanung.“
Der BN reichte Ende Juni eine Petition namens „Keine Zersiedelung und Verschandelung der reizvollen Landschaft des Naturparks Bayerischer Wald – Für eine landschaftsgerechte Gewerbeentwicklung in der Gemeinde Röhrnbach im Landkreis Freyung-Grafenau“ beim Bayerischen Landtag ein, um die Ausweisung des Sondergebiets noch zu verhindern. Ebenso unterstützt der Bund Naturschutz die Bewohner und die Bürgerinitiative bei der Prüfung von Klagemöglichkeiten gegen den Bebauungsplan.
Gde. Röhrnbach: „Alle relevanten Belange ausführlich bearbeitet“
Eine Anfrage des Onlinemagazins da Hog’n an die Gemeinde Röhrnbach hatte Geschäftsleiter Bernhard Ilg vor wenigen Wochen wiefolgt beantwortet:
- Für die Ausweisung des Sondergebiets „Praßreut-Winkeltrumm“ wurden zwei Bauleitplanverfahren durchgeführt: die Änderung des Flächennutzungsplans des Marktes Röhrnbach durch das Deckblatt Nr. 43 und die Aufstellung eines Bebauungsplans „SO Praßreut-Winkeltrumm“ (Sondergebiet für Fahrzeug- und Transportlogistik). Die Flächennutzungsplanänderung wurde vom Landratsamt Freyung-Grafenau mit Bescheid vom 11.04.2017 genehmigt, für den Bebauungsplan war keine Genehmigung erforderlich, da dieser aus dem (geänderten) Flächennutzungsplan entwickelt ist.
- Laut Bescheid des Landratsamtes vom 11.04.2017 war die Genehmigung für die Flächennutzungsplanänderung zu erteilen, weil Versagungsgründe nicht vorliegen (…das Flächennutzungsplan-Deckblatt Nr. 43 ordnungsgemäß zustande gekommen ist und es weder dem Baugesetzbuch noch den aufgrund des Baugesetzbuches erlassenen sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht…).
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Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange kamen Einwände und Anregungen, die vom Gemeinderat behandelt bzw. abgewogen wurden. Sie bezogen sich u. a. auf die Standortwahl, die Größe des Gebiets, die Verkehrssituation, auf Belange des Naturschutzes und des Immissionsschutzes.
- Die gewerblich nutzbare Fläche ist ca. 3,2 ha groß. Für Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft wird eine Fläche von ca. 3,25 ha beansprucht. Die Fläche für Anpflanzungen (Eingrünung der Betriebsfläche) beträgt ca. 0,8 ha.
- Das Sondergebiet ist ausschließlich für einen Fahrzeug- und Transportlogistikbetrieb bestimmt. Geplant ist, dass auf dem Gelände Pkws entweder zwischengelagert und nach einer gewissen Zeit wieder abtransportiert werden oder vor Ort veredelt bzw. fertiggestellt werden (z. B. Einbau von Autoteilen).
- Die Gemeinde Röhrnbach besitzt aktuell selbst keine Gewerbegebiete oder gewerblich nutzbaren Grundstücke. Sie ist – mit dem Markt Perlesreut – am interkommunalen Gewerbepark B12 Prombach beteiligt. Hier wäre jedoch eine Ansiedlung des geplanten Betriebes – aus Platzgründen – nicht möglich.
- Im Rahmen der beiden sehr umfassenden Bauleitplanverfahren wurden alle relevanten Belange ausführlich bearbeitet. Es wurden u. a. eine Standortanalyse, ein Grünordnungsplan mit Umweltbericht, ein schalltechnisches Gutachten, Geländeschnitte und ein Beleuchtungskonzept erstellt. Die Eingriffe in die Natur und Landschaft werden auf einer Fläche im Anschluss an das Betriebsgelände sowie auf einem externen Grundstück ausgeglichen. Eine umfangreiche Eingrünung soll dazu beitragen, dass sich der Betrieb gut in das Landschaftsbild eingliedert.
