Waldkirchen. So einiges liegt derzeit im Argen im deutschen Handwerk. Das wird klar, wenn man der Rede von Ewald Kreuzer bei der Eröffnung der Dachdeckermeistertage in Waldkirchen lauscht. Umso erfreuter sind alle Beteiligten, dass es eine Veranstaltung wie diese gibt – und dass die Ausbildung im Dachdeckerhandwerk seit fast 50 Jahren immer weiter verbessert werden konnte. An diesem Wochenende treffen sich zum 42. Mal ehemalige und aktuelle Dachdeckermeisterschüler in Freyung-Grafenaus größter Stadt, um Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Waldkirchen ist der einzige Ausbildungsstandort für Dachdecker in ganz Bayern.
Ewald Kreuzer, Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker, hat von Anfang an mitbekommen, wie sich Waldkirchen zum Mittelpunkt in puncto Dachdeckerausbildung in Bayern entwickelte. Er selbst hatte 1974 die allererste Ausbildungsklasse besucht. Davor musste der Oberpfälzer gemeinsam mit Schreinern und Zimmerern in Regensburg die Berufsschulbank drücken, später nach Nürnberg wechseln. Erst ’74 wurde mit dem Standort Waldkirchen eine für alle bayerischen Dachdecker gemeinsame Ausbildungsstätte geschaffen.
„Waldkirchen hat sich enorm entwickelt“
Auch die Meisterprüfung hat Kreuzer fünf Jahre später hier abgelegt und war bei den allerersten Dachdeckermeistertagen 1980 als Organisator mit dabei.
Seit 2005 war er als Landesinnungsmeister immer involviert, wenn in Waldkirchen in den Ausbildungsstandort investiert und die Ausbildung zum Dachdecker(meister) weiter modernisiert wurde. „Ich kann mich erinnern, dass der Lehrer im Technisch-Zeichnen in unserem ersten Schuljahr einen Bleistift in 2H verlangt hat“, erzählt Kreuzer schmunzelnd. „Im Schreibwarenladen vor Ort gab es so einen aber nicht.“
Nicht nur das Angebot im Einzelhandel habe sich seither vor Ort verbessert. „Die Stadt hat sich enorm entwickelt“, findet der Innungsmeister. Und auch die Dachdeckerschule habe sich immer weiter verbessert. Dort werde fundiertes Fachwissen vermittelt.
„Geld ins Handwerk stecken – nicht damit spekulieren“
Bei der Eröffnung der 42. Dachdeckermeistertage im Bürgerhaus ist er allerdings auch derjenige, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Während Heribert Schuck, erster Vorsitzender des Vereins „Dachdeckermeisterschüler in Waldkirchen“ in seiner Rede „nicht über Probleme lamentieren“ möchte, da man in den Medien schon genug Negatives lesen könne, spricht Kreuzer die Schwierigkeiten konkret an.
Da sei zum einen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der eine Energiekrise hervorgerufen habe, beginnt Kreuzer seine Aufzählung. „Den Rohstoffmangel haben wir gerade hinter uns“, führt er weiter fort. Ob dieser nicht mitunter durch Spekulationen der Hersteller entstanden sei, die durch bewusste Verknappung die Preise hochtreiben wollten? Kreuzer bemängelt derartige wirtschaftliche Entscheidungen deutlich.
„Geld ist vorhanden in Deutschland“, konstatiert er. „Aber wir müssen es ins Handwerk stecken – und nicht damit spekulieren.“ Denn die Probleme im Handwerk seien groß – allen voran der Fachkräftemangel müsse bekämpft werden: „Wir haben nicht die Kapazitäten, um die fehlenden 400.000 Wohnungen in Deutschland zu bauen.“ Auf Großbaustellen treffe er als Innungsmeister kaum noch deutsche Arbeiter. „Headhunter werben überall die Leute ab“, berichtet er. Die Ausbildung im Handwerk wieder attraktiv zu machen und Fachkräfte gut auszubilden – dafür müsse Geld in die Hand genommen werden.
Kontakte knüpfen und Erfahrungen austauschen
„Hier in der Region genießen wir einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Heribert Schuck in seiner Rede. Das wird deutlich, wenn man sich im Bürgerhaus umschaut: Bürgermeister Heinz Pollak kann nicht nur stv. Landrätin Helga Weinberger begrüßen – unter den rund 60 Gästen befinden sich auch einige Waldkirchner Stadträte, die Bürgermeister sämtlicher Nachbargemeinden, die Ehrenbürger der Stadt, Vertreter von Vereinen, Banken, Schulen und Medien.
Helga Weinberger betont, wie wichtig es sei, den Austausch zwischen aktuellen und früheren Abschlussjahrgängen der Dachdeckermeisterausbildung zu fördern. „Wenn man weiß, welchen Kollegen man anrufen und fragen kann, weil man ihn auf den Meistertagen in Waldkirchen getroffen hat, ist das viel wert“, so die stv. Landrätin. „Zusammenhalt ist wichtig – und das zeichnet uns Waidler aus!“
Auch sie unterstreicht noch einmal, dass die Region und das Dachdeckerhandwerk voneinander profitieren: „Die Dachdecker machen Waldkirchen in Bayern und noch weiter bekannt.“ Dass Heinrich Schmidhuber, ehemaliger Bürgermeister, es geschafft habe, die Dachdeckerausbildung für alle Dachdecker in Bayern in die Stadt zu holen, sei sicher nicht einfach gewesen und ein enormer Verdienst.
Spenden an Tafel und Feuerwehr
Zum Start ins Jahr werden sich die Dachdecker an diesem Wochenende in Waldkirchen über aktuelle Themen wie technische Neuerungen und neue Materialien, Versicherungsschutz und Unternehmensführung austauschen.
„Die Dachdeckermeistertage stehen unter dem Motto: Tagen und Feiern unter Freunden“, wie Heribert Schuck verdeutlicht.
„Wir fühlen uns in Waldkirchen wohl und willkommen“, sagt der Vereinsvorsitzende. Und Bürgermeister Heinz Pollak meint sogar: „Der Harry könnte sich endlich mal eine Wohnung hier in Waldkirchen suchen, weil er so oft hier ist.“
„Dafür würden wir gerne etwas zurückgeben“, kündigt Schuck eine großzügige Spende des Vereins an – und übergibt jeweils einen Scheck über 500 Euro an die Waldkirchner Tafel und die Freiwillige Feuerwehr der Bayerwaldstadt.
Sabine Simon