Spiegelau. Vor nunmehr rund elf Jahren wurde das TAZ, das Technologie-Anwenderzentrum, in Spiegelau eröffnet. 2022 feierte es sein zehnjähriges Bestehen. Das Gebäude steht unübersehbar und baulich markant mitten im Ort. Zum Start der wissenschaftlichen Einrichtung war sie sowohl mit Hoffnungen als auch Befürchtungen behaftet, die da u.a. lauteten: Wird daraus nur ein teurer Elfenbeinturm der Nerds und Spezialisten? Oder wiederholt sich so etwas wie das benachbarte und beneidete „Wunder von Teisnach“? Neue blühende Betriebe sollten möglichst im Umfeld auch hier entstehen und sprießen – und Gewerbesteuerquellen munter sprudeln lassen.
Was ist daraus geworden? Darüber haben wir uns mit Professor Harald Zimmermann (wissenschaftlicher Leiter des TAZ Spiegelau) und Bürgermeister Karlheinz Roth unterhalten.
„Das macht uns sehr stolz“
Herr Roth: Ein „zweites Teisnach“ war vermutlich eine trügerische Hoffnung. Und von einem inoffiziellen Titel à la „Technischer Hochschul-Ort“ kann auch niemand abbeißen. Die Kommune trägt heute einen überschaubaren Betriebskostenanteil, aber immerhin. Wie würden Sie die Relation von Aufwand und Ertrag des TAZ in Spiegelau bewerten?
Die erfolgreiche Arbeit von Professor Harald Zimmermann und seinem Team am TAZ Spiegelau hat wesentlich dazu beigetragen, dass die jährlichen Betriebskostenanteile in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt werden konnten. Daneben leistet unser Technologie-Anwenderzentrum einen wesentlichen Beitrag für modernste Standortvoraussetzungen, die Investoren oder Firmengründer in Spiegelau vorfinden können. Wir sind sehr stolz darauf, mit dem Technologieanwenderzentrum Spiegelau angewandte Forschung direkt vor Ort in unserer Gemeinde betreiben zu können.
Professor Zimmermann: Forschung und Wissenschaft an sich sind ein hoher Wert. Aber so ein Anwender-Scharnier zur Wirtschaft wird wohl auch an verwertbarem Output gemessen. Was würden Sie sagen – möglichst konkret in Produkten, Erkenntnissen oder wenigstens in Sachen Renommee – sind die drei größten Erfolge der bisher geleisteten Arbeit?
Ganz klar die Kooperation mit der Universität Bayreuth und der Beitrag des TAZ zur Nominierung zum Deutschen Zukunftspreis 2020. Dieser Erfolg wurde aber vor meiner Zeit erarbeitet. Seither sind es der stetige Ausbau unseres Partnernetzwerkes und die Tatsache, dass eben diese Partner auch sehr häufig am TAZ anzutreffen sind, um die für sie laufenden Versuche selbst mitgestalten zu können.
Und natürlich die Fähigkeiten und Motivation unseres TAZ-Teams: Vollelektrisch betriebene Schmelzwannen werden fast schon im Jahresrhythmus geplant, verbessert, gebaut und betrieben. Die Fülle von Erkenntnissen ist so groß, dass man mit dem Dokumentieren kaum noch nachkommt. Schließlich ist noch die parallele Entwicklung eines neuartigen Produktionssystems für die Glasindustrie samt Piloterprobung am eigenen Institut zu erwähnen. Das hat uns auch schon außerhalb der Glasindustrie bekannt gemacht, sorgt aber vor allem in der Glasindustrie für positiven Gesprächsstoff und neue Projektanträge mit dem TAZ. Das macht uns sehr stolz.
„Auch die Politik muss ihre Hausaufgaben erledigen“
Herr Roth: Hinter dem TAZ-Gebäude regt sich immer mal mehr oder weniger. Gerade wird wieder gebaggert und offenbar vorbereitet. Gibt es eine konkrete Perspektive für die weitere Entwicklung des Standorts Spiegelau?
Mit dem Modellprojekt „Landstadt Bayern“ hat unsere Gemeinde die einmalige Gelegenheit erhalten, die bestehenden Strategien und Rahmenpläne für die künftige Gestaltung des ehemaligen Sägewerksgeländes konkret weiterzuentwickeln. Daneben steht nach der Ansiedlung des TAZ Spiegelau, der Wald-Apotheke und der VR-Geno Bank mit dem Neubau der Indoor-Soccer-Arena von Michael Miedl bereits die nächste konkrete Umsetzung auf dem Gelände bevor. Der Spatenstich für den Neubau der Halle wird am 16. Juni erfolgen. Auch in den nächsten Jahren wollen wir so unser Sägewerksgelände auf der Basis eines Gesamtkonzeptes und gemeinsam mit interessierten Investoren schrittweise entwickeln und zu einem Quartier der Zukunft machen.
Herr Zimmermann: Glas hat einen gewaltigen Nachteil. Dessen Herstellung erfordert einen überaus energieaufwändigen Prozess. Die Glashütten der Geschichte durchlöcherten den Wald massiv, als es noch keines Gedankens daran bedurfte, ob dieser als Lieferant noch reichen könnte. Heute stehen wir wieder an einem Wendepunkt – geopolitisch und ökologisch bedingt. Kann die Zukunft des Glases vielleicht denen gehören, die die besseren Antworten darauf finden, anstatt nur die billigeren Arbeitskräfte zu haben?
Arbeitskraft spielt in der Produktkostenkalkulation in der Behälter- und Flachglasindustrie nur noch eine kleine Rolle im Vergleich zu den Abschreibungen sowie vor allem zu den Rohstoff- und Energiekosten. Dabei spielen natürlich auch die örtlichen Rahmenbedingungen eine große Rolle – und dazu passen auch die aktuellen und wachsenden Probleme, überhaupt Personal zu finden. Also ja, geringe Energiepreise und verfügbare Fachkräfte sind Standortvorteile. Folglich muss auch die Politik ihre Hausaufgaben erledigen.
Der Blick voraus
Herr Roth: Sie haben einen Wunsch für das 25-jährige TAZ-Jubiläum frei. Wie lautet dieser?
Für das 25-jährige Jubiläum unseres Anwenderzentrums würde ich mir folgende Schlagzeile wünschen: ‚Das TAZ Spiegelau blickt auf eine 25-jährige Erfolgsgeschichte zurück‘.
Herr Zimmermann: Wie lautet ihr Wunsch?
Ich bin ein gesunder Unruheständler und darf zusammen mit meiner Frau die Festrede zur Einweihung des ‚TAZ2‘ in Spiegelau halten.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: Hermann Haydn