„Gemeinde ist nicht im Besitz von Gewerbegrundstücken“
Auf erneute Nachfrage wird dem Hog’n gegenüber mitgeteilt:
- Um welchen Betrieb handelt es sich genau?
Antwort: Antragsteller ist Herr Christian Binder aus Praßreut bzw. Transporte Binder Christian aus Praßreut.
- Sie schreiben, dass die Gemeinde Röhrnbach zwar aktuell keine Gewerbegebiete oder gewerblich nutzbaren Gebiete besitze – doch: Es gibt bereits bestehende Gewerbegebiete: Um wie viele handelt es sich? Welche Gesamtfläche haben diese?
Antwort: Sicher sind im Gemeindegebiet Gewerbegebiete vorhanden. Die Gemeinde selbst ist jedoch nicht im Besitz von Grundstücken, die gewerblich genutzt bzw. für eine Betriebsansiedlung angeboten werden könnten.
- Welche Maßnahmen sind in Sachen Verkehrsanbindung des neuen Gewerbegebiets geplant? Sind die derzeit bestehenden Zufahrtsstraßen zum geplanten Sondergebiet ausreichend?
Antwort: Die Zufahrt erfolgt von der Kreisstraße FRG 2 weg über eine Gemeindeverbindungsstraße. Bei der vorhandenen Straßenbreite von 4,50 m ist bei entsprechender Geschwindigkeit der Begegnungsfall Lkw / Pkw möglich. Auf beiden Seiten sind befestigte Fahrbahnseitenstreifen, so dass eine Raumbreite von mindestens 5,50 m vorhanden ist. Bei einem Begegnungsfall Lkw / Lkw kann auf die Seitenstreifen ausgewichen werden. Aufgrund der kleinräumlichen Erschließungsfunktion mit einer damit verbundenen eher geringen Anzahl von Begegnungsfällen Lkw / Lkw ist die Zufahrtstraße als geeignet zu betrachten.
Landratsamt: „Kein Vorrangprinzip für öffentliche Belange“
Karl Matschiner, Pressesprecher am Landratsamt Freyung Grafenau, kann auf Hog’n-Nachfrage folgende grundsätzliche Anmerkungen zum Thema Bauplanungsreucht mitteilen:
„Für die Schaffung von Baurecht ist die Änderung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung eines Bebauungsplanes für die betroffenen Grundstücksflächen erforderlich. Der Flächennutzungsplan trifft die Aussage, ob auf der beplanten Fläche die gewünschte Bebauung grundsätzlich möglich ist. Ein Baurecht ergibt sich hieraus nicht.
Erst durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes wird Baurecht geschaffen. Der Bebauungsplan regelt die Bebauungsmöglichkeit im Detail und hat eine wesentlich höhere Planungsschärfe als der Flächennutzungsplan. Auf dieser Planungsebene stellen sich daher erst die Detailfragen, z.B. Lärmschutz, Eingriff in den Naturhaushalt, Ausgleichsmaßnahmen, Einbindung in das Landschaftsbild usw. Der Bebauungsplan ist nicht genehmigungspflichtig. Das Landratsamt erteilt hierzu keine Genehmigung.
Genehmigungspflichtig ist lediglich die Änderung des Flächennutzungsplanes. Diese Planung erschöpft sich – wie oben beschrieben – lediglich in der Darstellung einer bestimmten Nutzung auf einer bestimmten Fläche. Eine konkrete Planung erfolgt nicht. Deshalb stellen sich viele Fragen erst bei der Aufstellung des Bebauungsplanes, wenn die konkrete Planung vorliegt, und sind bei der Überprüfung des Flächennutzungsplanes auf dessen Genehmigungsfähigkeit nicht relevant.
