Waldkirchen/Karlsbach. Wenn CSU-Politiker Bäume pflanzen, ist meistens etwas im Busch. Da geht’s in erster Linie um Symbolpolitik. Um opportunistischen Wählerstimmenfang. Weniger um Inhalte bzw. ernstgemeinte Absichten. Ministerpräsident Markus Söder scheint inzwischen darin geübt, umarmt medienwirksam schon mal gerne einen Baum oder pflanzt selbigen mit einer Gruppe Kindergartenkinder, um – wie er es nennt – ein Zeichen zur Bekämpfung des Klimawandels zu setzen.
Ganz nach dem Vorbild des Landesvaters begab sich Ende Oktober der CSU-Stimmkreisabgeordnete Gerhard Waschler auf Einladung seiner Parteifreundin und Waldkirchener Stadträtin Sonja Kozeny nach Karlsbach, um dort ebenfalls einen Baum zu pflanzen. Jedoch nicht irgendeinen Baum, nein. Er setzte einen „Baum der Hoffnung“ in die Erde. Die offizielle Begründung für diesen einmal mehr symbolschwangeren Akt: Waschler wolle ein Zeichen setzen „für die intensiven Bemühungen der Karlsbacher für den Erhalt ihrer Dorfschule“, wie der Pressemitteilung aus dem Hause des bildungspolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion zu entnehmen ist.
„Immer ein klares Bekenntnis für die kleinen Grundschulen“
Wie allgemein bekannt, hatte der Waldkirchener Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen, die Grundschulen in Holzfreyung, Böhmzwiesel und Karlsbach zu schließen und stattdessen eine mehrere Millionen Euro kostende, zentral in Waldkirchen gelegene Gesamtgrundschule zu errichten (da Hog’n berichtete). In den umliegenden Dörfern regte sich sogleich Widerstand, Interessengemeinschaften wurden gebildet, ein jüngst für zulässig erklärtes Bürgerbegehren gestartet. Ob es nun zum Bürgerentscheid kommen wird oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab.
Jedenfalls: Gerhard Waschler will den Dörflern zur Seite stehen. Er stellte bei seiner Baum-Pflanzaktion klar, dass der Bestand der drei Dorfschulen durch den Freistaat nicht in Frage gestellt werde. Die von der Stadt geäußerte Befürchtung, dass im Falle eines Bürgerentscheides die Staatsregierung Druck machen werde, kleine Standorte mit weniger als 100 Schülern zu schließen, verwunderte ihn gar sehr. Zitat Waschler: „Das Gegenteil ist der Fall: Die Staatsregierung hat meines Wissens nach immer ein klares Bekenntnis für die kleinen Grundschulen im ländlichen Raum abgegeben.“
Dem Landtagsabgeordneten zufolge ist es „nach strukturellem und pädagogischen Empfinden durchaus sinnvoll, auch bei geringen Schülerzahlen an Schulstandorten wie Karlsbach festzuhalten“. Kleine familiäre Schulen schaffen laut dem einstigen Gymnasiallehrer Waschler „eine für viele Kinder besonders wertvolle Atmosphäre und Lernumgebung, in welcher die individuelle Entwicklung der Kinder viel zielgerichteter gefördert werden kann“.
„Glaube nicht, dass Herr Waschler das noch lernt“
Das Echo auf den Besuch des Abgeordneten folgte auf dem Fuß. „Nicht Dein Ernst?????? Populistischer geht’s nimmer!!!!!„, ätzte Heidi Massinger-Biebl, ihres Zeichens Waldkirchener CSU-Stadträtin, satzzeichenreich via Facebook gegen die Waschler’sche Baum-Kampagne. Sie bemühte dabei sogar Über-Landesvater Franz-Josef-Strauß, der sinngemäß gesagt hatte: „Ein verantwortungsbewusster Politiker schaut dem Volk aufs Maul, redet ihm aber nicht nur danach.“ Mit dem Zusatz: „Ich glaube nicht, dass Herr Waschler das noch lernt…“ Und der Frage: „Wo bleiben die Stimmen der ’schweigenden Mehrheit‘ aller (!) Waldkirchner zur Unterstützung ihrer Kinder!?“ Im Gegensatz zum kürzlich erstmals stattgefundenen und dem Vernehmen nach recht harmonisch verlaufenem „Runden Tisch“ (mit Vertretern der Schulen, der Stadtverwaltung und der Interessensgemeinschaft) scheint die CSU in der Grundschul-Frage dann doch etwas gespalten zu sein…
Feststeht: „Der Ton im Kampf um den Erhalt der Dorfschule in Karlsbach wird deutlich rauer“, wie auch MdL Waschler gemäß einer weiteren Pressemitteilung aus seinem Hause zuletzt feststellen musste. Einige „durchaus scharfe und teils massiv herabwürdigende Kommentare“ hätten ihn im Nachgang seiner Karlsbach-Mission erreicht. Darunter auch Bürgermeister Heinz Pollak (Freie Wähler), der dem fast seit zwanzig Jahren im höchsten bayerischen Parlament vertretenen Politiker zugerufen haben soll, dass er sich nicht in Dinge einmischen solle, die ihn nichts angehen. Waschler hingegen möchte sich als bildungspolitischer Sprecher den Mund jedoch nicht verbieten lassen – und sich „jedweden bildungspolitischen Fragestellungen annehmen“.
