Waldkirchen. Er trat in den 70ern zur Landtagswahl an gegen einen alteingesessenen aus der eigenen Partei – und gewann. Doch schon nach wenigen Jahren verabschiedete er sich wieder von der Münchner Politbühne – er wollte zurück in die Welt der Banknoten und Zahlen. „In der Bank konnte man selber gestalten, ohne Fraktionszwang.“ Beim Thema Fußball beginnen seine Augen zu leuchten. Die drei Jahre als DFB-Schatzmeister waren eine sehr anstrengende Zeit für ihn, aber auch eine sehr schöne.
Anstrengende wie schöne Zeiten erlebte Heinrich Schmidhuber auch als damaliger Kreistagsabgeordneter und Bürgermeister von Waldkirchen so einige. Wir haben den 76-Jährigen zu Hause besucht, um mit ihm auf 40 Jahre Landkreis FRG zurückzublicken. Aber auch, um aktuelle Probleme anzusprechen und den Blick in die Zukunft zu wagen.
„Ebenso hat sich beim Fremdenverkehr vieles getan“
Sie kennen die Geschichte des Landkreises wie kein anderer, sind seit Jahrzehnten mit der Region und seinen Menschen eng verbunden. Herr Schmidhuber, was wünschen Sie dem Landkreis zum 40. Geburtstag?
Ich wünsche dem Landkreis, dass die wirtschaftliche Entwicklung weiter vorangetrieben werden kann. Ich denke, wir haben heute eine bessere Ausgangssituation als vor 40 Jahren, etwa weil die Grenze zu Tschechien geöffnet wurde und wir damit in den Mittelpunkt Europas gerückt sind.
Was waren denn Ihrer Meinung nach die bedeutendsten Ereignisse, die sogenannten Meilensteine, in den vergangenen 40 Jahren?
Als erstes fällt mir hier der schulische Bereich ein. Wenn man zu meiner Zeit in eine höhere Schule gehen wollte, hat man nach Passau fahren müssen. Das konnte sich damals kaum jemand leisten. Mit dem Ausbau der Schullandschaft in Freyung-Grafenau hat sich da doch einiges verändert: Mit neuen Real- und Berufsschulen sowie Gymnasien wurden die richtigen Akzente gesetzt. Ebenso hat sich beim Fremdenverkehr vieles getan, bei dem wir heute mit anderen Urlaubsgebieten gut mithalten können. Ein weiterer wichtiger Punkt war der Ausbau des Straßen- und Verkehrswegenetzes. Als ich in den 70er Jahren Mitglied des Landtags war, hatten wir noch keine Autobahnzubringer und Autobahnen. Das war für mich immer eine halbe Weltreise, über Passau, Pocking und Altötting nach München.
„Bei der Gebietsreform gab’s so manche Hürde zu nehmen“
Wie war das damals mit der Landkreis-Reform?
Es gab da schon so manche Hürde zu nehmen. Die Ausgangssituation war so: Die Bezirksregierungen waren aufgefordert, Vorschläge für die Gebietsreform einzureichen. Gemäß dem sogenannten Riederer-Plan (benannt nach dem damaligen niederbayerischen Regierungspräsidenten Johann Riederer – Anm. d. Red.) sollten Wegscheid und Wolfstein sowie Grafenau und Regen zusammengelegt werden. Letztendlich ist es aber dann so gekommen, dass die Wegscheider den Passauern eingegliedert und Wolfstein und Grafenau zusammengelegt wurden.
Waren denn die Wolfsteiner bzw. Grafenauer zufrieden mit dieser Entscheidung?
Ein Teil der Wolfsteiner war froh, dass dies so passiert ist, weil damit auch Freyungs Status als Kreisstadt weiter zementiert wurde. Die Grafenauer hätten, gleich wohin sie gekommen wären, ihren Landkreissitz abgeben müssen. Zum Ausgleich hat man ihnen dann später den Sitz des Finanzamts zugesprochen. Naja. Andernorts in Bayern ist es damals sicherlich um einiges heftiger zugegangen als bei uns …
Wohin geht die Reise für den Landkreis in den nächsten 40 Jahren? Welches Potenzial gilt es zu nutzen, welche Probleme zu meistern?
Meine größte Sorge ist die demografische Entwicklung in unserem Raum. Nach der Schule wandern die jungen Leute ab, verlassen den Landkreis und lassen sich eben woanders mit ihren Familien nieder.
Was ist Ihrer Meinung nach zu tun?