Die Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen obliegt den Gemeinden im Rahmen ihrer Planungshoheit in eigener Zuständigkeit. Diese Planungshoheit ist Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden. Aus dieser Planungshoheit erwächst auch ein Planungsermessen. So kann eine Gemeinde im Rahmen eines ordnungsgemäßen Abwägungsprozesses bestimmte betroffene Belange geringer und andere betroffene Belange stärker gewichten, sodass ein betroffener öffentlicher Belang hinter einem anderen betroffenen Belang zurücktreten kann. Es gibt grundsätzlich kein Vorrangprinzip für bestimmte öffentliche Belange.“
„FN-Plan: Eine gerichtliche Überprüfung ist nicht möglich“
Zum konkreten Fall, dem „Sondergebiet Praßreut-Winkeltrumm“, erklärt sich das Landratsamt FRG wie folgt:
„Der Erlass eines Bebauungsplans setzt eine entsprechende Anpassung des Flächennutzungsplans voraus. Diese Flächennutzungsplanänderung wurde in einem eigenen Verfahren von der Gemeinde Röhrnbach durchgeführt. Hier wurden betroffene Fachstellen angehört und den Bürgern die Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Ebenfalls ist ein Abwägungsprozess von der Gemeinde durchzuführen und zu entscheiden, welchen Einfluss die Anregungen auf die Planung haben sollen. Am Ende des Verfahrens war durch das Landratsamt zu prüfen, ob die für eine Flächennutzungsplanänderung erforderliche Genehmigung zu erteilen war.
Einer Gemeinde kann z.B. durch mögliche Einwendungen der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) aufgrund der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes – die tatsächlich von der UNB am Landratsamt Freyung-Grafenau vorgebracht wurden – begegnet werden, indem man bei der Aufstellung des Bebauungsplanes grünordnerische Festsetzungen trifft, um diese Beeinträchtigung zu minimieren. Der Abwägungsprozess der Gemeinde Röhrnbach zur Flächennutzungsplanänderung war nicht zu beanstanden, sodass die Genehmigung des Flächennutzungsplanes erteilt werden musste. Nachdem keine Ablehnungsgründe vorlagen, wurde die Genehmigung des Deckblattes mit Bescheid vom 11.04.2017 auch erteilt. Eine gerichtliche Überprüfung ist nicht möglich, zumal der Flächennutzungsplan kein Baurecht schafft und somit auch nicht unmittelbar in Rechte Dritter eingreift.
Ein Baurecht für das Gebiet wird durch den Bebauungsplan des Marktes Röhrnbach geschaffen, der von diesem am 19.06.2017 in Kraft gesetzt wurde. Die Gemeinde hatte ein gesetzlich geregeltes Verfahren durchzuführen, in dessen Verlauf die betroffenen Fachstellen zu beteiligen waren und dem Bürgern die Möglichkeit zur Äußerung zu geben war. Mit den eingegangenen Anregungen hatte sich der Marktgemeinderat in einem Abwägungsprozess zu befassen. Am Ende des Prozesses steht die Feststellung der Gemeinde, ob bzw. wie die Belange in der Planung berücksichtigt werden.
Eine Genehmigung durch das Landratsamt war für den Bebauungsplan nicht erforderlich, so dass eine entsprechende rechtliche Überprüfung durch diese Behörde nicht erfolgte. Gegen den Bebauungsplan kann jedoch ein Normenkontrollantrag beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) gestellt werden. Die Rechtmäßigkeit wird dann im gerichtlichen Verfahren geprüft.“
da Hog’n
- „Wenn ein Dorf zum Parkplatz wird“ –> auch die Süddeutsche Zeitung berichtet über das Vorhaben in Praßreut
Für was in Röhrnbach Volksvertreter im Marktgemeinderat sitzen, weiß ich nicht.
Da wird sowieso alles durchgewunken..
Siehe Schule Kumreut, extrem viel Geld für einen Fußballplatz in Röhrnbach, obwohl bereits zwei Rasenplätze vorhanden sind, oder eben dieses Gebiet für diese Firma so zu verschandeln.
Darüber kann ich nur den Kopf schütteln!
Wann wird mann denn endlich kapieren, dass es so ned weidergeh kann. Es gibt anscheinend immer na Leid, de moanan, wenn ma unsan ganzn Grund und Boden zuabetoniert ham, dass ma dann unsa Gaid fressn kinan. I hob oiwei gmaont, in an Gemeinderat sitzn Leid mit Hirn. Aber anscheinend ned. Bravo
Röhrnbach. Guad goawat, weida so :-(