Und an Massinger-Biebl gewandt: „Die ’schweigende Mehrheit‘ tickt demnach wohl auch anders als sie gehofft hätte – knapp 2.600 Unterschriften aus der Waldkirchener Bürgerschaft für den Erhalt der Dorfschulen sprechen deutliche Worte“, so Waschler mit Nachdruck. Nach dem CSU-Motto „Kurze Beine, kurze Wege“ habe er sich grundsätzlich für den Erhalt von wohnortnahen Grundschulen positioniert, heißt es in seiner Pressemeldung weiter. Die örtliche und wohnortnahe Struktur habe „durchaus eine Existenzberechtigung“, sagt er. Eine Reihe von Hilfsinstrumenten des Bayerischen Kultusministeriums würde ihm zufolge deutlich zeigen, „dass auch das Ministerium auf den bestmöglichen Erhalt von kleinen Standorten setzt“. Dem CSU-Motto „die Kinder mit den kürzesten Beinen sollen die kürzesten Wege haben“ werde damit in jedem Fall Rechnung getragen.
Der Fall Unterjoch
Da verwundert es den geneigten Leser und Internet-Rechercheur dann doch etwas, wenn man ein paar Jahre zurückgeht. Ins Jahr 2014, nach Unterjoch im Allgäu. Damals musste eine kleine Dorfschule in den Bergen schließen, weil zu wenig Schüler für das neue Schuljahr gemeldet waren. Die CSU-Mitglieder des Bildungsausschusses stimmten geschlossen gegen eine Petition der Unterjocher, die Einrichtung trotzdem zu erhalten. Darunter auch Gerhard Waschler. Dieser meinte nur: „Wer den Bürgern verspricht, solche und noch kleinere Schulen aufrecht zu erhalten, verliert jede Seriosität in Fragen der Bildungsfinanzierung.“ Martin Güll (SPD), Vorsitzender des Bildungsausschusses, kommentierte: „Es ist unglaublich, wie eiskalt die Damen und Herren der Regierungsfraktion hier agieren.“
„Herr Prof. Waschler versucht meines Erachtens mit dieser Pflanz-Aktion durch Vereinfachung komplexer Fragestellungen und durch Anheizen von Emotionen die Wählergunst zu gewinnen“, bringt Heidi Massinger-Biebl auf den Punkt, was viele denken – und ergänzt: „Als Experte für Bildungsfragen tut er dies vermutlich wider besseren Wissens.“ Und: „Das Pflanzen eines Baumes ist zu einfach. Wir müssen gemeinsam darauf achten, dass wir uns nicht den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen.“
Rathaus-Chef Heinz Pollak fasst sich kurz: „Ich habe dem Abgeordneten nicht den Mund verboten, sondern darauf hingewiesen, dass er anscheinend nicht weiß, was in den Kompetenzbereich von ihm fällt und was der Kompetenzbereich der Stadt ist.“ Und in Anspielung auf die kommenden Landtagswahlen im Oktober kommenden Jahres fügt er mit entsprechendem Unterton hinzu: „Es freut mich, dass er seine Abschiedstour durch Waldkirchen anscheinend schon begonnen hat. Ich habe ebenfalls bereits einen Baum der Hoffnung gepflanzt, dass wir bald einen anderen Stimmkreisabgeordneten haben.“
Stephan Hörhammer