Freyung. Existiert eine Art „geheime Anlage“ zum Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern, in der ein Beschluss zum geplanten Fortbildungs- und Tagungszentrum (FTZ) in Freyung niedergeschrieben steht? Im offiziellen Koalitionsvertrag ist davon jedenfalls nichts zu finden. Weshalb sich nicht nur die Bürgerschaft der Kreisstadt – insbesondere nach dem gescheiterten Verwaltungsgerichtsvorhaben – die Frage stellt, ob und vor allem wann denn nun die polizeiliche Einrichtung in die einstige „Bavaria“-Klinik am Geyersberg Einzug hält. Das Onlinemagazin da Hog’n hat nachgefragt.
Zum Hintergrund: Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich hatte in der Dezember-Stadtratssitzung auf Nachfrage eines Stadtrates zum Fortbildungs- und Tagungszentrum im Gebäude der ehemaligen „Bavaria“ erwidert, dass dieses Projekt von der Staatsregierung fortgesetzt werde – und im Rahmen des Koalitionsvertrags beschlossen worden sei. Doch in dem 85 Seiten starken Pamphlet für die Legislaturperiode 2023 bis 2028 steht – wie bereits erwähnt – nichts dazu geschrieben. Gerüchten nach soll es jedoch eine nicht für die Öffentlichkeit bestimmte „Anlage zwei“ geben, deren Einsicht allein den Koalitionären der Staatsregierung vorbehalten ist.
Das sagen die hiesigen Freie-Wähler-Abgeordneten
Dazu nachgefragt beim Landtagsabgeordneten Martin Behringer (Freie Wähler), antwortet dieser: „Mir ist davon nichts bekannt und auf meine Rückfragen konnte mir niemand diese Theorie bestätigen.“ Thurmansbangs ehemaliger Bürgermeister fügt hinzu: „Die Einrichtung eines Fortbildungs- und Tagungszentrums für die Bayerische Polizei in Freyung wird laut aktueller Auskunft von Herrn Alexander Schmid, Landtagsbeauftragter des Innenministeriums, weiter kontinuierlich vorangetrieben.“
Die Überlegungen würden sich derzeit auf das Bavaria-Areal fokussieren – und es sei weiterhin geplant, dass im Endausbau des FTZ Fortbildungen, Workshops und Einsatztrainings für jährlich bis zu 4.000 Beamtinnen und Beamte der Bayerischen Polizei durchgeführt werden. „Die hierfür erforderlichen Planungen und Erhebungen erfolgen derzeit in enger Zusammenarbeit zwischen der Staatsbauverwaltung und der Bayerischen Polizei.“ Über den Erwerb des ehemaligen Klinikareals im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtags solle voraussichtlich im Frühjahr 2024 beraten werden.
Zudem informiert Behringer darüber, dass am 25. Januar 2024 der Sachverhalt Gegenstand eines Antrags von MdL Toni Schuberl, der vom Ausschuss Bauen, Wohnen und Verkehr über den aktuellen Planungsstand informiert werden wollte, gewesen sei. „Auch im Ausschuss wurde betont, dass das Fortbildungszentrum der Polizei in Freyung keine Kompensation für die abgelehnte Verlagerung des Verwaltungsgerichts darstelle. Vielmehr sei dies als Beleg aufgeführt worden, dass es eine für Freyung deutlich sinnvollere Art der Einrichtung gebe, die auf den Weg gebracht sei.“
Parteikollegin Roswitha Toso lässt über ihr Büro mitteilen, dass sie die Stellungnahme Behringers unterstütze und dazu nichts zu ergänzen habe. Auch der Mitarbeiter der Freie-Wähler-Landtagsabgeordneten verweist auf die Sitzung des Verfassungsausschusses am 25. Januar dieses Jahres und berichtet: „CSU-MdL Straub betonte dabei, dass er keinen Anhang zum Koalitionsvertrag kenne und sich diesbezüglich vereidigen lassen würde. Eine Anfrage an die Fraktion Freie Wähler seitens MdL Martin Behringer ergab, dass keine Anlage zwei erstellt und beschlossen wurde. Falls hierzu Anhänge erstellt und verbreitet werden würden, wäre dies ein Skandal und äußerst bedenklich.“
„Gehe davon aus, dass es auf der Kippe steht“
Grünen-MdL Toni Schuberl teilte gegenüber dem Hog’n unmittelbar nach der betreffenden Januar-Sitzung dazu Folgendes mit:
„Wir Grünen gehen davon aus, dass es eine geheime Zusatzvereinbarung zwischen CSU und FW gebe, in der beispielsweise die genaue Zuständigkeit Aiwangers geregelt sei. Ob da noch weitere Dinge drinstehen, wissen wir nicht. Wir bekommen diese Vereinbarung nicht. Im Verfassungsausschuss wurde erst ganz klar gesagt, dass es solch eine Vereinbarung gar nicht gebe, auf explizite Nachfrage von mir, wurde dies von den Abgeordneten nicht mehr so deutlich wiederholt, sondern darauf verwiesen, dass eine Vereinbarung zweier Parteien nicht Gegenstand des Verfassungsausschusses sein könne.“