Wir müssen vehement gegen diese Entwicklung ankämpfen, indem mehr Arbeitsplätze geschaffen werden – vor allem für gut ausgebildete junge Leute. Dass sie dann eben nicht mehr weggehen, sondern hierbleiben und ein Haus bauen, eine Familie gründen. Das wird die künftige Aufgabe unserer kommunalen Vertreter sein, genauso wie für den gesamten Staat: hier gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Immer mehr Arbeitsplätze wandern in die Ballungsräume ab, dem muss entgegengewirkt werden. Der Staat müsste hier noch mehr für diese Randregionen leisten. Nicht dass unsere Leute einmal nach Tschechien oder woandershin zum Arbeiten fahren müssen, weil es bei uns keine Arbeitsplätze mehr gibt.
„Drei Krankenhäuser kann man auf jeden Fall wirtschaftlich führen“
Ein anderes Thema: Aktuell stehen ja die Krankenhäuser des Landkreises heftig in der Diskussion? Braucht es denn drei Krankenhäuser für Freyung-Grafenau?
Diese Überlegungen gab es ja schon häufiger. Ich bin der Meinung, dass sich die drei Krankenhäuser in der Vergangenheit bewährt haben. Ein Krankenhaus ist natürlich ein wirtschaftlicher Faktor und großer Arbeitgeber in der Region. Langfristig entscheidend ist die medizinische Qualität der Versorgung und Betreuung, damit sich die Patienten für den Gang in die Krankenhäuser bei uns entscheiden. Das gilt es zu beachten.
Drei Krankenhäuser kosten den Landkreis aber auch viel Geld …
Der Kreistag diskutiert ja aktuell ein neues Strukturprogramm, das eine Spezialisierung der einzelnen Krankenhäuser vorsieht, um so für eine bessere Auslastung zu sorgen. Ich kenne den Kampf um den Erhalt der Häuser schon seit mehr als 30 Jahren. Immer wieder gab es einen Weg, die Einrichtungen wirtschaftlich zu halten. Zurzeit sind diese defizitär. Aber man hat in den letzten 20,30 Jahren enorme Summen investiert, um räumlich, technisch und qualitativ auf dem Stand der Zeit zu sein.
Macht das neue Strukturprogramm Sinn?
Darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich bin kein Spezialist, kein Fachmann auf dem Gebiet. Ich denke, dass man die drei Krankenhäuser in jedem Fall wirtschaftlich führen kann – und die Kreisräte da auch eine Lösung finden werden.
„Wünsche mir, dass der Ohmühl-Stausee noch verwirklicht wird“
Apropos Kreistag: Wer wird denn der nächste Vorsitzende dieses Gremiums, sprich: der nächste Landrat?
Der jetzige Landrat Ludwig Lankl bringt gute Voraussetzungen für eine weitere Kandidatur mit und ich gehe davon aus, dass er nochmal zur Wahl antritt. Vom gesundheitlichen Standpunkt her gesehen muss er selber einschätzen können, ob er sich’s nochmal weitere sechs Jahre zutraut. Sein Job ist kein leichter. Für mich ist eine Kommunalwahl immer in erster Linie eine Persönlichkeitswahl, da spielt die Partei nur eine untergeordnete Rolle.
Sehen Sie denn aktuell eine alternative Persönlichkeit zu Herrn Lankl?
Das ist schwierig zu sagen. Sicher gibt es qualifizierte Leute im Landkreis. Aber diese Frage kann man erst beantworten, wenn man weiß, wer bei der nächsten Wahl kandidiert.
Wenn Sie ein Geburtstagsgeschenk für den Landkreis kaufen müssten. Welches wäre das?
(überlegt lang) Einen großen Betrieb, der viele Arbeitsplätze mit sich bringt und es denn jungen qualifizierten Leuten ermöglicht, hierzubleiben. Ich wünsche dem Landkreis außerdem noch, dass der Stausee Ohmühle bei Schiefweg einmal verwirklicht werden könnte. Was vielleicht viele heute nicht mehr wissen: Der Abschnitt der WOS 1 zwischen der Schiefweger Kuppel und Wotzmannsreut ist zugleich die Staumauer des zu meiner Bürgermeisterzeit entworfenen Ohmühl-Stausee-Projekts. Einige Anlieger waren jedoch nicht bereit ihre Grundstücke zu verkaufen, sodass das Vorhaben letztlich scheiterte. Es war angedacht den Stausee für den Fremdenverkehr zu nutzen, es hätte zudem ein Wasserkraftwerk gebaut werden sollen. Naja, wer weiß, was sich da nochmal tun wird …
Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.
Interview: Stephan Hörhammer