Spiegelau. Harald Zimmermann ist an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) Professor und Experte in Sachen Glasverarbeitung, seit 2019 wissenschaftlicher Leiter am Technologie-Anwenderzentrum (TAZ) in Spiegelau – und verfügt über eine „hochenergetische Lache“. Am Rande der Veranstaltung „Kunst trifft Technologie“ hat er sich mit dem Onlinemagazin da Hog’n über seine Arbeit am TAZ unterhalten.
Der Anlass ist punktgenau gewählt. Hans Wudy, ehemaliger Leiter der Glasfachschule Zwiesel, stellt derzeit als Glasgestalter Objekte aus, wie sie den anstrengenden Werkstoff nicht schöner und kreativer ins Licht rücken könnten. Über ihn spannt sich der thematische Bogen von altem Handwerk über Kunst bis zu industriellen Themen, zu den Scherben der jüngeren Vergangenheit und den Optionen für die Zukunft.
Wissen, das auf der Glas-Expertise von einst basiert
Harald Zimmermann hat sich gerade eine außergewöhnliche Fachbibliothek gesichert. Ordentlich aufgereiht stehen große, gebundene Werke über die gesamte Rückwandhöhe und Breite des Vortragssaals verteilt. Sie machen jedoch nur etwa ein Drittel des vorhandenen Bestandes aus, der vormals bei der Augsburger Firma Osram als multifunktionales Nachschlagewerk diente. Zimmermann lacht hell auf, als die Frage auftaucht, wer so etwas aus der Zeit Gefallenes überhaupt noch haben will. Denn eigentlich ist heute alles online, alles digital verfügbar. Er aber freut sich schelmisch darüber, „für lau“ so viel inneren Wert „abgestaubt“ zu haben – und schildert: Als es im Forschungsbetrieb etwa um Viskosität ging, lag hier ein Buch aufgeschlagen in einem Labor, dort ein anderes. Auch heute feiert „schwarz auf weiß“ wieder fröhliche Urständ.
Was einem das sagen will? „Wir bauen weiter auf dem reichen Wissen derer auf, die mit Glas vor uns gearbeitet haben“, sagt Zimmermann. Selbst wenn das Glas, das die Region geprägt hat, nicht mehr die alten Schornsteine qualmen lässt, ist deren Ende eine Evolution, ein Resultat daraus. Aus der Krise, Umwälzung und Herausforderung eine Chance kreieren, das will Professor Zimmermann erreichen. Seine ansteckende Art zu lachen klingt dabei nach purem Optimismus.
Er könnte auch darüber lamentieren, dass es sich als höchst kompliziert erwiesen hat, aus einem Glasstrom fragile und stabile Mikro-Hohlglas-Kügelchen wie durch einen Seifenblasen-Pustering zu gewinnen. Diese sorgen – bestehend aus recycelbarem Sand – in Putzen an Fassaden für eine gut verarbeitbare, effektive und zugleich diffusionsoffene Dämmung. Er könnte darüber jammern, dass die Glasproblematiken der Gegenwart nicht mehr nur durch Konkurrenz definiert sind. Die global knapperen Ressourcen werden teuer, Fachkräfte seltener. Und über allem hängt die große Öko-Energie-Dimension: Gas für Glas wird zum No-Go aus politischen Gründen und noch mehr wegen dringend nötigem Klimaschutz.
16 Mitarbeiter in fünf Laboren und einem Technikum
Es wird darüber referiert, warum es nicht einfach sei, industrielle Glasschmelzen elektrisch zu betreiben. Dass Strom mit höheren Wirkungsgraden und regenerativer Erzeugbarkeit die erste Wahl sein werde, um selbst braunes und weißes Glas in absehbarer Zeit „grün“ zu machen, steht für das TAZ-Team außer Frage: „Alle wollen es!“ Doch der Weg dorthin ist schwierig – und die Forschung deshalb immer öfter wieder ein Standortvorteil. Dafür braucht es aber nicht nur Theorie, sondern auch einmal die extrem praktische Erfahrung einer durchgebrannten Glaswanne, das helle Auflachen über ein Scheitern und die laute Freude über sich logisch anschließende Erfolge. Aus Schaden kann man auch klug werden.
Die Materie ist komplex. Zimmermann betont, wie wichtig Transparenz sei, selbst wenn es oft Insiderthemen sind, die das TAZ für öffentliche Forschungsprojekte oder auch im Auftrag von Firmen erledigt. Es fließt viel Steuermittel in so eine Einrichtung. Das soll sich auch ummünzen. Das soll Nutzen haben. Wenn auch die Komplexität der Themen später eher in Fachpublikationen ihre verständigen Leser finden, ist die Essenz für die umliegende Bürgerschaft dennoch: Es geht mit 16 Mitarbeitern in fünf Laboren und einem Technikum darum, wie industrielle Prozesse energieeffizienter, nachhaltiger und ablaufoptimierter gestaltet werden können.
Fast wie in der „echten“ Glashütte
Die Techniker, Elektroniker oder Physiker im Team bauen aus ihrer Kompetenz heraus dann „Rührlöffel“, die realerweise messen können, wie sich etwa ein höherer Scherbenanteil aus Recycling-Kreisläufen auswirkt. Wie praktisch das im angewandten TAZ-Standard dann verifizierbar ist, zeigt sich daran, dass der dortige Glasofen (oder besser gesagt die Glaswanne) mit jeder Variante verbessert und vergrößert wird. Seit November läuft dieser im Zweischichtbetrieb fast wie in der „echten“ Glashütte. Und selbst die Frage beinhaltet schon wieder Forschung, wie einem Facharbeitermangel dadurch begegnet werden kann, dass der „heiße Laden“ nachts nicht laufen muss – und dennoch am Morgen wieder rund laufen kann…
Hermann Haydn