Und weiter: „Ich habe in der Sitzung die Abgeordneten von CSU und FW mehrfach aufgefordert, klarzustellen, dass das Polizeifortbildungszentrum nach Freyung kommen werde. Hierauf wurde mir die Antwort verweigert. Ich gehe also davon aus, dass auch das Polizeifortbildungszentrum auf der Kippe steht.“
„Das ist grober Unfug!“
CSU-Abgeordneter Stefan Ebner teilt auf Hog’n-Nachfrage mit, dass bezüglich des FTZ am Standort Freyung keinerlei „geheime Absprachen“ bestehen würden. Seine Aussage: „Das ist grober Unfug! In der Bayerischen Staatsregierung besteht Konsens, die beschlossenen Projekte der vergangenen Legislaturperiode grundsätzlich fortzuführen. Dieser Vereinbarung sehen sich beide Koalitionspartner – auch ohne explizite Benennung im Koalitionsvertrag – vollumfänglich verpflichtet.“
Selbstverständlich gilt Ebner zufolge der „Bestandsschutz“ demnach auch für das geplante Polizeifortbildungszentrums am Standort Freyung, dessen Umsetzung weiter vorangetrieben werde. „Über den Erwerb des ehemaligen Klinikareals soll nach meinem Kenntnisstand noch im Frühjahr 2024 im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtags beraten werden.“
Sein Parteikollege Josef Heisl äußert sich über sein Büro kurz und knapp wie folgt: „Als Mitglied im Innenausschuss des Bayerischen Landtags kann ich die Planungen eines Tagungs- und Fortbildungszentrums der Bayerischen Polizei in Freyung nur begrüßen. Von Gerüchten weiß ich nichts – letztlich spielen auch nur Fakten eine Rolle.“
Das Bayerische Staatsministeriums des Innern geht gar nicht auf unsere Frage zum „Anlage-zwei-Gerücht“ ein und verweist an die Bayerische Staatskanzlei – die bis zum aktuellen Zeitpunkt nicht auf Hog’n-Nachfrage reagiert. Zum aktuellen Stand der Planungen heißt es aus dem Ministerium, dass die Einrichtung „weiter kontinuierlich vorangetrieben wird“.
Ebenso bedeckt hält sich Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich. Auch er geht mit keinem Wort auf etwaige Gerüchte hinsichtlich einer „geheimen Anlage“ ein und sagt: „Die Stadt Freyung ist zwar bei ganz vielen Fragen der Vorbereitung beteiligt, jedoch nicht federführende Behörde.“
„Es wäre ein katastrophales Zeichen“
Indes hat sich MdL Toni Schuberl mit folgenden Worten an Innenminister Joachim Herrmann gewandt:
„Ich brauche Ihnen nicht von der Verunsicherung in meiner Region berichten, nachdem sowohl das Trainingszentrum für die SEK als auch nun das Verwaltungsgericht in Freyung gestrichen worden sind. Sie kennen die Situation. Nachdem nun gestern der Landtag meinen Antrag abgelehnt hatte, eine Kompensation für das entfallene Verwaltungsgericht zu befürworten, und jetzt gerade im Verfassungsausschuss sogar abgelehnt worden ist, Freyung als Standort für ein digitales bayerisches Registergericht zu prüfen, werden Sie verstehen, wenn ich besonders misstrauisch geworden bin.
Das Fortbildungs- und Tagungszentrum der Bayerischen Polizei in Freyung ist ein weiteres Projekt der Staatsregierung in meinem Stimmkreis, das nicht im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern zu finden ist.
Ich möchte ganz dringend darauf hinweisen, dass es ein katastrophales Zeichen wäre, wenn auch dieses Projekt nun gestrichen würde. Und ich glaube, dass ich da für alle demokratischen Abgeordneten der Region spreche, egal von welcher Partei sie stammen. Wir brauchen als Region nun Klarheit über dieses Projekt und Verlässlichkeit.“
Ob es Neues in Sachen Fortbildungs- und Tagungszentrum zu berichten gibt, wird sich am kommenden Montag, 18. März, in Eppenschlag zeigen. Dort findet eine Pressekonferenz mit dem Titel „Sach- und Umsetzungsstand aktueller Projekte im Stimmkreis Regen, Freyung-Grafenau (mit Schwerpunkt auf den Kabinettsbeschlüssen vom 01.08.2023)“ statt. Die Namen der dort Informierenden lauten: Stefan Ebner, Helmut Plenk (stv. Landrat Landkreis Regen), Sebastian Gruber (FRG-Landrat) und Olaf Heinrich. Da Hog’n wird berichten.
Stephan Hörhammer
Nachtrag am 20.03.24: Der Haushaltsausschuss im Bayerischen Landtag hat den Kauf des „Bavaria“-Areals für das Fortbildungszentrum gebilligt, wie MdL Stefan Ebner mitteilt (einfach klicken).